Michael Töpel: Siebensachen. Divertimento für Flöte (Violine) und Klavier. +++ Jean Louis Tulou: Méthode de Flûte – Flötenschule +++ Rien de Reede (Hrsg.): 34 pièces pour flûte seule (Flötensolos des 18. Jahrhunderts).
Auf natürliche, ungekünstelte Art
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Michael Töpel: Siebensachen. Divertimento für Flöte (Violine) und Klavier. Edition Merseburger 2164, ISMN 979-0-2007-3269-6
Siebensachen, das sind sieben Sätze aus dem Singspiel „Der Diener zweier Herren“ nach einer Komödie von Goldoni. Aus der ursprünglichen Besetzung für neun Spieler hat Michael Töpel selbst eine Bearbeitung für die Besetzung Flöte (Violine) und Klavier erstellt. Dem Klavier kommt da natürlich mehr „Arbeit“ zu. Der Begriff Divertimento (Zerstreuung) trifft die Auswahl ganz gut, da die Teile abwechseln zwischen geschwinderen Tempi, auch getragenen (Consolation, Barcarole), Tanzsätzen (Walzer, Tempo di Polka, Allegro danzante) und mit sprühendem Witz in einer Humoreske. Die musikalische Sprache ist nicht explizit an Tonarten gebunden. Das wiederum verlangt gewandtes Lesen von wechselnden Vorzeichen. Das Gesamtwerk im gehobenen Schwierigkeitsgrad dauert etwa 16 Minuten.
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Jean Louis Tulou: Méthode de Flûte – Flötenschule, Faksimile (Mainz 1853), hrsg. von Karl Kaiser. Edition Walhall EW 1175, ISMN 979-0-50265-175-6
In seiner Flötenschule verteidigt Tulou die damals gebräuchliche Mehrklappenflöte, die aber bereits ein Auslaufmodell war. Er legt großen Wert auf den Klang und die „ungekünstelte, natürliche und geschmackvolle Art des Flötenspiels“, war aber offensichtlich auch ein Lehrer mit Sendungsbewusstsein. Ein Novum sind die Einlassungen zur allgemeinen und besonderen Eignung qua Lippenform, die den schönen Ton formen soll. Zum Ansatz gibt es anschauliche Zeichnungen. Des Weiteren werden alle technischen Fragen behandelt, wie Haltung des Körpers, der Hände und Finger, Zungenstoß, Artikulation und Phrasierung. Zu jedem Kapitel gibt es vertiefende Übungen oder (selbst komponierte) Musikstücke, die sich auch in neueren Flötenschulen schon mal wiederfinden. Interessant für die Spieler der romantischen Mehrklappenflöten sind die Hinweise zu verschiedenen Alternativgriffen, die die Griffkombinationen und die Intonation erleichtern oder schönere Klangeffekte hervorrufen. Diese Probleme sind für die Böhmflöte weniger relevant. Bemerkenswert ist sein Plädoyer, lange Töne auszuhalten, aber der Atemvorgang selbst ist (noch) kein Thema, wie in den heutigen Schulen. Karl Kaiser als Herausgeber und Flötist der „alten Instrumente“ hat der vorliegenden Faksimileausgabe ein erläuterndes Vorwort vorangestellt.
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Rien de Reede (Hrsg.): 34 pièces pour flûte seule (Flötensolos des 18. Jahrhunderts). Universal Edition UE 38064, ISBN 978-3-7024-7664-9
Hier liegen 34 Stücke für Flöte allein, Originalwerke und adaptierte Soli im mittleren Schwierigkeitsgrad vor. Die Traverso (klappenlose Querflöte) setzte sich im 18. Jahrhunderts allmählich gegen die Blockflöte durch. Das spezielle Flötenrepertoire war noch klein. Bekannte Flötisten wie Blavet, Taillart und Mahaut in Frankreich oder Quantz in Deutschland, komponierten selber, aber sammelten ebenso Werke anderer Kollegen, um das Repertoire zu erweitern. Man tauschte sich aus, man ließ sich von reisenden Musikern interessante Werke mitbringen. Man hatte eben seine Netzwerke unter Musikern. Außerdem wurden Stücke etwa aus der Violin-, Oboen- und Lautenliteratur zu eigenen Zwecken für die Flöte bearbeitet. In dem vorliegenden Band sind nur Solostücke abgedruckt, vorwiegend aus französischen Sammlungen. Bemerkenswert ist, dass diese mehr oder weniger kurzen Stücke vorwiegend im schnellen Tempo einer Gigue/Giga/Jig, Courante, Menuett, Caprice oder Fantasie komponiert sind. Suggerierte Mehrstimmigkeit, Akkordzerlegungen, große Sprünge und andere Raffinessen zeugen von einer großen Spielfreude und Fertigkeit der Spieler vor rund 300 Jahren. Die heutigen Spieler haben hoffentlich genauso viel Spaß an diesen eher kurzen virtuosen Pièces, die selbstverständlich nach eigenem Gusto, wie damals üblich, mit Artikulationen und Dynamik bearbeitet werden können und sollten.
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