Die einen haben eine regelrechte Allergie dagegen, andere sammeln sie begeistert: die alle Jahre wieder regelmäßig erscheinenden Weihnachts-CDs. Auffällig im Jahr 2012 ist, dass es so gut wie keine Promialben gibt. Kein Wunder – von Till Brönner über Annie Lennox bis Nils Landgren – alle haben’s ja schon einmal getan. Trotzdem flatterten in den vergangenen Wochen natürlich einige Neuerscheinungen ins Haus.
Los geht’s mit „Rare Grooves 1970–2010“, also Aufnahmen der NDR Bigband, die jetzt unter dem Titel „Süßer die Engel nie swingen“ (Edel 0208364CTT) unter’s weihnachtlich gestimmte Volk gebracht werden. Bandleader wie Bob Brookmeyer, Dieter Glawischnig und Rob Pronk haben über die Jahre immer wieder Titel wie „Sleigh Ride“, „Joy To The World“ oder „Winter Wonderland“ eingespielt. Mit klasse Solisten wie Joe Gallardo, Herb Geller, Johannes Faber oder Claudio Roditi: das swingt natürlich und macht gute Laune. Besonders schön: der „Blues in einer Winternacht“ von Helmut Brandt aus dem Jahr 1974 – sehr cool und melancholisch. Für Bigband-Freunde, die am Heiligen Abend vielleicht auch mal das Tanzbein schwingen oder eine durchgestylte Party geben, ist das auch noch Silvester-tauglich…
Ein weiteres Produkt aus dem Hause Edel heißt „god jul – a scandinavian christmas“ (0208385ERE), unter anderem mit von der Partie sind hier der bereits vorher erwähnte Nils Landgren, Solveig Slettahjell, Bugge Wesseltoft, aber auch hierzulande unbekanntere Künstler wie Sarah Dawn Finer, Sondre Bratland oder The Real Group. Das ist höchst besinnlich, ruhig und sehr festlich. Hervorzuheben ist auch die hübsche moderne Gestaltung in klassischen Weihnachtsfarben, aber natürlich mit Rentier. Für echte Romantikerinnen und Romantiker, zum Auf-der-Couch-Kuscheln, Träumen, für die Skihütte, das Kaminfeuer, hach…
Swingend und wieder ganz cool geht unsere Reise weiter zu einer Wiederveröffentlichung, die 2012 digital remastered und luxuriös neu ausgestattet wurde: „A Charlie Brown Christmas“, 1965 eingespielt vom Vince Guaraldi Trio (Concord/Universal 0888072340275). Es gehört in den USA zu einem der beliebtesten Weihnachtsalben aller Zeiten, war ursprünglich der Soundtrack zum einem Peanuts-Weihnachts-TV-Special und wurde 2007 in die Grammy Hall of Fame aufgenommen. Zu Recht: hier wurden Klassiker wie „O Tannenbaum“, „Hark, The Herald Angels Sing“ elegant und zeitlos verjazzt. Herzstück ist „Christmas Time Is Here“, das in einer vokalen und einer ausgedehnten instrumentalen Version zu hören ist. Hübsch für Peanuts-Fans auch das berühmte „Linus und Lucy“-Theme… Für Piano-, Peanuts-, Soul-, Jazz- und Amerikafans – da kommen alle auf ihre Kosten. Ideal für’s Weihnachtsfrühstück oder eine Dinnerparty American Style.
Ganz klassisch deutsch kommt da ein Produkt aus dem Hause Deutsche Grammophon daher, auch wenn sich ein süß-kitschiges Weihnachts-Engelchen auf dem Cover räkelt. Mit dabei sind unter anderem die britisch-österreichische Sopranistin Anna Prohaska, Adoro, Daniel Hope, die Augsburger Domsingknaben und das Deutsche Kammerorchester Berlin. Es heißt ganz einfach „Frohe Weihnachten! Die schönsten Weihnachtsklassiker für die ganze Familie“ (DG 477 9847). Das Repertoire ist seit vielen hundert Jahren in deutschen Wohnstuben fest verankert: von „O du fröhliche“ über „Ihr Kinderlein kommet“ bis „Tochter Zion, freue dich“. Wunderschön altmodisch, virtuos gesungen und gespielt. Für Klassikfreunde, das Mittagsmenü mit Gänsebraten und die Bescherung, in der noch Kinderaugen blitzen. Und natürlich perfekt geeignet, um Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass es auch noch andere Weihnachtslieder als „Last Christmas“ und „ Jingle Bells“ gibt.
Und zum Schluss noch etwas gaaanz anderes: Paul Zauner’s Christmas Allstars bluesen, singen und swingen auf „Dwight Christmas“ (Pao Records 11190), was das Zeug hält… Der österreichische Posaunist hat dieses Album mit Neuarrangements des Weihnachtsliedsammlers Robert Michael Weiß bereits 2011 produziert. „Dwight Christmas“ heißt es wegen des amerikanischen Sängers Dwight Trible, über den ein Kritiker einmal schrieb: „Singt er, dann fließt reinste, heilige Energie“, und es versammelt Klassiker wie „Silent Night“, „Let It Snow“ oder „The Christmas Waltz“. Für alle, die Weihnachtslieder einmal in ungewöhnlich erdigen und souligen Versionen erleben wollen, für Blues- und Jazzfans… Zum Chillen nach der Party…
Ursula Gaisa
Und hier noch ein Notentipp von Monika Krämer für alle, die selber Musik machen wollen:
Martin Hegel (Bearb.): Merry Christmas! Weihnachtslieder für Gitarre, FingerPrint/Acoustic Music, 32 Seiten, incl. CD, 14,90 Euro
Klein, aber fein: Hier kommen (klassische) Gitarristen auf ihre Kosten: der Berliner Konzertgitarrist und Gitarrenpädagoge bearbeitete deutsche und internationale Weihnachtslieder von sehr leicht bis mittelschwer, die in aufsteigendem Schwierigkeitsgrad angeordnet wurden und bereits ab dem ersten Unterrichtsjahr verwendbar sind. Die Stücke sind im Violinschlüssel notiert und zusätzlich mit den Liedtexten in der jeweiligen Sprache ausgestattet. Einige sind als Duo-Stücke geeignet. Hier kann die beigefügte CD als Play-Along eingesetzt werden. Eine sehr gut gemachte Inspiration, gerade auch für Anfänger an der Gitarre, die sich mit anderen Musikern zusammentun möchten.
Monika Krämer