Musikgeschichtlich haben sie den Rang unübersehbarer Meilensteine, an denen sich ganze Generationen von Komponisten abarbeiteten, und aus dem Konzertsaal sind sie nicht wegzudenken: Beethovens neun Sinfonien.
Kaum vorstellbar ist es allerdings, dass noch bis vor kurzen Relikte aus dem 19. Jahrhundert als Partituren und Stimmen auf den Pulten der Dirigenten und Musiker lagen – im Glücksfall übersät mit etlichen Einzeichnungen, zumeist Ergebnissen intern kursierender Korrekturlisten. Umso bemerkenswerter ist der vor nur wenigen Jahren aufgenommene Wettstreit gleich mehrerer Verlage, einen wissenschaftlich erarbeiteten wie aufführungspraktisch durchdachten, verbindlichen Notentext vorzulegen. Während die Gesamtausgabe des Beethoven-Hauses Bonn bisher nicht über die 1. Sinfonie hinausgekommen ist (Henle-Verlag) und in der Edition Eulenburg (Schott) die 4. Sinfonie durch Bathia Churgin herausgegeben wurde, ist Breitkopf & Härtel dabei, den traditionellen Bestand seiner Orchesterbibliothek sukzessiv durch Editionen von Clive Brown und Peter Hauschild zu erneuern. Für einige Aufregung sorgte daher 1997 die Ankündigung des Bärenreiter-Verlages, binnen kürzester Frist die Partituren und das komplette Orchestermaterial aller neun Sinfonien mit Jonathan del Mar als Herausgeber neu zu drucken.
Bereits 1985 begann del Mar die umfangreichen Vorarbeiten. Gegenüber den verbreiteten älteren Ausgaben stand ihm eine wesentlich erweiterte Basis von primären und sekundären Quellen zur Verfügung – wie etwa die erst 1988 bei einer Auktion bekannt gewordene Korrekturliste Beethovens zur 9. Sinfonie. Mit diesem Werk wurde auch die Reihe eröffnet, die im Sommer dieses Jahres nun mit der 7. Sinfonie abgeschlossen werden konnte.
Neben den äußerlichen Dingen wie Notenbild und Papierqualität steht auch der editorische Wert der Ausgaben außer Zweifel. Wie sehr del Mar dabei an den Benutzer denkt, zeigt nicht nur das jeweils auf die Quellensituation des jeweiligen Werkes bezogene Vorwort, sondern auch der umfangreiche, als Beiheft in englischer Sprache erschienene Kritische Bericht. Dabei wird vermieden, dem Interessenten durch einen kaum mehr aufzuschlüsselnden Wust von Abkürzungen die Lust am Nachvollzug der Herausgeberentscheidungen zu nehmen. So sind alle herangezogenen Quellen stets im Hinblick auf die Edition erläuternd beschrieben (Auflistungen von Wasserzeichen, Lagenordnung et cetera entfallen), die Bemerkungen zu den einzelnen Lesarten fallen ebenso knapp wie genau aus.
Nicht allein die Durchsichtigkeit der Edition und die auf dem Bärenreiter-Material basierende wirksame Interpretation der Sinfonien durch David Zinman (bei Arte Nova) sorgten schließlich für den zuvor wohl kaum erwarteten Erfolg der Ausgabe, sondern letztlich auch der Wunsch und Bedarf der Musiker nach einem Notentext aller neuen Sinfonien, der verlässlich den neuesten Erkenntnisstand widerspiegelt. Dass aber gerade dieser Erfolg Herausgeber und Verlag vor neue Herausforderungen stellt, hatte wohl niemand geahnt. So üblich es ist, den einen Stichfehler in der nächsten Auflage zu korrigieren, so schwierig wird es, wenn das eine oder andere Detail neu bewertet wird oder bislang unbekannte Quellen zu einem Werk zugänglich werden. Dies betrifft vor allem die 1997 erschienene 7. Sinfonie, zu der jetzt ein gedruckter Stimmensatz mit Eintragungen von Beethovens Hand aus dem ehemaligen Besitz von Graf Lobkowitz vorliegt (erstmals berücksichtigt in der Ausgabe von Peter Hauschild für Breitkopf & Härtel). Er findet ganz natürlich nun auch bei del Mar Berücksichtigung – nur dass an dem Benutzer der 1. Auflage, der sich bereits im Besitz des »Urtext« wähnt, die Änderungen vorbeigehen (der 9. Sinfonie ist inzwischen nach dem letzten Satz eine Korrekturliste hinzugefügt). So sympathisch dieses Verfahren als ein „work in progress“ ist und den fast schon zum Markenzeichen verkommenen Begriff des „Urtextes“ zu relativieren hilft, so schwierig wird es für den Verlag sein, dieses Verfahren den Käufern der ersten Auflagen zu erläutern. Zwar ist es utopisch, einzelne Seiten zum Austausch zu verschicken (eine Partitur ist nunmal keine Sammlung loser Blätter), doch wäre es auch für zukünftige Projekte durchaus denkbar, dem Vorbild der Software-Branche zu folgen und per Postkarte oder Mail die Möglichkeit zu geben, ein anfallendes Update zu ordern. Mit einem solch innovativen Verfahren aber kann genau das vermieden werden, was erst die von Jonathan del Mar mit größter Sorgfalt besorgte quellenkritische Neuausgabe der Beethoven-Sinfonien so notwendig werden ließ – nämlich der feste Glaube an eine Tradition, von der freilich schon vor einhundert Jahren behauptet wurde, sie sei nichts anderes als Schlamperei.
Gutes Händchen
Georg Phillipp Telemann: Canons arias & sonatas for 2 Trumpets, Selected and transcribes by John Miller, Boosey & Hawkes
John Miller hat aus Telemanns Sonaten für 2 Flöten beziehungsweise Violinen 18 Stücke herausgesucht und sie für 2 Trompeten bearbeitet. Hierbei hat er ein gutes Händchen bewiesen. Alle Sätze lassen sich, wenn auch mit steigendem Schwierigkeitsgrad, bewältigen. Da durch häufige Stimmkreuzungen beide Stimmen nahezu gleichwertig sind, bieten sie für beide Interpreten interessantes Spiel-und Übematerial. Die Duette sind außerdem so gestaltet, dass sie dem Klang der Trompete und ihrer Spielweise sehr entgegenkommen. Schwierigkeitsgrad: 3–4 (M1–M2)