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Am besten selber hören und spielen

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Die Nachfrage nach Akkordeonliteratur steigt – eine Auswahl
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Das Akkordeon hat in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Wandlung in der Wahrnehmung vieler Menschen erlebt. Lange hat man das Akkordeon ausschließlich mit alpenländischer Volksmusik, Seemannsliedern oder volkstümlicher Musik (à laMusikantenstadl) identifiziert. In der Zwischenzeit hat es neben der Etablierung in der Neuen Musik auch in allen Bereichen der Folklore, des Jazz und der Weltmusik seinen Platz – auch in der Wahrnehmung des Publikums – gefunden. Maßgeblich zum Imagewandel beigetragen hat der Siegeszug des Tango und des Tango Nuevo. Folgerichtig ist die Nachfrage nach Tango-Musik in all ihren Schattierungen gestiegen. Darauf reagieren die Verlage seit längerem mit entsprechenden Ausgaben (drei der hier besprochenen Ausgaben haben Tango-Musik zum Inhalt) mit Bearbeitungen bekannter Tango-Musik oder auch Neukompositionen (es muss ja nicht immer Astor Piazzolla sein…).

Interessant ist in diesem Kontext auch die Tatsache, dass der Verlag Universal Edition sich mit seiner Reihe „World Music“ dem Themengebiet Weltmusik mit einer eigenen Reihe für das Akkordeon widmet. Es scheint also in diesem komplexen Bereich eine große Nachfrage zu geben.

Jonny Dyer: Scandinavian Folk Tunes for Accordion. 61 Traditional Pieces. 68 Seiten. Schott ED13792

Der Multiinstrumentalist, Komponist, Arrangeur und Spezialist für nordeuropäische Volksmusik Jonny Dyer legt mit seiner Ausgabe von skandinavischer Volksmusik eine vielfältige Auswahl von unterschiedlichen Melodien der Musik aus allen Ländern Nordeuropas vor. Er erläutert detailliert die Geschichte und Herkunft der Musik, die Art der Adaption für das Akkordeon, die Charakterisierung der Melodien, Anwendungen von Verzierungen, Variationsmodelle und Interpretationsmöglichkeiten. Ergänzt durch eine gut eingespielte CD ist es für den interessierten Instrumentalisten sicher möglich mit dieser Sammlung einen Zugang zur skandinavischen Musik zu finden – Voraussetzung: Er sollte Englisch sprechen können (alle Erläuterungen sind leider nur auf Englisch abgedruckt).

Alan Bern: Klezmer. 14 mittelschwere Stücke für Akkordeon. 51 Seiten. Universal Edition UE 36122

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der in Weimar lebende und lehrende Klezmer-Akkordeonist, Ensemble-Leiter, Arrangeur und Aktivist in Klezmer-Angelegenheiten Alan Bern mit der Sammlung von Klezmer-Musik. Auch hier finden wir neben einer Vielzahl von charakterlich unterschiedlichen Stücken im Anhang hilfreiche Erläuterungen zur Bass-Notation, zu Charakteristik und Stilistik, sowie Interpretationshilfen und Anleitungen zum Umgang mit dem musikalischen Material. Zudem sind die Stücke im Schwierigkeitsgrad ansteigend angeordnet. Für Einsteiger in die Materie wären sicherlich auch Klangbeispiele hilfreich. Diese erfordern dann eine Recherche über die Homepage des Autors.

Tommaso Huber/Marinette Bonnert: Dances from Flanders & Wallonia. 23 leichte bis mittelschwere charakteris-tische Tänze für Akkordeon. 40 Seiten. Universal Edition UE 36123

Die Sammlung mit ‚Tänzen aus Flandern und der Wallonie‘ bietet dagegen nur eine Sammlung von unterschiedlichen, größtenteils schlichten Musikstücken. Zwar geben die Autoren Tommaso Huber und Marinette Bonnert – die in dieser Musik beheimatet sind und zu den führenden Interpreten zählen - Einblick in die Geschichte, Entstehung und Überlieferungsgeschichte der Musik. Hinweise zur Aufführungspraxis, konkrete Spielanweisungen oder Ähnliches fehlen aber vollständig.

