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Mit der Stimme einer Frau von heute: „Menschenskind“ – Dagmar Manzel singt Friedrich Hollaender

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Nein, sie ist keine Marlene Dietrich, und sie ist auch keine Blandine Ebinger. Dagmar Manzel ist weder kindlich-frech wie die Ebinger noch verführerisch-lasziv wie die Dietrich. Sie ist einfach sie selbst, wenn sie mit den Chansons von Friedrich Hollaender einerseits ihren berühmten Vorgängerinnen Reverenz erweist, andererseits ihre eigene – heutige – Version der nach wie vor aktuellen Lieder singt – mit einer teils samtigen, teils rauchigen Stimme, die den Zuhörer die Versionen, die er vorher kannte, nicht vermissen lässt.

Die „Lieder eines armen Mädchens“ schrieb Hollaender dem Lieschen Puderbach (alias Blandine Ebinger, seiner damaligen Lebensgefährtin) auf den Leib. Manzel trifft die zarten, sehnsuchtsvollen Töne aus „Currendemädchen“, „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ oder auch „Oh Mond“ ebenso wie die frechen, spritzigen aus „Die Kleptomanin“ oder „Das Nachtgespenst“. Und auch den Ohrwürmern einer Marlene Dietrich wie „Ich bin von Kopf bis Fuß“ oder „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ verleiht die Sängerin ihre eigene Note.

Sie überzeugt mit ihrer tiefen, weichen Stimme, ist ganz Frau, aber eben die aus den 2010er-Jahren. Aus Billy Wilders Film „Eine auswärtige Affäre“ von 1948 mit Marlene Dietrich in einer Hauptrolle stammen „Black Market“, „The Ruins of Berlin“ und „Illusions“. 1955 kehrte Friedrich Hollaender in ein verändertes Deutschland zurück. Aus der „Revuette“ mit dem Titel „Futschikato“, die er für das Kabaretttheater „Kleine Freiheit“ schrieb, stammt „Circe“ (1961). Manzel singt diese Erzählung von der Zauberin und dem Helden Odysseus, der hier so gar nicht heldenhaft rüberkommt, humorvoll und verleiht ihr die alberne Note, die dem Text innewohnt.

„Menschenksind“ heißt das Hollaender-Programm von Dagmar Manzel, mit dem sie live auf Deutschlandtour geht und das sie auch auf CD eingespielt hat. „Wenn ich mir was wünschen dürfte“, lautet der eröffnende Song; Manzel gelingt es sofort, die melancholische Stimmung zu erzeugen, die Holländer mit vielen seiner Lieder hervorruft – nicht zuletzt vor dem historischen Hintergrund: Entstanden sind Hollaenders Chansons größtenteils in einer Zeit „auf dem Pulverfass“. Nazi-Gesänge, Judenhass, Nationalismus machten sich schon breit, als die Berliner Bohème noch pfiffig, frech, aber eben auch melancholisch oder das Kommende erahnend ihre künstlerische Freiheit nutzten und ihre Programme der „goldenen 20er“ präsentierten.

Dagmar Manzels Interpretation von 2014 geht unter die Haut. Begleitet wird die Sängerin von Musikern des Orchesters der Komischen Oper Berlin, die – unter der Leitung des überaus präsenten Pianisten Michael Abramovich – diese Aufgabe bestens meistern.

Dagmar Manzel: Menschenskind. Deutsche Grammophon (Universal) 0028947923282

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