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Foto: © Oliver Berg
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„Gib’s mir, gib’s mir jetzt“ – Horrorpflanzen leben länger

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Eine echte Erfolgsgeschichte: in schöner Regelmäßigkeit präsentiert das Theater Münster Spielzeit für Spielzeit eine Musiktheater-Produktion, bei der nicht die hauseigenen Profis im Mittelpunkt stehen – sondern hoch motivierte Kinder und Jugendliche, die Theaterluft schnuppern wollen. Und dies unter professionellen Arbeitsbedingungen einschließlich harter Probenarbeit. Dieses „TheaterJugendOrchester“ (TJO) findet nun schon seit 16 Jahren in Münster große Resonanz.

Während der Premiere des aktuellen Projekts wurde es im Kleinen Haus des Theaters ziemlich gruselig. „Gib’s mir, gib’s mir jetzt“ tönte es scharf durch den Raum – oder genauer: durch Mr. Mushniks kleines Blumengeschäft, das schnell zu einem echten „Horrorladen“ mutierte. Seymour Krelbourn arbeitet hier. Und er weiß natürlich genau, was diese „Gib’s mir“-Schreie zu bedeuten haben. „Seine“ fleischfressende Pflanze will mehr – mehr menschliches Blut! Das nämlich, und nichts anderes braucht sie zum Wachsen. Also bleibt Seymour, dem naiven Gehilfen, nichts anderes übrig als auf die Suche nach neuen Opfern zu gehen. Tja, so kommt’s, wenn man all den Versprechungen glaubt, die Geld, Macht oder Liebe verheißen. Das hat immer seinen Preis.

Alan Menkens „Der kleine Horrorladen“ ist ein recht anspruchsvolles Unterfangen. Vor allem braucht es eine ganze Reihe guter Gesangssolisten und ein hellwaches Orchester, das die vielen spritzigen und funkelnden Melodien zum Strahlen bringt. All das ist für das TJO-Team kein Problem, im Gegenteil: da wird jede Menge an Energie mobilisiert, die das Theater ganz gehörig zum Kochen bringt. Förmlich spürbar wird der gute Geist eines Kollektivs aus Sängern und Instrumentalisten, die gemeinsam dieses Musical „stemmen“. Da kann sich jeder auf jeden verlassen, erfahrbar vor allem in den von Annette Taubmann fantasiereich choreografierten Ensembleszenen – eindrucksvoll der Moment, in dem alle Akteure sich in lebendige Ranken der mäandernden Horrorpflanze verwandeln.

Bernhard Nichotz’ Bühnenbild kommt mit wenigen Requisiten aus: der Blick fällt auf die Innenansicht des Blumenladen-Schaufensters, hinter dem schemenhaft das Jugendorchester sichtbar wird. Der Rest der Bühne bietet deshalb viel Platz für Bewegung. Und dieser Platz wird ausgiebig genutzt, die TJO-ler toben sich richtig aus!

Regisseurin Anne Verena Freybott hat offensichtlich ganz viel Mühe darauf verwendet, mit ihren jungen Darstellern an ihren Charakteren zu arbeiten. Die danken es ihr. Sebastian Averdiek, ein echtes Musical-Talent, macht als verunsicherter Seymour, der sich endlich zu eigenen Entscheidungen durchringt, eine gute Figur. Laura Goblirsch ist eine durch und durch naive, echt „blonde“ Audrey und Jan-Hendrik Timmer ein Mr. Mushnik, der scheinbar so menschenfreundlich ist und doch nur Dollarzeichen in den Augen hat. Konstantin Schumann schlüpft in die Rollen eines echten Macho und ein fies-sadistischer Zahnarzt. Marie Luise Reuther lockt, gurrt und droht – ein wirklich mieses Gewächs, an dem man seine helle Freude hat. Rotzfrech geben sich die Skid-Road-Girls Johanne Pfeiffer, Lisa Loomann und Rebecca Fieken. Dirigent Jürgen Knautz lässt seine jungen Musiker rocken, schmachten und swingen – formidabel. Großer Jubel bei der Premiere im ausverkauften Haus. Auch für fast sämtliche Folgevorstellungen sind keine Karten mehr zu bekommen.

Dabei war es im letzten Jahr keineswegs gewiss, dass es für das TJO-Projekt in die nächste Runde gehen würde – des Geldes wegen, denn die dem Theater Münster seit Jahren verordneten Sparmaßnahmen betrafen auch das TJO und rissen eine finanzielle Lücke ins Budget, und zwar in Höhe eines fünfstelligen Euro-Betrages. Das hat die Akteure aber nicht entmutigt. Stattdessen gingen sie auf Sponsorensuche, kümmerten sich um Kooperationspartner, schrieben erfolgreich Förderanträge. Ansonsten wäre diese Form von Nachwuchsförderung, sicher auch Audience Development einfach gestorben, der „Horrorladen“ hätte seine Tür gar nicht erst aufgemacht. So aber, nach dieser gelungenen Inszenierung, hätten alle rund 90 Beteiligte Grund genug, der öffentlichen Hand zuzurufen: „Gib’s mir, gib’s mir jetzt“ – das nötige und so sinnvoll investierte Geld nämlich!

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