Die musikalische Welt des Peter Vogel lässt sich in Schubladen stecken. Dorthin, wo der Freiburger Maler, Physiker und Klangskulpteur seine Halbleiter und Transistoren, seine Widerstände und Kondensatoren aufbewahrt, um sie dann mit ruhiger Hand an Stahlstäbe zu löten. In der Horizontalen werden daraus Gebilde, die sich ebenso als Objekte der Bildenden Kunst wie als Partitur begreifen lassen. Partituren freilich, die erst durch den interagierenden Betrachter ihre Realisierung erfahren. Registriert eine Photozelle die Unterbrechung des Lichteinfalls, wird eine bestimmte Klangreaktion hervorgerufen, je nach Dauer dieses Zustands ist dieser „Klang der Schatten“ von unterschiedlicher Komplexität.
„The Sound of Shadows“ ist der treffende Titel des Films, den Jean Martin und Conall Gleeson dem „Pionier der interaktiven Klangkunst“ (so Matthias Osterwold, einer der Gesprächspartner) gewidmet haben (Wergo MV 0805 5). Mit ruhiger Kameraführung begleiten sie Vogel bei der Herstellung seiner ganz und gar analogen Musikwelten, lassen sich von ihm einige Klangskulpturen erklären und konsultieren Fachleute wie Helga de la Motte-Haber oder David Toop. Deutlich wird dabei, dass der Klang zunächst nur ein Seitenprodukt der zentralen Idee Vogels war: Bildende Kunst um die Dimension der Zeit zu erweitern. Folgerichtig gibt es in Vogels Werk auch den umgekehrten Fall – ein Kunstwerk wird durch Klang manipuliert, was in der Pariser Ausstellung, mit der die Dokumentation endet, einen amüsanten Effekt hat: Eine Besucherin versucht vergebens, dem mechanischen Bild mittels Schatten Klänge zu entlocken.
Nach einer knappen Dreiviertelstunde ist der Film, der auch Vogels „Musical cybernetic object“ von 1975 streift, die erste Klanginstallation bei den Donaueschinger Musiktagen überhaupt, leider schon zu Ende. Allzu gerne hätte man weitere Performances Vogels ähnlich jener gesehen und gehört, die dem Titel „Techno Klangwand“ alle Ehre macht.
Vorbildlich in der Balance aus Hinführung, Aufführung und Begleitmaterial ist eine weitere Wergo-DVD gelungen (MV 0804 5). Der Zuschauer begleitet die sechs Vokalisten des Ensembles „Die Maulwerker“ bei der erneuten Auseinandersetzung mit jenem Werk, das der Gruppe den Namen gab. Dieter Schnebels „Maulwerke“ erweisen sich dabei rund 40 Jahre nach ihrer Entstehung als nach wie vor gültige Auseinandersetzung mit dem Instrument Stimme, die sich durch ihre Rückführung auf elementare vokale Klangerzeugung und ihre Offenheit für immer neue Aufführungsformen ihre Frische und Faszination bewahrt hat.
Die Akribie und Leidenschaft, mit der die „Maulwerker“ diese neuerliche „Ausarbeitung“ für die Filmaufzeichnung in Angriff nehmen, ist im ersten Teil der DVD intensiv nachvollziehbar. Mit großer Sensibilität spürt Regisseurin Susanne Elgeti dem Arbeitsprozess nach, den Schnebels „Exerzitien“ (seine Zeichnungen von Mund-, Lippen- und Zungenstellungen) auslösen und der über die „Produktionen“ und „Kommunikationen“ schließlich zu einer gemeinsamen Großform führt. Die gut halbstündige Filmversion selbst ist dann von beispielhafter Konzentriertheit, hält die faszinierende Balance zwischen abstrakter Lauterzeugung und narrativ-theatralen Elementen, gipfelnd in einem herrlichen Dialog zwischen Henrik Kairies und Christian Kesten. Ein Gespräch mit Dieter Schnebel und seinen Interpreten eröffnet eine weitere Reflexionsebene, ein kürzerer „Cut up“ stellt Ausschnitte der Ausarbeitung und der Filmversion in neue, zufällige Kontexte. Der Prozess öffnet sich erneut.
An diese Konzentriertheit und diesen Reichtum an Perspektiven kommt Gastón Solnickis Film „süden“ (Kairos 0013172KAI) zu keinem Zeitpunkt heran. Der Regisseur hat Mauricio Kagel begleitet, als dieser 2006, zwei Jahre vor seinem Tod, zum ersten Mal seit seiner Emigration nach Deutschland in seine Heimatstadt Buenos Aires zurückkehrte. Anlass war ein ihm gewidmetes Festival, bei dem er unter anderem das „Ensamble Süden“ dirigierte. Im Mittelpunkt des Films steht die Probenarbeit mit den jungen Musikern, über die man freilich so gut wie nichts erfährt. Einige atmosphärisch gelungene Momente machen den Film immerhin zu einem Dokument dieses für Kagels Biografie bedeutsamen Ereignisses.
Auf eine ganz andere Reise entführt uns der Komponist und Filmemacher Michel van der Aa mit „Up-Close“ (erhältlich über http://disquietmedia.net). In seinem gleichnamigen Cellokonzert ist das bewegte Bild integraler Bestandteil des Werkes, das sich somit ideal für das Medium DVD eignet. Das im Prinzip dreisätzige Konzert wird von zwei Episoden unterbrochen, in denen die zunächst nur ergänzend projizierten Filmelemente in den Vordergrund treten. Die nun auch elektronisch angeraute Musik entwickelt zu den latent albtraumhaften Bildern einer älteren Frau, die von einem einsamen Häuschen im Wald aus mit einer altmodischen Apparatur geheimnisvolle Signale aussendet, eine verstörende Atmosphäre, nimmt dann aber wieder mit virtuosem, motorisch intensivem Gestus das Heft in die Hand. Sol Gabetta spielt das Werk zusammen mit der Amsterdam Sinfonietta mit atemberaubender Verve und gibt auch den darstellerischen Momenten, in denen sie indirekt Kontakt mit der Protagonistin des Films aufnimmt, eine große Selbstverständlichkeit. Sehens- und hörenswert.