Sie waren die Stars der diesjährigen Berlinale: die Rolling Stones und Madonna. Bis zuletzt bewegte die hysterischen Klatschtanten, die über die-ses immer wichtiger zu werdende Medien-„Event“ berichteten, nur eine Frage: Kommen sie oder kommen sie nicht? Und sie kamen. Die Stones brachten sogar ihren Hausregisseur mit, einen Mann, der vor einigen Jahren nach der Premiere seines neuesten Films in einem Münchner Lokal noch an das Katzentischchen – nahe dem „stillen Örtchen“ – gesetzt wurde: Martin Scorsese. Marty & München, das scheint im Übrigen ein Kapitel für sich zu sein. Während damals scheinbar kaum einer während der Premierenfeier den „Taxi Driver“-Regisseur erkannte, prügelte dieses Mal ein Münchner Popkritiker schon im Vorfeld auf ihn ein, weil er die Stones in „Shine A Light“ ins rechte Licht setzen durfte. Ohne den Film gesehen zu haben, nennt er ihn einen „Ego-Trip für zwei Medienmonstren“.
Wie eine riesige Freakshow wirkte diese Berlinale aus der Ferne tatsächlich. Zu bestaunen gab es leibhaftig die neben den – inzwischen halbierten „Fab Four“ – berühmteste Rockkapelle aller Zeiten: The Rolling Stones. Und irgendwie war in diesem Moment das Produkt, das sie vorstellen sollten (der Konzertfilm „Shine A Light“), und der kleine Mann in ihrer Mitte, Scorsese, nur noch eine Nebensache. Mick Jagger auf dem roten Teppich – da wurden die Berichterstatterinnen, die so gerne die „Promidichte“ messen, wieder zu kleinen Mädchen. Mit Kino, wie gesagt, hatte dieses „Event“ nur am Rande zu tun – und mit Musik auch nicht. Es war schrecklich.
Und noch ein zweites „heiliges Monster“ hatte Festivalleiter Dieter Kosslick nach Berlin gelockt: Madonna, die heuer auch schon ihren 50. Geburtstag feiert. Außerhalb des Wettbewerbs durfte sie ihr Regiedebüt vorstellen: „Filth and Wisdom“. Wilkommen hieß sie die Presse dann auch gleich mit hämischen Texten über ihre bisherige Filmkarriere. Zugegeben, nach ihrem Debüt in Susan Seidelmans „Desperately Seeking Susan“ gab es wenige Höhepunkte in Madonnas Filmkarriere. Aber es gab durchaus großartige Momente in ihren Kinofilmen, in der Pseudodokumentation „In Bed With Madonna“ genauso wie in Abel Ferraras Psychodrama „Snake Eyes“ oder in Alan Parkers „Evita“. Witzig war auch ihr Auftritt als zickiger Star in einem Film der BMW-Kurzfilmreihe „The Hire“, inszeniert von ihrem Ehemann Guy Ritchie. Auffällig oft bewegt sie sich in diesen „nackten“ Momenten zwischen Pathos und Selbstironie, „like a virgin“ und als „bad girl“. Und so ergibt der Titel ihres ersten eigenen Films „Filth and Wisdom“, Schmutz und Weisheit, durchaus seinen Sinn. Unschuldig hat sie sich im „schmutzigen“ New York der Seventies zum „Material Girl“ der Eighties hochgearbeitet – und ist schließlich in den Neunzigern zur „Weisheit“ gelangt: Ihre „Streetwise“-heit können sie ihr nicht nehmen. Nachdem Madonna seit einigen Jahren in London lebt, hat sie ihre autobiografisch angehauchte Musikergeschichte in ihre neue Heimat verlegt. Und dort hat sie auch ihr filmisches Alter ego gefunden: einen Macho-Man, den schräg-charmanten Rocker Eugene Hütz.
Einen androgynen Mann dagegen verkörpert Cate Blanchett in „I’m Not There“. Und das macht sie so cool, dass sie dafür sogar für einen „Oscar“ nominiert wurde. Aber die Blanchett ist nur eines von sechs Gesichtern des Bob Dylan in Todd Haynes eigenwilligem „Biopic“ über His Bobness, der jetzt in die Kinos kommt. Eine multiple Persönlichkeit wie die ewig bellende Stimme Amerikas muss auch von einem Dutzend filmischer „Seelen“ verkörpert werden, dachte sich Todd Haynes („Far From Heaven“). Und so durften nun gleich sechs Schauspieler Dylan ihr Gesicht leihen. Neben der Blanchett sind das: Marcus Carl Franklin in der Woody-Guthrie-Maske, Ben Whishaw als Rimbaud-Double, Christian Bale als Folkie, Richard Gere in der Billy-the-Kid-Kluft und der kürzlich verstorbene Heath Ledger als liebeskranker Kater. Zusammen ergeben sie für Haynes das „komplette Bild“ eines Troubadours des 20. Jahrhunderts. Wobei Haynes nicht chronologisch erzählt, sondern assoziativ. So dass man Dylans sechs Leben eher als Trip erlebt, als Reise in die durchaus auch seltzerstörerischen Welten eines enigmatischen Künstlers, der sich immer noch auf seiner „never ending tour“ befindet.