Vorhang auf! Junge Komponisten schreiben für Kinder +++ K2010: Reflections, Reading a Poem
Vorhang auf! Junge Komponisten schreiben für Kinder, Doblinger, D 01 430
Manchmal werden Rufe erhört. Dann nämlich, wenn die akustischen Signale lautstark erschallen und auf offene Ohren treffen. Die Intervalle der Notrufe, die den seit Jahren signifikanten Mangel an zeitgenössischer Unterrichtsliteratur immer wieder zum Thema erheben, werden deutlich kleiner. Warum also nicht eine Kombination aus Klavier- und Kompositionswettbewerb wagen, mit Werkstatt-Atmosphäre und Kurs-Charakter? Das fragte sich die Klavierbaufirma Wendl & Lung und ließ Taten folgen. Das Ergebnis ist mit diesem Notenband nun greif- und spielbar. Die Komponisten oft nachgesagte Scheu vor dem erläuternden Wort mag allen zehn Künstlern fremd sein, denn sie geben äußerst bereitwillig Auskunft über das, was sie bewegte. Der Sache verpflichtet, kooperierten sie mit den jungen Interpreten, die beim Werden und Entstehen der zehn Stücke in vielfältigster Weise mitdenken durften. Dabei ist die Altersgruppe, für die komponiert wurde (8–13 Jahre), gut gewählt. Technische Grundlagen sind gelegt und der Geist noch formbar. Tatsächlich wurde auf gute Durchschaubarkeit des Notentextes geachtet, was die Einbeziehung neuer Schreibweisen aber nicht ausschließt. Im spielerischen Tun das Leben üben – unter diesem Schirm könnten sich Schüler auf dem Pfad der neuen Musik fortbewegen. Bleibt zu hoffen, dass sie viele Gleichgesinnte auf diesem Weg begleiten.
K2010: Reflections, Reading a Poem, SF_oia, UE 34990
Als ein weiterer Vorstoß in die gleiche Richtung kann dieser Band betrachtet werden. Das Institut für Musikpädagogik (Tasteninstrumente) der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien lobte 2010 den Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb (K2010) aus, um „Klaviermusik anzuregen, die in der Sprache unserer Zeit geschrieben und auch für Kinder und Jugendliche spielbar ist“ (Vorwort). Die Jury hatte also zu prüfen, inwieweit die eingereichten Kompositionen dieser Themenstellung gerecht werden. Und man konnte dieser Jury trauen, waren doch als Juroren Helmut Lachenmann, Isabel Mundry, Robert HP Platz und Nicolaus A. Huber gewonnen worden. Clay McMillan erhielt für „Reflections“ einen 1. Preis, Jason Freeman („Reading a Poem“) und Juan de Dios Magdaleno („SF_oia“) teilten sich den 2. Preis. In den „Reflections“ werden vier kurze Stücke gebündelt, die sich allesamt den leisen Tönen verschrieben haben. Auf diesem eng eingezäunten Lautstärkefeld gedeiht es jedoch prächtig, so, als würden die Töne auf eigenwillige Art den Weg zum Licht sich zu bahnen versuchen: geduldig, auf Umwegen oder besonders eilfertig. Das Stück von Freeman ist grafisch notiert – es gibt Fragmente/Textbausteine, die in ihrer Abfolge beliebig aneinandergereiht werden können. Zwei Muster stehen zur Verfügung: eine intervallisch-akkordische Variante und kontrastierend dazu eine repetitorische, mit Sextolen beginnend und rückwärts laufend im Einzelton auspendelnd. Gerade die Unwägbarkeit einer Aufführung erfordert eine eingehende Beschäftigung mit dem Material. In seinen präzisen Erläuterungen spricht der Komponist von einer Etüde (die geübt werden will). Auch hier überwiegen die leisen Töne, die einen behutsamen Umgang mit der Taste einzufordern versuchen.
Für die sieben Stücke von Juan de Dios Magdalenos muss das Instrument bei den Tönen des viergestrichenen h und dem fünfgestrichenen c präpariert werden und ein Sostenuto-Pedal besitzen. Sie sind quasi attacca zu spielen und für Einzelaufführungen nicht geeignet. Diese Vorgabe ist leicht nachzuvollziehen, denn die Stücke sind dramaturgisch aneinandergereiht. Der perkussionartige Charakter, der durch die Präparierung entsteht (das fünfte Stück wird ausschließlich mit den präparierten Tönen „geschlagen“), vermittelt eine gewisse Wiederholungsästhetik, die von den durch das Sostenuto-Pedal erzeugten obertonreichen Bausteinen geschickt kontrastiert wird. Nun ist dies eigentlich nichts Neues, aber durch die dynamisch-akzentuierte und rhythmisch dominierte Anlage gewinnt die musikalische Aussage an Prägnanz. Die Einstudierung ist ohne besondere Vorkenntnisse hinsichtlich neuer Notationstechniken möglich.