Jeder kennt sie, die eine Person aus der Kindheit, die zum ersten Mal ein Liederbuch mit einem aufgeschlagen hat. Manche Notenlinie findet sich in dieser Erinnerung wieder und ob man diese lesen konnte oder nicht, was bis heute bleibt, sind Bilder, Erlebnisse und vor allem Melodien, die man damals gesungen hat.
Seit zehn Jahren macht Cornelius Hauptmann solche Erlebnisse für Kinder möglich. Mit seinem Liederprojekt, das 2009 zusammen mit dem Carus Verlag ins Leben gerufen wurde, startete er eine neue Art der Vermittlung des Deutschen Liedguts. Denn Singen scheint out zu sein. Dieses „Experiment mit offenem Ausgang“, so Hauptmann über sein Projekt, fand zahlreiche Unterstützer. Renommierte Sängerinnen und Sänger wie Christian Gerhaher, Angelika Kirchschlager und Jonas Kaufmann sangen für dieses Benefizprojekt ihre liebsten Wiegenlieder ein. Hauptmann sagte, dass die deutsche Gesellschaft dieses Projekt so gut mittrage, weil es einen großen Bedarf am Singen gegeben habe (nmz 12/2013).
Mittlerweile ist das „Baby“ von Cornelius Hauptmann erwachsener geworden. Zum zehnten Geburtstag des „Liederprojekts“ präsentiert der Carus Verlag den Jubiläumsband „Die schönsten Lieder“ mit über 150 Liedern des bisherigen Repertoires und bunten Illustrationen. In Kooperation mit SWR2 erschienen dazu CD-Einspielungen. Alles ist sehr liebevoll gestaltet. Farbenfrohe Bilder, die thematisch zu den Liedern passen. So steht ein roter Fliegenpilz neben den Notenlinien und Textstrophen von „Ein Männlein steht im Walde“ und ein großer Fuchs mit Gans im Mund erscheint auf einer Doppelseite nachdem man „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ gesungen hat. Ob mosaikartig zusammengesetzt, geschabt strukturiert oder schwarz-weiß gezeichnet: die Bilder wecken Freude und machen Lust auf mehr. Auch die Notation ist übersichtlich und einfach zu verfolgen. Mit den Harmonien über den Notenzeilen ist es ein Leichtes, die Lieder zu begleiten. Musikalisch ausgeschmückter ist die Instrumental-CD, die dem Band beiliegt, um mitsingen zu können. Oft fehlen zwei oder drei Wiederholungen der Strophen, aber durch die Aufnahmen kann man das Lied dennoch kennenlernen, in Erinnerung rufen oder immer wieder singen.
Obendrauf gibt es „Die schönsten Lieder“ zum Anhören und Genießen. In einer ebenso bunten Vielfalt, wie sie bereits den Liederband prägt, präsentieren verschiedene Künstler, wie Dorothee Mields und Christoph Prégardien, und Ensembles, wie die Lautten Compagney und das Calmus Ensemble, über fünfzig Lieder in verschiedenen Stilrichtungen. Auffällig sind die Songs aus einer aktuelleren Epoche: Sting und die Beatles, arrangiert als A-cappella-Lieder. Besonders schön ist die kulturelle Durchmischung bei der Auswahl der Lieder. Neben traditionellem deutschem Liedgut hört man ein neuseeländisches Wiegenlied, die russischen und israelischen Volkslieder „Kalinka“ und „Shalom chaverim“ und englische Lieder aus der Zeit des Barocks von Henry Purcell. Im Hinblick auf die reiche und reicher werdende Kultur Deutschlands sehr passend, ideal, um den eigenen Horizont zu erweitern und die Ursprünge nicht zu vergessen.
Im Vorwort des Liederbandes heißt es „Lieder, so bunt wie das Leben“ und „Ein Fest für die Sinne“. Dem kann man nicht widersprechen. Dieser Jubiläumsband ist, mit all seinen Extras, wie Klavierbänden, Chornoten, MP3-Hörbeispielen samt Noten-Downloads, die frei im Internet verfügbar sind, ein liebevoll gestaltetes und zusammengestelltes Projekt. Es fehlt nichts und das Konzept ist von vorne bis hinten gut durchdacht. Vor allem der Liederband wird sich gut in jedem Familien-Wohnzimmer-Regal machen, für warme Stunden sorgen und bunte Bilder in die Erinnerungsschublade des ein oder anderen Kindes zaubern.
- Christine Busch, Franz Walka (Hg.): Die schönsten Lieder: Das große Familienliederbuch. Mit CD zum Mitsingen. 246 Seiten, Carus/Reclam 2.411/00