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Detailreich und faktensicher, kein Parlando

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Rolf Liebermann in der Buchreihe der ZEIT-Stiftung „Hamburger Köpfe“
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Gisa Aurbek: Rolf Liebermann, ISBN 3-8319-0006-X, Hamburg 2001, Verlag Ellert & Richter, in der Reihe „Hamburger Köpfe“, 136 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 14,90 Euro.

Gisa Aurbek: Rolf Liebermann, ISBN 3-8319-0006-X, Hamburg 2001, Verlag Ellert & Richter, in der Reihe „Hamburger Köpfe“, 136 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 14,90 Euro. Ich freue mich, dass Sie zu uns kommen, aber ich mache Sie auf eine besondere Verantwortung aufmerksam. Sie sind der einzige Jude in der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft!“ Das war die Begrüßung, mit der der später in Hamburg und Paris gefeierte Intendant und Komponist Rolf Liebermann 1944 seine Stelle als Tonmeister bei Radio Zürich antrat. Sohn eines preußischen Offiziers und einer Schweizerin mit französischen Eltern, Großneffe des führenden deutschen Impressionisten Max Liebermann: So einer kommt zwischen allen Stühlen auf die Welt und muss sich behaupten, will er nicht untergehen. Weit entfernt vom bloßen Behaupten hat Rolf Liebermann als faszinierende Mischung aus Visionär und Macher das Musikleben nicht nur in Deutschland mitgeformt und bereichert.
Was in der Rückschau als logische Entwicklung an immer anspruchsvolleren Aufgaben erscheint, tat Liebermann selbst als eine Folge von Zufällen ab: etwa die Bekanntschaft mit dem Dirigenten Hermann Scherchen, der ihn auf einem Dirigierkurs umgehend zu seinem persönlichen Assistenten machte und dafür sorgte, dass der junge Komponist seine eigene Musik auch zu hören bekam. Die Zusammenarbeit mit Liselotte Wilke, später unter dem Namen Lale Andersen, mit „Lilli Marleen“ weltberühmt, auf Züricher Kabarett-Bühnen; die Freundschaft mit Hans Schmidt-Isserstedt, Chefdirigent des neugegründeten NDR-Sinfoniorchesters, die ihn 1957 als Leiter der Hauptabteilung Musik zum NDR führte und schließlich zwei Jahre später zur Hamburgischen Staatsoper: eigentlich keine „Zufälle“. „Das Leben ist aus Begegnungen gemacht“, war Liebermanns Motto und instinktsicher hat er diese Begegnungen mit Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Wirtschaft immer wieder gesucht und herbeigeführt. Gab er auf der einen Seite selbstlos Musikern und Komponisten wie Placido Domingo und Mauricio Kagel die entscheidenden Karriere-Impulse und verschaffte ihnen die Möglichkeiten zur Entfaltung, konnte er genauso in eigener Sache die Fäden ziehen. Als 1962 Igor Stravinskys 80. Geburtstag anstand, wollte Liebermann für den Freund und Künstlerischen Gast der Hamburgischen Oper die Feier ausrichten. Doch da kam aus Moskau die Einladung an Stravinsky, sich in der Heimat, die er seit der Revolution von 1917 nicht mehr gesehen hatte, offiziell von Staats wegen feiern zu lassen. Liebermann ließ umgehend den befreundeten Komponisten Nikolai Nabokov um eine Gegen-Einladung in Washington antichambrieren, und Stravinsky sah sich alsbald vor die Wahl gestellt, entweder die eine oder die andere Weltmacht zu brüskieren. Diplomatisch blieb er der ersten Einladung aus Hamburg treu, und Liebermann hatte sein Fest.

Zwei Jahre nach Liebermanns Tod hat die Hamburger ZEIT-Stiftung in ihrer Reihe „Hamburger Köpfe“ vor kurzem die erste Biografie über ihn vorgelegt. Liebermann hat von 1959 bis 1973 den Ruf der Hamburgischen Staatsoper als hervorragendes Repertoirespielhaus wie eine Keimzelle zeitgenössischen Opernschaffens geprägt. Von 1985 bis 1988 sprang er noch einmal als Interimsintendant in die Bresche – Verdienste genug, um den Schweizer, der in Hamburg nur eine kleine Zweizimmerwohnung unterhielt und eigentlich mehr in der Oper wohnte, zum „Hamburger Kopf“ zu ernennen.

Vor dem charmanten Parlando von Liebermanns eigenem Erinnerungsband „Opernjahre“ liest sich Gisa Aurbeks biografischer Abriss zunächst eher nüchtern. Detailreich und faktensicher umreißt sie Herkunft, Jugendzeit und frühes Berufsleben, um alsbald die wesentlichen Akzente von Liebermanns Arbeit in Hamburg und Paris zu charakterisieren. Ohne Vorerfahrung oder Spielplankonzept war er an der Hamburgischen Staatsoper angetreten. Ganze fünf Minuten dauerte das Einstellungsgespräch vor dem Verwaltungsrat: Zeichen einer risikofreudigeren Ära, als ein Intendant noch lernen durfte, einer zu sein. Dass Liebermanns konsequente Repertoirepflege, bei der das Wort „B-Besetzung“ nicht mehr vorkam, seine Ensemblepolitik, sein Einsatz für ein modernes Ballett und der Vorstoß für ein Neues Musiktheater ohne einen verständigen Verwaltungsrat und den Verwaltungsdirektor Herbert Paris nicht möglich gewesen wäre, hebt Gisa Aurbek deutlich hervor. Geschickt vermittelt sie durch Liebermanns Porträt auf eine auch für Opernlaien verständliche Weise, was auch sonst noch alles in so einem Haus passieren muss, bis der Vorhang hochgehen kann. Und auch wer als Theaterfachfrau oder -mann über den Tarif-Beton an deutschen Theatern stöhnt, wird mit Gewinn von den Verhältnisse an der Grand Opéra Paris lesen, wo Bürokratismus und wilde Streiks mehr als eine Premiere platzen ließen.

Mit anschaulichen Anekdoten, Berichten von Zeitzeugen und viel Faktenwissen zeichnet Gisa Aurbek ein konzentriertes und lesenswertes Porträt, ohne den charismatischen Opernmann zu verklären. Seine Unfähigkeit im Ehe- und Familienleben wie sein Machtbewusstsein kommen ebenso zur Sprache wie seine vielfältigen Verdienste. In einem eigenen Kapitel zieht sie Liebermanns kompositorische Entwicklung nach und liefert knappe Analysen seiner wichtigsten Kompositionen, die sie kenntnisreich ins zeitgenössische Umfeld einordnet. Der Text des kleinen Bandes ist treffend bebildert und bringt etliche sehenswerte Inszenierungsfotos, zu wünschen wäre allenfalls eine Tabelle der wichtigsten Lebensdaten und ein Namensregister.

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