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Entfremdung statt Nähe: Barbara Hendricks mit einer Schubert-Maxi-CD

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Vor einigen Jahren haben die „Majors“ mit Traditionen gebrochen. Da wurden Verträge mit etablierten Interpreten aufgekündigt oder einfach nicht verlängert. Man wollte sich konzentrieren – auf den Markt, auf das Marketing und auf einträgliche Renditen. Die Rechnung ging nicht wirklich auf. Viele Künstler fanden bei kleineren, inhaltlich engagierten Unternehmen ein neues Zuhause, andere gründeten gleich ein eigenes Label. So auch Barbara Hendricks. Eine ihrer neuen CDs ist Schubert-Liedern gewidmet.

Ungewöhnlich ist schon das Format: Mit nur 20 Minuten Spielzeit handelt es sich um eine Maxi-CD. Es ist (nach den EMI-Veröffentlichungen von 1985 und 1992) ohnehin eine sehr persönliche Produktion. Doch statt gestaltender Nähe wird hier eine musikalische Entfremdung dokumentiert.

Nachsicht sollte man bei kleineren Lautverschiebungen üben. Doch die offenkundige Unkenntnis der zugrunde liegenden Sprachmelodie muß verstören. Denn nur vor diesem Hintergrund lassen sich manche klangfarbliche Manierismen erklären – etwa bei „Heiß mich nicht reden“ (D 877/2). Und je öfter man versucht, sich gutwillig einzuhören, desto mehr tritt die bloß sängerisch gestaltete Linie gegenüber dem Text hervor.

Wie notwendig aber gerade beim Kunstlied die Einheit von poetischer Dichtung, kompositorischer Verdeutlichung, interpretatorischem Verständnis und musikalischer Umsetzung ist, wird beim Ave Maria (D 839) deutlich. Denn Barbara Hendricks glaubt, den schlichten Worten mit vibrierendem Ausdruck gerecht werden zu müssen – während doch Schubert von sich selbst schrieb, dass er sich „zur Andacht nie forcire.“

Auf fatale Weise zeigt damit die Produktion, wie sehr ein gleichermaßen verständiger wie straff ordnender Produzenten den Künstler vor Überzeichnungen und Sackgassen bewahren hilft. Bei dieser Einspielung aber wird die Freiheit zum Fluch.
 

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