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Django (Reda Kateb) und sein Affe Joko. Foto: Roger Arpajou/Weltkino
Django (Reda Kateb) und sein Affe Joko. Foto: Roger Arpajou/Weltkino
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Von Django, Chet und Dalida

Untertitel
Ein Biopic über den genialen „Gypsy Swing“-Gitarristen Django Reinhardt
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2017 war das Jahr der Biopics im deutschen Kino. Gleich drei große Ikonen der Jazz- und Pop-Szene wurden heuer auf der großen Leinwand besungen: Chet Baker, Dalida und jetzt Django Reinhardt. Während das Melodrama „Dalida“ zu den großen Höhepunkten des Kinojahres gehört, enttäuschten die anderen beiden Filme.

„Django – Ein Leben für die Musik“ heißt der Film über den legendären Gitarristen. Ein Zusatztitel, der hier in die Irre führt. Denn um Musik geht es hier nur am Rande. Im Zentrum steht die Verfolgung der Roma durch die Nazis während des Zweiten Weltkriegs. Ursprünglich war „Django“ ein Hollywood-Projekt für Johnny Depp gewesen. Doch irgendwann zerschlug sich das Projekt und so landete die Idee bei dem Filmproduzenten Etienne Comar, der die „Django“-Geschichte auf das Jahr 1943 eindampfte. Leider hat Comar diese Geschichte auch noch selbst sehr kühl in „schönen Bildern“ inszeniert, mit wenig Gespür für den Musiker, den Reda Kateb sehr statisch verkörpert. In der ersten Hälfte des Films erfährt man zwar wenig über den Musiker, aber immerhin darf er immer mal wieder im Konzertsaal oder im Studio zur Gitarre greifen. Selbst Wehrmachtssoldaten wippen in Pariser Theatern zu seiner Musik, die man damals „Zigeuner-Jazz“ genannt hat. Und das, obwohl offiziell das Motto „Swingtanzen verboten!“ galt. Aber die Nazis hatten ja immer dieses „gespaltene Bewusstsein“ der amerikanischen Musik- und Filmkultur gegenüber. Als er allerdings eine Tournee durch Deutschland machen soll, auf der er nur fünfsekündige Solos und keine „entartete“ „Negermusik“ spielen soll, kommt es zum Eklat. Und so entwickelt sich der Film immer mehr zum langatmigen Flüchtlingsdrama, das in Orgelklängen endet. Am Schluss ist uns Django Reinhardt fremd. Nach zwei Stunden ist uns weder der Musiker noch der „Mensch“ Django Reinhardt näher gekommen. Er ist uns „gleichgültig“ geblieben, weil er nur Vehikel war für eine ganz andere Geschichte, die allerdings auch nur in sehr glatten, „leblosen“ bewegten Bildern erzählt wird.

Zur Erinnerung: Es gab 1999 einen Film von Woody Allen, der eine einzigartige Hommage an Django Reinhardt war: „Sweet and Lowdown“. Sean Penn verkörpert darin den „zweitbesten Gitarristen der Welt“, einen gewissen Emmet Ray, der bei der Begnung mit seinem großen Idol sogar in Ohnmacht gefallen sein soll, wie fiktive Zeitzeugen bezeugen. Der Woody-Allen-Film ist ein einziger großer Biopic-Fake, wie fünfzehn Jahre vorher „Zelig“. Und trotzdem kommt einem dadurch das „Wesen“ von Emmet Rays „Bruder“, „this gypsy in France“, wie er ihn nennt, näher als in diesem neuen Biopic, weil der Film Raum lässt für – vielleicht auch falsche – Phantasien über den Musiker und sein musikalisches Universum. Das halbseidene Genre des Biopics hat ja seit den Anfängen mit dieser Mischung aus Facts, Fake & Fiction gespielt. Filmische Liebeserklärungen wie Clint Eastwoods „Bird“, Kevin Spaceys Bobby-Darin-Story „Beyond The Sea“, Irwin Winklers Cole-Porter-Phantasie „De-Lovely“ oder Todd Haynes Dylan-Porträt „I’m Not There“ haben dieses Spiel in den letzten Jahren auf die Spitze getrieben. Ein Film ragte in diesem Jahr nicht nur innerhalb des Genres heraus: „Dalida“. Während die Regisseure von „Django“ oder auch „Born To Be Blue“ (über Chet Baker) ihre Protagonisten nur als Vehikel benutzten, stellt Regisseurin Lisa Azuelos ihre „Heldin“ tatsächlich ins Zentrum ihrer Erzählung. Sie wählt dafür die Form des Melodrams und nimmt dabei das klassische Genre sehr ernst. Wie Sirk oder Fassbinder inszeniert sie ihre Heldin.

Besonders viel Wert liegt sie dabei auf das Setting und die „Rekonstruktion“ der „Performances“, die den Fluss der tragischen Geschichte (Selbstmord ihres Geliebten Luigi Tenco) wie im Musical immer wieder unterbrechen. Dank der herausragenden Hauptdarstellerin Sveva Alviti fiebern wir wirklich mit dieser depressiven Sängerin mit, deren Ende wir von Anfang an kennen. Das Ende des Films ist herzzerreißend wie kaum eine andere Kinoszene in diesem Jahr. Man wünscht sich, Dalida würde trotz der Einnahme dieser Überdosis von Schlafmitteln wieder aufwachen. Und weitersingen.

„Dalida“ erscheint im Dezember bei Eurovideo auf BluRay/DVD. „Born To Be Blue“ ist ab November bei Alive erhältlich. „Sweet and Lowdown“ ist bei StudioCanal erschienen.„Django“ läuft seit 26.10. in deutschen Kinos.

Mehr unter www.jazzzeitung.de

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