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Blattsingen als Traumziel

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Die Kölner Chorschule für Kinder ist eine Großtat
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Zu Recht schreibt Richard Mailänder in seinem Vorwort zur ersten Verlagsausgabe der Kölner Chorschule, dass das Singen von und mit Kindern in den letzten gut 100 Jahren großen Veränderungen ausgesetzt war und ist. Wenn früher ganz selbstverständlich in jeder Schule oft sogar mehrmals täglich gesungen wurde, so hat sich dies Mitte des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Gründen drastisch zum Schlechten hin geändert. Eine gewisse Renaissance war dann in den 1990er-Jahren zu beobachten, der aber in den letzten Jahren wieder ein Rückgang folgte, der durch die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule und das Abitur nach acht Jahren gerade viele kirchliche und freie Kinder- und Jugendchöre vor große Probleme stellte.

Die grundsätzliche Überlegung in Köln, genauer in der kirchenmusikalischen Leitung des Erzbistums, war nun, dass erfahrungsgemäß die dauerhafte Freude am Singen im Chor und damit der längere Verbleib in den Gruppen maßgeblich von den erlernten Fähigkeiten abhängt, insbesondere von der Fähigkeit des Blattsingens. Dies ist richtig, denn ein Chor aus blattsingfähigen Mitgliedern gleich welchen Alters wird schneller lernen und wird anspruchsvollere Literatur bewältigen. Sicher wird mancher dem entgegenhalten, dass gerade niederschwellige Angebote boomen, aber mit Blick auf die Aufgabenstellungen der hier angesprochenen Chöre lässt sich die Kölner These zweifellos bestätigen; nicht zuletzt deshalb, weil Kinder leisten wollen.

Ziel der Kölner Chorschule ist also dezidiert und titelgebend das Erlernen des Blattsingens. Tragende Methode jedoch ist die relative Solmisation, die nicht vordergründig eine Blattsingschule sondern eine Gehörbildungsmethode ist. In einer kurzen Einführung zu den beiden Solmisationsmethoden nach Ward und Kodály stellt Klaus Wallrath denn auch stimmig dar, dass durch eine geschickte Zusammenführung verschiedener Komponenten dieser Methoden das ausgegebene Ziel erreicht werden soll, ergänzt um Bausteine wie die sehr sinnvollen Skalenübungen, die mit Solmisation nichts zu tun haben (außer dass sie im weiteren Verlauf der Methode auch solmisiert werden).

Ebenfalls ein Hauptziel: Der Aufwand sollte für den/die Leiter/-in und für die Chorarbeit möglichst gering gehalten werden. Dies gelingt weitgehend. Ohne jedwede Einführung dürfte aber dennoch nur eine musikalisch und musikpädagogisch gut vorgebildete Fachkraft alleine anhand des Chorleiterbandes und der Demo-Stunde auf der DVD selbständig und zielführend arbeiten können. Auch wenn die Ges­ten einfach sind, die Schritte beinahe wie in Kochrezepten exakt beschrieben, die Reihenfolge klar und einleuchtend sind: In der Praxis stellen die erwähnten Anforderungen – man solle möglichst wenig vorsingen, jeweils nur wenige Minuten für jeden Teilschritt verwenden, weitgehend ohne verbale Korrektur arbeiten et cetera – doch erhebliche Herausforderungen dar. Wer aber eine kleine Einführung erhält, ein/zwei Probeläufe machen darf und sich dann in die konsequente aber nicht leicht zu lesende Anweisung der einzelnen Module einarbeitet, wird mit dem Schema, bestehend aus 20 Minuten Chorschule Modul A – 25 bis 30 Minuten Liedrepertoire – 10 bis 15 Minuten Chorschule Modul B, gut zurechtkommen.

Im Lehrerhandbuch gibt es eine DVD, auf der sowohl die erwähnte Beispielstunde (Matthias Röttger mit seinen Kindern in Mettmann) als auch ein pdf mit den Notationsbeispielen für alle Module enthalten sind. Diese Vorlagen gibt es auch als gebundenes Heft, außerdem gibt es kleine Hausaufgabenbüchlein für die Hand der Kinder.

Mit allen Hinweisen zur Durchführung, praxisrelevanten Alternativen, den vielen Liedbeispielen zu den einzelnen Lektionen, der nun mehrere Jahre erprobten Systematik und der akribischen Umsetzung ist die Kölner Chorschule eine Großtat. Auch wenn der Rezensent den Stimmbildungsteil nicht für die stärkste Komponente hält – das Gesamtpaket ist für jede Kinderchorarbeit, die weiterhin auf wöchentliche Chorproben setzt, nur wärmstens zu empfehlen. Man stelle sich vor: Alle Kinder singen nach diesem einen Schuljahr einigermaßen sicher vom Blatt … traumhafte Arbeitsmöglichkeiten nicht nur im kirchlichen Kontext sondern zum Beispiel auch für Schul- und andere Chöre!

  • Richard Mailänder, Pia Gensler, Odilo Klasen, Matthias Röttger, Klaus Wallrath (Hrsg.): In 30 Schritten zum Blattsingen – die Kölner Chorschule für Kinder. Stuttgart 2019, Carus CV 24.074/10 (Chorleiterband).

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