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Wahlkampfhäppchen

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Stoppok: Mit SicherheitEpic 12-487257-10 Hätte einer unserer deutschen Dumpf- und Betroffenheitsrocker solche Hauruck-Nummern wie „Kebap“ oder „Du machst mich krank, Madame“ geschrieben, ich würde ans Fenster laufen und schreien: „Leute, kauft die neue Scheibe von Grönemeyer (BAP, PUR, Kunze etc.)!“ Doch dummerweise gehen die Titel auf das Konto des Gitarristen und Songschreibers Stefan Stoppok aus Essen, und dieser hat uns auf seinen letzten drei Alben mit edlerem Material verwöhnt. Die Aktuelle („Mit Sicherheit“) ist – nicht immer zum Vorteil von Stoppoks Eigenarten – musikalisch routinierter, knapper, glatter. Die neue Plattenfirma wird sich über die radiokompatible Halbzähmung von Stoppok freuen, eingeschworene Altfans werden musikalische und textliche Nuancen vermissen. Zwei Ausnahmen: „Gerd und Willy“ ist zum Ablachen und große Ruhrpott–Klasse, „Zu früh verloren“ ist eine wunderbar traurige Scheidungsballade; wer hier beim ersten Hören nicht sofort feuchte Augen bekommt, ist ein Klotz. Ansonsten bietet uns das bewährte Songschreiber– Team Stoppok/Conrads/Dziuk leider nur Aufgewärmtes, Themen, die Stoppok so oder ähnlich schon mal besser umgesetzt hat. Besonders schlimm wird’s in der Nähe von Pauschalitäten, die wir an dümmeren Liedermachern immer schon gehaßt haben: „Feine Ideen, Sozialhilfe zu kürzen/ Wer nix zu beißen hat, darf sich aus dem Fenster stürzen.“ Das liegt voll auf der Promo-Linie von Rudolf Scharping und prädestiniert Stoppok zur kommenden Bundestagswahl als kulturelles SPD-Wahlkampfhäppchen. Nichts gegen die Musik dieses Albums! Stoppok hat im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen einen persönlichen Stil zwischen Blues, Folk und Rock entwickelt, und er weiß, wie man solide Popsongs baut. Zwar ist das neue Album nicht durchweg „handgemacht“, aber die wenigen Drumloops und Samples fügen sich schlüssig ins gehabte Konzept. Wir verlassen diese Kritik mit der Ungewißheit, ob Stefan Stoppok momentan nur etwas durchhängt oder ob er auf vorliegender CD bewußt weniger Kunst für hoffentlich mehr Geld abliefern wollte. Stoppok-Einsteigern sei darum zuerst die kürzlich erschienene „Best Of“ ans Ohr gelegt.

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