Eine Begleit-CD für Einsteiger fehlt ebenso. Auch hier hilft nur die Internetrecherche über die Seiten der Autoren. Die letztgenannte Sammlung stellt größtenteils geringe Anforderungen an den Interpreten: das Gros der Stücke ist im oberen Unterstufenbereich angesiedelt. Die Anforderungen in den beiden anderen Ausgaben gehenzum Teil deutlich darüber hinaus und halten auch für fortgeschrittene Schüler noch die ein oder andere Herausforderung bereit!

Cordula Sauter: Tango & Co für Akkordeon. 27 Seiten Bärenreiter BA10617

Die in Freiburg i.Br. beheimatete Akkordeonistin und Lehrerin Cordula Sauter legt eine Sammlung mit Musik unterschiedlicher Provenienz vor, wobei der Tango nur im Titel dominiert. Außerdem hat sie sich intensiv Klezmer-Stücken gewidmet. Auf den ersten Blick fallen insbesondere die drei Bearbeitungen von Tango-Klassikern von Carlos Gardel ins Auge. Die Zielsetzung, diese durchaus komplexe Musik in leicht zu realisierendem Gewand zu präsentieren, gelingt zwar. Aber insbesondere beim Vergleich mit der Tango-Sammlung von Diego Collatti (der ebenfalls den Tango „Volver“ bearbeitet hat, siehe unten) erscheint die Sauter-Bearbeitung eher konventionell und etwas oberflächlich. Auch hätte man sich den ein oder anderen musikalischen Hinweis zur Interpretation gewünscht oder aber Spielanweisungen für Neulinge dieser Musik. Meines Erachtens ist es nicht ausreichend darauf zu verweisen, dass der Interpret die Vorlage als Basis nehmen sollte, seine Interpretation zu gestalten.

Vahid Matejko: Tango. Play Alongs für Akkordeon. 56 Seiten. Alfred Music Publishing 00-20241G

Durch die Play-Along-CD zu den Tangos (alle Eigenkompositionen) des Komponisten, Arrangeurs und Produzenten Vahid Matejkos werden natürlich viele Hinweise diesbezüglich geboten. Zum einen sind die Tangos im kompletten Stimmensatz zu hören. Und dann kann man sich beim Spiel natürlich auch von der CD begleiten lassen.

Alles sehr professionell gemacht! Zur Verwirrung für den ein oder anderen könnte beitragen, dass die ein oder andere Bassbegleitung auf der CD anders eingespielt ist als in den Noten notiert. Es bleibt beim Anhören und Ausprobieren der Eindruck, dass alle Kompositionen doch nach ähnlichen Mustern funktionieren und irgendwie konventionell klingen. Aber am besten selber hören und spielen. Diese und die nun im Folgenden rezensierte Ausgabe fordern vom Interpreten in den meisten Titeln mindestens Mittelstufen-Niveau, zum Teil auch mehr.

Diego Marcelo Collatti: Tango. 14 mittelschwere Stücke für Akkordeon. 39 Seiten. Universal Edition UE 36120

Die interessanteste Veröffentlichung sind die von Diego Collatti komponierten und arrangierten Tangos. Der bei uns weitgehend unbekannte argentinische Komponist und Pianist schafft es mit seinen Arrangements und Kompositionen die Welt des Tangos – wie er in seiner Heimat lebt – lebendig, nachfühlbar und hörbar zu machen. Interessante ungewöhnliche Kompositionen (z.B. „Béla Tangók“ oder „Te amaré hasta el calambre“), traditionelle Tangos mit vielen Ideen arrangiert („Volver“) … hier findet man einen weitgespannten Zugang zu dieser ausdrucksstarken Musik. Hinweise zum Charakter und der Interpretation jedes einzelnen Tangos, zur Bassnotation runden den Band ab. Schade dass die auf der Verlags-Homepage zu findende Einspielung des Komponisten auf dem Klavier (mit entsprechenden Veränderungen gegenüber dem notierten Arrangement) und nicht mit dem Akkordeon erfolgte. Aber vielleicht bietet dies ja die Möglichkeit, sich frei von einer auf dem eigenen Instrument vorgegebenen Interpretation, die Musik eigenständig zu erschließen!

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