„Ich heiße Beverly Boyer und bin ein Schwein“, noch mindestens 40 Jahre später könnte ich mich kugeln über diesen Versprecher von Doris Day in dem Film „Was diese Frau so alles treibt“ (1963). Sie spielte darin eine ihrer Paraderollen als typisch saubere amerikanische Hausfrau, die durch eine Patientin ihres Mannes, einem Frauenarzt gespielt von James Garner, zu einem Werbevertrag für „Happy“-Seife kommt. Im Fernsehstudio sieht sie kurz vor ihrem Live-Auftritt einen Nazifilm, daher der Versprecher. Natürlich hätte sie sagen sollen: „… und bin eine Hausfrau“.
Dass die 1922 als Doris Mary Ann Kappelhoff in Cincinatti geborene Schauspielerin schon eine beachtliche Karriere als Sängerin hinter sich hatte, war mir damals aber noch nicht bewusst. Jetzt ist anlässlich des 100. Geburtstags etwas verfrüht eine neue Biografie von Bettina Uhlich erschienen (Südverlag) – „Ihr Leben, ihre Filme, ihre Lieder“, so der Untertitel. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die sich die Anglistin und Romanistin da vorgenommen hat. Auf 320 eng beschriebenen Seiten widmet sie sich in dieser ersten umfassenden deutschsprachigen Biografie dem Leben und Œuvre einer Frau, die 97 Jahre alt geworden ist, in rund 40 Filmen mitgespielt und 29 Studioalben aufgenommen hat. Daneben war sie viermal verheiratet, engagierte sich nach ihrem Rückzug aus dem Filmgeschäft für den Tierschutz und nahm 2011 89-jährig die CD „My Heart“ auf, die es auf Anhieb in die Top 10 der britischen Album-Charts schaffte.
Wie so einige Hollywoodgrößen hat auch Doris Day deutsche Vorfahren: ihre Eltern, der Musiklehrer William Kappelhoff und seine Frau Alma Sophia Welz waren beide Kinder deutscher Einwanderer. Mama Alma schwärmte für den Filmstar Doris Kenyon, deshalb benannte sie ihr drittes Kind nach ihr. Die Ehe der Eltern ist nicht glücklich, der drei (nicht 13 Jahre ältere, wie im Buch behauptet) Jahre ältere William ist schweigsam und kalt im Umgang mit seiner Ehefrau – auch den Kindern gegenüber – und eher ein Anhänger klassischer Musik, während Swingfan Alma wie eine typische Eislaufmutti die hübsche Doris von klein auf zu vermarkten versucht. Schließlich soll die 13-Jährige mitbekommen haben, wie ihr Vater die Mutter während einer Feier mit der besten Freundin von Alma betrogen hat. Die Ehe wurde 1936 geschieden.
Auch mit der angestrebten Karriere als Tänzerin wird es nichts, nachdem sich Doris bei einem schweren Autounfall ein Bein mehrfach und kompliziert gebrochen hat. Sie schwenkt zum Gesang um, studiert während ihrer langen Konvaleszenz andere berühmte Frauenstimmen und singt schließlich in einem Restaurant und danach in mehreren damals sehr beleibten Big Bands, wo sie ihren ersten Mann, den psychisch kranken Posaunisten Al Jordan kennenlernt.
Nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes Terry zerbricht die bereits schwer angeschlagenen Ehe der beiden, Doris will die Trennung und bringt ihre Karriere wieder in Gang. Sie singt im Radio, geht auch wieder auf Tourneen – Mama Alma ist immer mit dabei und kümmert sich um Söhnchen Terry – und landet 1945 mit der Les Brown Band und „Sentimental Journey“ ihren ersten Nummer-1-Hit. Seitdem firmierte sie auch unter dem Künstlernamen Doris Day. Ihr erster Film heißt „Zaubernächte in Rio“, in dem singt sie auch ihren dritten Charterfolg „It’s Magic“ – der auch heute noch den ganzen Zauber und Schmelz ihrer Stimme voll zur Geltung bringt.
Doch es ist ein Filmsong, der Jahre später extra für sie in Auftrag gegeben wird, der zur Legende werden soll: 1956 – Doris kann sich ihre Filme inzwischen aussuchen – dreht sie an der Seite von James Stuart den Hitchcock-Klassiker „Der Mann, der zuviel wusste“, in dem sie eine ehemalige Sängerin spielt. Während eines Konzertes in der Royal Albert Hall in London soll ein Attentat auf einen ausländischen Premierminister verübt werden. In die Geschehnisse verwickelt ist das Ehepaar McKenna. Deren Sohn Hank ist vorher in Marokko entführt worden, und die McKennas versuchen nun auf eigene Faust, den Junior zu befreien. Sie vermuten ihn in dem Gebäude einer Botschaft, die an dem vereitelte Attentat beteiligt ist. Die McKennas gehen deshalb auf eine Party, und Mama singt vor den Gästen mit Tränen in den Augen „Que sera, sera“ – ein Lied, das sie ihrem Sohn immer vorgesungen hat. Sie hofft, dass er sie hört und sich daraufhin meldet. Doris Day soll selber gar nicht besonders angetan gewesen sein von dem „schlichten Kinderlied“, doch es entwickelte sich zu einem riesen Hit, gewann einen Oscar für den besten Filmsong, und sie sollte ihn noch in zwei weiteren Hollywoodstreifen einsetzen. Heute gilt das Lied als einer der berühmtesten Filmschlager aller Zeiten.
Es folgten ihre kommerziell erfolgreichsten Filme, unter anderem mit ihrem guten Freund Rock Hudson: „Ein Pyjama für zwei“, „Bettgeflüster“, „Ein Hauch von Nerz“ oder der Thriller „Mitternachtsspitzen“ in Hitchcock-Manier. 1968 stirbt ihr Ehemann und Manager Martin Melcher, der mit Spekulationen ihr gesamtes Vermögen verspekuliert hatte, einen frühen Herztod. Sie geht vor Gericht, bekommt eine Entschädigung in Millionenhöhe und zieht sich – jetzt in der Presse oft als „ewige Jungfrau“ verspottet – aus dem Filmgeschäft zurück. Es folgt eine kürzere Karriere im Fernsehen mit eigenen Shows, die sie Mitte der 70er ebenfalls beendet.
Über Doris Days letzte Lebensjahrzehnte ist nicht besonders viel bekannt. Sie lebte mit zahlreichen Tieren zurückgezogen in Carmel Valley Village, verlor aber auch nach dem Krebstod ihres einzigen Sohnes 2004 nie den Lebensmut. Erst 2017 wurde übrigens bekannt, dass sie 1922 und nicht 1924 geboren ist. Das Buch trumpft gleich anfangs damit auf, dass es einem guten Freund der Autorin gelungen sei, in Days letzten Jahren eine „persönliche Beziehung“ zu ihr aufzubauen. Nun ja, er unterhielt sporadisch alle paar Monate losen Brief- und E-Mail-Kontakt, nachdem er bei einem USA-Besuch am Wohnhaus der Künstlerin geklingelt und über die Gegensprechanlage mit ihr geplaudert hatte. Zur Einführung eine lockere Lektüre, aber lieber Doris‘ Filme und Alben schauen und hören.