Das Spektrum kreativer Herausforderungen ist sprunghaft gewachsen. Es gilt, die Neugier – Triebfeder alles menschlichen Tuns – als Kraft des Wach-Bleibens zu verankern und einem verstehenden Musikerleben Anmut zu verleihen. Improvisatorisches Arbeiten und schulpraktisches Spiel im Klavierunterricht kümmern als Randerscheinungen vor sich hin, weil zu oft die Zeit fehlt oder mehr Gewicht auf die Erlernung der Spieltechnik gelegt wird. Auf lange Sicht profitieren Schüler von einem aufgefächerten Unterricht, in dem man sich angrenzenden Bereichen nicht verschließt.
Hans-Georg Schwerdtner: Klavierbuch für Kinder, Eigenverlag, ISMN 979-0-000-00166-4
Eine musikalische Begabung wird zumeist erkannt bei der Beobachtung von Kleinkindern im Umgang mit Instrumenten. Ist ein Klavier vorhanden, dann suchen sie nach schönen Klängen oder ersinnen melodische Bausteine, die sie konserviert haben wollen. So kam Schwerdtner auf die Idee, dieses Material nicht ungenutzt zu lassen, sondern kleine Stücke daraus zu formen, die sowohl den Kinderohren gerecht werden als auch methodische und spieltechnische Aspekte mit einbinden.
Die Motive der Kinder werden mittels Notenbeispiel diesen knapp 50 Stücken jeweils vorangestellt, was die Klavierschüler ermuntern sollte, auch nach eigenen Tonreihen-Schnipseln zu suchen. In der Fülle der thematischen Aussagen bleibt kaum ein Bereich des kindlichen Alltags unausgesprochen, da Schwerdtner auch auf vertrautes Liedgut nicht verzichtet. Diese Vielfalt begünstigt den Einsatz vieler verschiedener Spieltechniken, die scheinbar unauffällig geübt, wenngleich unübersehbar fixiert werden. Das ermöglicht dem Lehrer, bei der Auswahl gezielt vorgehen zu können. Gut nachvollziehbare Satzstrukturen erleichtern das Erlernen und ein angestrebtes Nachahmen. Mit Illustrationen, die nur in der Kontur erscheinen, kann der Schüler sein Klavierbuch auch noch farbig gestalten.
Ralph Abelein, Jyrki Tenni: Liedbegleitung und Klavierimprovisation, Helbling Verlag, HI-S6437
Die Bezeichnung „Liedbegleitung“ ist wenig konkret. In der vorliegenden Ausgabe orientieren sich die Autoren nicht vordergründig am Volks- oder Kinderlied, sondern setzen den Schwerpunkt im Rock-/Popbereich und bei den vorwiegend lateinamerikanischen Standardtänzen. Das tut der Sache keinen Abbruch, wenn ein strukturiertes Vorgehen erkennbar ist. Ein eingangs in Aussicht gestelltes „Schritt-für-Schritt-Programm“, das eine aufwändig eingespielte CD mitführt, ist für ein Selbststudium konzipiert.
Die Nutzer der Ausgabe sollten aus diesem Grund im Klavierspiel schon recht fit sein, ein gutes Rhythmusgefühl besitzen und auch musiktheoretische Vorkenntnisse mitbringen, um effektiv arbeiten zu können. Einer Verwendung im Unterricht steht aber auch nichts im Wege, würde mehr Draufsicht erlauben und einen kreativen Umgang mit dem Material ermöglichen. Ganz unverkrampft werden die einzelnen Lektionen angegangen, die anfangs mehr auf das Hinhören ausgerichtet sind und sich immer mehr im praktischen Spiel verdichten. Die Fülle von Informationen verschwindet nicht in einer Unüberschaubarkeit von zahlreichen Notenbeispielen, sondern wird effizient in mehrere Kapitel gegliedert. So lässt sich eine stiltypische Fitness im Begleiten erreichen, die auch positiv auf das (klassische) Klavierspiel zurückwirken kann.
