Im Folgenden werden neue Klaviernoten vorgestellt, die das Zusammenspiel zu zweit, zu dritt, einmal auch zu viert, an einem Klavier betreffen, wobei an dieser Stelle vorweggenommen sei, dass die biologische Realität bei Sechs- bis Siebenjährigen schon zeigt, dass es für vier Spieler an einer Klaviatur eng wird. Allgemein ist zu den Notenausgaben zu bemerken, dass sie für Anfänger bis in die Mittelstufe angelegt sind, so dass in erster Linie die Zweckbestimmung für den Gruppenunterricht deutlich wird. Doch auch für den Einzelunterricht sollten Klavierlehrerinnen und Klavierlehrer die Ausgaben im Blick haben, denn auch hier dürfte gemeinsames Spiel, sei es mit einem anderen Instrument oder eben vierhändig an einem Klavier, einen festen Platz haben. Dies gehört zum Rezeptionsreichtum der Musik, den Kinder, gleich welcher Unterrichtsform, alle schon in frühen Jahren erleben sollen.
Anne Terzibaschitsch: Tastenträume. Klavierspiel im Duett. 25 bekannte Melodien bearbeitet für Klavier zu vier Händen. Leicht bis mittelschwer. Holzschuh 2009, VHR 3554
Die Kollektion ist nur auf Vierhändigspiel an einem Klavier bezogen. Alle Stücke basieren auf bereits vorhandener Musik. Terzibaschitsch sieht sich als „Bearbeiterin“. Doch ist zwischen einfacher Übertragung, Bearbeitung mit aktiven Eingriffen und der Einrichtung eines Klaviersatzes zu einer ursprünglich nur vorhandenen Melodie zu differenzieren. Die Auswahl geht vom Barock bis ins 20. Jahrhundert, von Lied und Populärmusik bis zur Opernarie aus Mozarts Don Giovanni „Reich mir die Hand“, in der Instrumentalmusik von original zweihändigen Klavierstücken Bachs bis zum Trauermarsch aus Mahlers 1. Sinfonie und einem Walzer für Jazz-Orchester von Schostakowitsch. Und ohne dass es den diesbezüglichen Hinweis gibt, sind Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ und Charpentiers Prélude aus dessen Te Deum in dem vorliegenden Band auch als Europa-Hymne beziehungsweise Eurovisionsmelodie zu hören. Schließlich sind auch noch J. Johansson und K. Elfers mit „Pippi Langstrumpf“ zu finden. Der Katalog ist farbig! Ob allerdings die starke Veränderung bei den Stücken von Bach diesen einen neuen Scharm verleiht oder Verlust gegenüber dem Original bedeutet, dürfte eine persönliche Frage sein.
Louis Zett: Velvet for Four & More. 15 romantische und poppige Klavierstücke für vier und sechs Hände. HUG; 2008, G.H. 11710
Der Band enthält nur eigene Stücke von Zett. Deutlich wird die Komponente der romantischen Klangwelt des 19. Jahrhunderts bei Zett im kreativen Prozess, ob zu Beginn in „Little Song“, einer Miniatur in der Nähe eines Charakterstücks, oder später „Mascha’s Waltz“, der ein wenig Chopin nachklingen lässt. Bei Formen mit Bewegungsfreude, die das 20. Jahrhundert in Europa heimisch gemacht hat, ist ein „Sentimental Tango“ zu nennen. In „Sensation“ wird ein 4/4-Takt in 3+3+2 Achtel umgewandelt und lässt so an Bartóks Tänze in bulgarischem Rhythmus denken. 3 der 15 Stücke rufen auf zum Spiel zu Dritt. Nahe liegt da, die Macht des Mammutklanges am Klavier einmal voll auszukosten. Deshalb: „Big Noise“ im Fortissimo für alle drei Spieler! Doch das nächste Mal in sechshändiger Formation gilt es bei „In Springtime“, mit 30 Fingern Klangkultur im Piano und Pianissimo zu verinnerlichen. Die Anforderungen für die Spieler bewegen sich von „sehr leicht“ bis „mittelschwer“. Sie sind differenziert auf die einzelnen Stücke und Spieler im Inhaltsverzeichnis vermerkt. Die dem Notenband beiliegende CD bestätigt den Komponisten auch als Pädagogen mit einer Schülerin.
Manfred Schmitz: Konzert im Blumenbeet. Ein musikalisches Geschichtenspiel für Kinder; zu zwei bis sechs Händen. Deutscher Verlag für Musik 2008, DVfM, 32147
Originell thematisiert Schmitz mit seinen vielfältigen Erfahrungen als Komponist und Pädagoge in seinem neuen Werk das Gemeinschaftserlebnis des Musizierens. Die Idee, Blumen und Tieren märchenkonform die Gabe zu verleihen, wie Menschen denken und handeln zu können – so spielen sie auch Klavier oder tanzen im „Grashüpfer-Ballett“ – , schafft die Basis für das kreative Event einer ganzen Klavierklasse. 18 Stücke – da können und sollen Schüler den Platz am Klavier wechseln und in verschiedene Rollen schlüpfen! – verbinden sich zu einem Zyklus, den Schmitz „wie ein kleines Singspiel, eine kleine Oper oder ein kleines Musical“ betrachtet wissen will. So ist im Gesamtkonzept ein Erzähler mit vorgegebenen Texten unverzichtbar. Singen bei Frosch und Biene ist ad libitum angesagt. Die Flöte möchte man bei der Suche nach dem Klang der Lerche keinesfalls vermissen. Verblüffend ist die Simplizität einfacher Spielmuster. Sie dürften den jungen Spielern in der Unterstufe aber die richtigen Gestaltungs-
impulse vermitteln. Beim „Zitronenfalter-Intermezzo“ handelt es sich allerdings um ein exponiertes Bravourstückchen, das bei dem eingeforderten Tempo einen weiter fortgeschrittenen Schüler auf den Plan ruft.
Peter Przystaniak: More Hans – One Piano. Lieder, Traditionals und Neukompositionen leicht gesetzt für Klavier zu sechs und acht Händen. Peters 2008, EP 11106
Der Autor hat mit dieser Publikation Gruppenunterricht mit höheren Schülerzahlen im Sinn. Man kennt Przystaniak bereits mit zwei- und vierhändigen Klavierstücken. Diesmal bleibt Vierhändiges ausgespart, weil, so der Autor im Vorwort, diesbezüglich „Stücke in großer Zahl existieren“, dagegen für drei und vier Spieler „kaum führende Literatur“ vorhanden ist. Der vorliegende Band enthält acht sechshändige und vier achthändige Stücke. Przystaniak selbst hat sich viermal als Komponist eingebracht. Er bedient den Bereich der Popularmusik mit Tango, Boogie und Rock. Die Arrangements basieren in der Hauptsache auf Volksliedgut aus Frankreich, Großbritannien und den USA. Aus dem deutschsprachigen Raum hat ein Kunstlied Eingang gefunden: „Guten Abend, gut’ Nacht“ von Johannes Brahms. Przystaniak verzichtet hier leider auf den aparten Impuls, der dem originalen Klaviersatz mit leicht synkopischen Wellenbewegungen innewohnt. Dies mag vielleicht als kleiner Verlust empfunden werden. Ansonsten überzeugen Inspiration und Souveränität im Handwerklichen auf beiden Gebieten: als Komponist und als Arrangeur. Der Notenausgabe liegt eine CD bei, zum einen mit einer kompletten „Hörversion“, zum anderen mit „minus one-Versionen“ zum Üben ohne Vorhandensein der Mitspieler.