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Gelassene Intensität, fabelhafte Präsenz: Nikolaus Harnoncourt und René Jacobs dirigieren Mozarts „Idomeneo“

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Wenige Opern sind in der jüngeren Rezeptionsgeschichte so stark mit dem Sendungsbewusstsein eines Dirigenten verknüpft gewesen wie der „Idomeneo“ mit Nikolaus Harnoncourt. Für viele hat seine bahnbrechende Aufnahme von 1980 Mozarts Werk in seiner ganzen Genialität erst so richtig ins Bewusstsein gebracht.

Als Harnoncourt den „Idomeneo“ vor zwei Jahren beim styriarte Festival in Graz nun nicht nur dirigierte, sondern zusammen mit seinem Sohn Philipp auch inszenierte, war sich die Fachwelt einig, dass er erneut Maßstäbe gesetzt hatte. Der mittlerweile vorliegende DVD-Mitschnitt erlaubt nun einen aufschlussreichen Vergleich mit der bei Harmonia Mundi erschienenen Neueinspielung eines weiteren eminenten Mozart-Dirigenten: René Jacobs.

Von zentraler Bedeutung ist – wie in allen „Idomeneo“-Produktionen – zunächst einmal die Wahl der gespielten Fassung. Mozart hatte für die Münchener Uraufführung zahlreiche Striche, gerade auch in den Rezitativen machen müssen. Weitgehend an diese Version hielt sich Harnoncourt in Graz, vertrauend auf Mozarts Theaterinstinkt und seine Fähigkeit, solche Striche musikalisch plausibel zu gestalten. Jacobs dagegen hat mit seiner Einspielung unter anderem eine „Ehrenrettung“ von Giambattista Varescos Libretto im Sinn, wie er in seinem Booklet-Kommentar ausführt. Dafür sind seiner Ansicht nach die vollständigen Rezitative von entscheidender Bedeutung. Da er insgesamt schnellere Tempi als Harnoncourt anschlägt, ist sein „Idomeneo“ dennoch nur zehn Minuten länger als Harnoncourts dreistündige Fassung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eben diese Tempi sind allerdings auch ein Manko von Jacobs’ Einspielung. So bleibt von Elettras irrwitzig schnell gespielter Arie „Tutto nel cor vi sento“ (Alexandrina Pendatchanska gibt ihr Bestes) und dem anschließenden Chor („Pietà, numi, pietà“) kaum mehr übrig als ein erregter Klangbrei.

Der RIAS Kammerchor und das Freiburger Barockorchester sind von fabelhafter Präsenz, wobei diese mitunter aber auch in eine gewisse orchestrale Aufdringlichkeit umschlägt, wenn Jacobs den Hörer förmlich mit der Nase auf rhythmische Akzente, scharfe Artikulationen und instrumentale Effekte stößt. Harnoncourt agiert da mit seinem Concentus Musicus und dem ausgezeichneten Arnold Schönberg Chor mittlerweile gelassener, ohne an Intensität einzubüßen.

So könnte man auch seine sich ganz in den Dienst des Werkes stellende, aber nie museale Regiearbeit charakterisieren, die zusammen mit den wunderbaren Solisten des Züricher Balletts (Choreographie: Heinz Spoerli) eine klare Bewegungssprache ausprägt und die Personenkonstellationen mit zeitloser Präzision kenntlich macht.

Die Sängerbesetzungen beider Aufnahmen sind von hohem Niveau, bei Jacobs stellt sich durch den in Studioatmosphäre ausgefeilteren, mit mehr Verzierungen versehenen Gesang mitunter der Charakter von Konzertarien ein. Das gilt vor allem für Richard Crofts differenzierten, manchmal aber verhauchten Idomeneo im Vergleich zu Saimir Pirgas baritonal kernigem, etwas robusten Protagonisten im Grazer Bühnenmitschnitt. Bernarda Fink (Idamante) bei Jacobs hat im Vergleich zu Marie-Claude Chappuis die substanzreichere Stimme, während Sunhae Ims als Ilia mit silbrigem, etwas blutarmem Stimmklang gegenüber Julia Kleiter bei Harnoncourt leicht zurückfällt. Eva Mei ist eine in der Erregung überzeugende Grazer Elettra, das „Idol mio“ gelingt ihr weniger überzeugend.

Die dramatische Unmittelbarkeit der szenischen Umsetzung führt auch im berühmten Abschieds-Quartett „Andrò ramingo e solo“ dazu, dass Harnoncourts Temposchwankungen eindringlicher wirken als der fein ausbalancierte und gestaltete Gesang, der bei Jacobs den emotionalen Ausnahmezustand dennoch nicht restlos beglaubigen kann.

Nichtsdestotrotz braucht der wahre Idomeneo-Enthusiast wohl beide, im übrigen vorbildlich ausgestatteten Produktionen, denen aufschlussreiche Dokumentationen (bei Jacobs auf einer Bonus-DVD) beigegeben sind.

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