Manfred Schmitz: Erster Weg zum Spielen nach Akkordsymbolen, Band 1 und 2, AMA, 610456 und 610457
Manfred Schmitz will seine zweibändige Ausgabe als „musikalisches Handwerkszeug“ verstanden wissen: Schüler, die an den Noten „kleben“, werden zum freien Spiel inspiriert und diejenigen, die schon immer gern nach Gehör gespielt haben, strukturiert angeleitet. Schmitz steigt im ersten Band, nach kurzer harmonischer Anweisung, mit Kinder- und Volksliedern ein. Zuerst beschränkt er sich auf das Erkennen der Grundbässe und arbeitet sich dann schrittweise zu den verschiedenen Möglichkeiten der Harmonisierung in der rechten Hand mit alternativen Begleitformen für die linke Hand (auch ohne Melodiestimme) vor.
Diese Methode fördert sowohl das Anwenden als auch das Vertiefen des gelernten Stoffes. Zudem sollte der Schüler auch wahrnehmen lernen, dass schwülstige Begleitmotive zu einem schlichten Kinderlied nicht passen. Ausprobieren und variieren lautet die Devise. Der gesamte erste Band widmet sich in ausnotierten Beispielen der intensiven Vermittlung von Grundlagen innerhalb des Dur-Grundkadenz-Bereichs und ist auch einzeln verwendbar. Im zweiten Band wechselt Schmitz zu traditionellen Songs, die andere Begleitmuster erfordern. Er bricht aus dem Grundkadenz-Bereich zunächst nicht aus und legt mehr Augenmerk auf die Intensivierung der spieltechnischen Umsetzung. Die erweiterte Kadenz wird sprunghaft eingeführt anhand von Akkordfolgen, die nicht näher erläutert werden. Hier bedarf es Vorkenntnissen im Akkordaufbau. Eine Moll-Kadenz fehlt völlig (und natürlich auch ein Liedbeispiel in Moll). Das Lehrmodell bleibt bestehen und trägt einen leicht progressiven Charakter. In der Auswahl der Songs hätte man mit Rücksicht auf die jüngeren Schüler etwas aktueller sein können.
Andreas Hirche: Ein Klavier geht auf Reisen, Breitkopf Pädagogik, EB 8819
Weltmusik ist ein mittlerweile stark strapazierter Begriff, dem das Etikett der Undefinierbarkeit anhaftet. Der einseitig ausgerichtete Blick auf andere Kulturen schweift dabei oft ins Klischeehafte. „Weltmusik | Rhythmus | Improvisation“ lautet der von Andreas Hirche gewählte Untertitel. Mit dieser Ansage begibt er sich nicht auf ausgetretene Pfade, sondern sucht nach neuen Wegen. Diese führen auch einmal nach Osteuropa oder Asien, wenngleich nur als kurzer Zwischenhalt.
Der Schwerpunkt liegt hier im praktischen Ausüben, also einer Anleitung zur Improvisation innerhalb eines eingegrenzten Bereichs. Hirche nimmt dafür die verschiedenen rhythmischen Gebilde dieser Weltmusik zur Hand, die für ihn die Grundlage seiner komplexen Ostinato-Improvisationen bilden (Calypso, Csárdás, Tango Argentino, Blues, Flamenco). Die ostasiatische Musik hingegen lauscht dem Klang, der improvisatorisch aufgeblättert wird.
Die ausnotierten Vorgaben sind auf einer CD nachhörbar, die letztlich nur einen Kontrollwert besitzen. Hier wäre vielleicht eine Einspielung mit einem Playback oder Background sinnvol- u uler gewesen, denn Hirches methodische Vorgehensweise kann als vorbildlich angesehen werden. Der spieltechnische Level liegt dabei sehr hoch und ist nur von schon versierten Klavierspielern zu bewältigen, die unbedingt auch über musiktheoretische Vorkenntnisse verfügen sollten. Eine intensive Beschäftigung mit dieser Ausgabe führt fast von allein zu einer kontemplativen Wohltat.