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Arrangiere, produziere, korrigiere, redigiere...

Untertitel
Jörg Hilberts und Manfredo Zimmermanns „Nora & Poco“ bei Edition Conbrio
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Nora & Poco – Eine Geschichte für Blockflöten zum Spielen und Singen“ Band 1–3 von Jörg Hilbert und Manfredo Zimmermann (für Kindergruppen im Grundschulalter; auch mit anderen Instrumenten spielbar), Edition Conbrio bei den Hug Musikverlagen, Zürich 1999, ECB 6035, -6, -7; pro Heft 19,80 Mark

Nora & Poco – Eine Geschichte für Blockflöten zum Spielen und Singen“ Band 1–3 von Jörg Hilbert und Manfredo Zimmermann (für Kindergruppen im Grundschulalter; auch mit anderen Instrumenten spielbar), Edition Conbrio bei den Hug Musikverlagen, Zürich 1999, ECB 6035, -6, -7; pro Heft 19,80 MarkDer Autor und Illustrator Jörg Hilbert, international beliebt etwa durch das Ritter-Rost-Musical, verbindet in diesem Werk sein erzählerisches Können mit seiner Vorliebe, Noten zu personifizieren: Die Achtel „Nora“ und die Sechzehntel „Poco“ sind von derartiger Neugierde über den Sinn ihrer Fähnchen getrieben, dass die beiden (die erst Kinder sind!) es als erste schaffen, das langweilige Reich der Druckerschwärze zu verlassen, um klingend zu werden (Bd. 1). Später gewinnen die Freunde auf originelle Weise ein Wettrennen, indem sie sich allerlei Bastelmaterial an die Notenhälse binden (Bd. 2). Und zu guter letzt locken sie einen eigentlich übeunlustigen Jungen in ihre Welt: dieser befreit eine Siebzehntelnote aus ihrer Einsamkeit und findet fast nicht wieder aus dem Notenheft heraus (Bd. 3)...

Als kleine Persönlichkeiten strotzen Nora und Poco auch grafisch von Leben: sie springen als dreidimensional gezeichnete Kugeln auf winzigen Beinchen durch die Seiten. Mit wenigen Linien und harmonischer Farbgebung erzielt Hilbert starke Effekte voller Fantasie und Einfälle. So sieht man etwa in der Szene mit den für das Wettrennen aufgerüsteten Notenhälsen förmlich, wie Nora und Poco diese jeweils im Raum ausrichten, um das Gleichgewicht zu halten. Die grafische Darstellung mündet dann letztlich in ein geistreiches Vexierspiel: der Flöte übende Junge tritt als zweidimensionales kindliches Selbstporträt auf, während die Freunde weiterhin als Kugeln um ihn herumwirbeln!

Jedem Abschnitt der Erzählung schließt sich ein Musikstück an: insgesamt achtundzwanzig „fetzige“ Songs und sechs textlose Stücke. Ihr Komponist Manfredo Zimmermann führt mit dem Werk sein musikpädagogisches Anliegen weiter, kindliches Lernen durch anregende Geschichten zu unterstützen – wie es ihm bereits mit der zweibändigen Sopranblockflötenschule mit dem Titel „Blockflötengeschichten“ gelungen ist (Meier/Zimmermann, Ricordi 1998).

Die Musikstücke ermöglichen vielfältige Kombinationen: Blockflöte und Kinderchor, Einbeziehung von Percussion, kontrastierende Klangfarben durch verschiedene Instrumente, reine Chorbesetzung mit Akkordbegleitung durch Gitarre oder Klavier. Gesangstechnisch ist die Höhe stark beansprucht (manchmal über das e’’ hinaus) und erfordert gute Stimmbildung.
Von Beginn an rhythmisch interessant mit vielen synkopierten Textverteilungen fließen in die Musikstücke fortschreitend Elemente aus Pop und Jazz hinein. Lautmalerische Klänge (Stiftequietschen wird durch eine Reibe dargestellt, ein Ostinato verdeutlicht die mechanische Bewegung der Schere) wie auch das gelegentliche Einbeziehen moderner Spieltechniken in Band 3 regen zum Experimentieren an. Besonders eingängig sind ein paar Musikstücke mit Anspielungen auf Bekanntes: so wird das Thema von „Für Elise“ als Einstimmung auf Band 2 – in dem die Achtel Nora die Hauptrolle hat – nur mit Achtelnoten umspielt.

Das vorgeschlagene Musizieralter muss flexibel gehandhabt werden. In den meisten Fällen ist es verfrüht, die drei Bände vom Ende des ersten Unterrichtsjahres bis zum dritten durchzunehmen: durchschnittlich muss ein Jahr hinzugegeben werden.

Obgleich die Geschichten um das Thema „Notenwerte“ kreisen, wäre es ein Missverständnis, sie zur kindgemäßen Vermittlung der Rhythmusnotation zu verwenden, denn das Spielen der Lieder setzt das Vertrautsein mit Notenwerten ja bereits voraus. Auch entspricht die Bezeichnung „schnelle Noten“ für kurze Notenwerte – beim Wettrennen – ja eher dichterischer Freiheit als fachterminologischer Präzision. Der Sinn der Erzählung ist nicht Musiklehre sondern ganz offensichtlich Motivation: Kleine Noten werden hier lebendig und „drängeln“ in aller Intensität danach, zu dem zu werden, für das sie komponiert sind und das sie selbst noch nicht kennen.

Als anspruchsvolles Kinderliteraturwerk weist „Nora & Poco“ über sich selbst hinaus. So wirken einige Spielereien mit Fachbegriffen zunächst in ihrer Lautmalerei („arrangiere, produziere, korrigiere, redigiere“) und werden von den Kindern erst mit der Zeit in ihrer Bedeutung erfasst.

Die äußerst humorvolle Erzählung ist auch für Erwachsene ansprechend und bietet interessanten Diskussionsstoff: Muss denn unbedingt „Inutilie“, die vereinsamte Siebzehntelnote, sorgfältig ausradiert und mit einer völlig veränderten Identität – als feine Viertelnote – neu aufs Papier gemalt werden? Oder: Gut, dass die ansonsten traditionelle Rollenverteilung durch einen Wäsche aufhängenden „Herrn Dreiklang“ aufgelockert wird...
Sehr schnell stellt sich dann auch die Frage nach der Bühnentauglichkeit – werden doch Vorspiele zusehends als attraktive Inszenierungen präsentiert. Ganz hervorragend eignet sich „Nora & Poco“ zur Aufführung als Figurenschattenspiel: man kopiert die farbigen Figuren auf Folie, wirft sie von hinten auf eine Leinwand und lässt sie sich bewegen; hinzu kommen Live-Musik und Sprechrollen. Ein eindrucksvolles und nicht übermäßig aufwändiges Projekt.

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