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Filmplakat Panzerkreuzer Potemkin.
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Von der Musikalisierung des Kinos

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Zwischen Berlin und Wien: frühe deutsche Filmklassiker auf der Leinwand
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Selten gab es im deutschsprachigen Raum eine solche Gelegenheit, sich innerhalb weniger Wochen einen so dichten Überblick über die filmmusikalischen Klassiker der Weimarer Republik zu verschaffen. Das Herzstück bildet dabei die „Asphalt“-Retro des Österreichischen Filmmuseums. Bereits vor Beginn der Reihe am 13. Februar kann man während der Berlinale die Weltpremiere der neu restaurierten Fassung von Duponts Meisterstück „Varieté“ erleben, zu der die „Tiger Lillies“ einen neuen Score komponiert haben. Flankiert werden die deutschen Klassiker von der österreichischen Erstaufführung der rekonstruierten Tonfassung von „Panzerkreuzer Potemkin“.

Diese „deutsche“ Fassung des „Panzerkreuzers“ war 1930 ein Berliner Event gewesen. Schon 1925 hatte der Wiener Komponist Edmund Meisel für den Eisenstein-Stummfilm einen grandiosen Score geschrieben, der sogar von Adorno geliebt wurde. Während des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm hat Meisel seine Partitur dann noch einmal bearbeitet. Als „Talkie“ kam der Film 1930 erneut ins Kino, mit synchronisiertem Ton auf Schallplatten. Plötzlich begannen im Kino die russischen Matrosen zu sprechen und Geräusche erklangen aus den Lautsprechern. Jahrzehntelang galt dieser Soundtrack als verschollen, bis im Jahre 2000 der Historiker Martin Reinhart im Technischen Museum Wien die alten Nadeltonschallplatten entdeckte. Am 6. März werden Reinhart und der Hamburger Historiker Thomas Tode diese Fassung im Österreichischen Filmmuseum präsentieren. In der Edition Filmmuseum ist diese Version nun zusammen mit der Stummfilmfassung endlich auch auf DVD erschienen. Unentbehrlich!
Ein Monat vor der Weltpremiere von „Panzerkreuzer Potemkin“ kam im November 1925 ein UFA-Film in die deutschen Kinos, der zum Welterfolg werden sollte: „Varieté“ mit Emil Jannings und Lya de Putti.

Endlich ist auch dieses Schmuckstück des Weimarer Kinos restauriert worden. Es ist eines der Highlights der diesjährigen Berlinale. Am 6. Februar werden die „Tiger Lillies“ im Haus der Berliner Festspiele live dazu musizieren. Wie hatte einst Willy Haas über den Macher dieses traumhaften Zirkusmelodrams geschwärmt: „Dupont ist ein ungewöhnlich geistreicher Techniker. Er ist ein wahrer Meister in der Konzentration eines Milieus, einer Atmosphäre. Wie prachtvoll zum Beispiel das maschinenhaft-flatternde Abrollen eines ganzen großen Varietéprogramms in weniger als fünf Minuten. Das macht ihm niemand nach.“ Gleichzeitig wird „Varieté“ bei Edel auch auf DVD und Blu-ray erscheinen.
Produziert wurde „Varieté“ vom wichtigsten Filmproduzenten der Weimarer Republik: Erich Pommer. Und er zeichnet auch verantwortlich für viele der Filme in der Wiener „Asphalt“-Reihe: von Murnaus „Der letzte Mann“ und Langs „Metropolis“ über Mays „Asphalt“ und Sternbergs „Der blaue Engel“ bis zu den UFA-Tonfilmoperetten. Wie kein zweiter hat er bereits zur Stummfilmzeit eine „Musikalisierung“ des Kinos angestrebt. So funktionierte seine Verfilmung der Oscar-Straus-Operette „Ein Walzertraum“ 1925 auch ohne Musik. Wie schrieb Hans Helmut Prinzler so treffend: „Bei Ludwig Bergers Film erklingt die Musik in den Bildern.“ In Wien gibt es die Gelegenheit, dieses noch nicht auf DVD veröffentlichte rare Meisterwerk auf der Leinwand zu sehen.

Unvergesslich ist natürlich Friedrich Hollaenders Tingeltangelsound im „Blauen Engel“, für den die „Weintraub Syncopators“ sorgten. Ein Meisterwerk an Ökonomie war auch sein Score gewesen, für den er ein paar Lieder beisteuerte, die zum Markenzeichen von Marlene Dietrich wurden. Aber noch ein ganz anderes Hollaender-Chanson wird wieder auf der Leinwand erklingen: „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ aus dem jüngst in Tokio wiederentdeckten Robert-Siodmak-Melodram „Stürme der Leidenschaft“. Aber die Tonfilmoperette haben Erich Pommer und sein UFA-Hauskomponist Werner Richard Heymann erfunden. Zwei der schönsten ihrer Stücke werden zu sehen sein: die Depression-Komödien „Ein blonder Traum“ und „Ich bei Tag und Du bei Nacht“ mit dem Schlagermotto jener Jahre: „Wenn ich sonntags in mein Kino geh’“.

Durch und durch musikalisch sind auch die Filme von Werner Hochbaum: „Razzia in St. Pauli“ und „Morgen beginnt das Leben“. Und natürlich wird auch Peter Lorre in Fritz Langs „M“ wieder das „Peer Gynt“-Motiv vor sich hin pfeifen. Aber auch der andere große Gassenhauer der Weimarer Zeit wird wieder aus den Kinolautsprechern dröhnen: Brecht/Weills „Mackie Messer“. In Pabsts meisterhafter „Dreigroschenoper“-Verfilmung mit Ernst Busch und Lotte Lenya.

Das ganze Programm über „Stadtmenschen im Weimarer Kino“ bis 9. März unter www.filmmuseum.at.

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