Thea Dorn: Marleni, mit Gisela May und Gisela Uhlen, Regie: Jörg Jannings, Musik: Walter Florey, 1 CD, Lido/Eichborn
Lyrik zwei, 4 CDs, hörverlag.
Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles, was man wissen muss: Kunst und Musik, 2 CDs, lido/Eichborn.
Andante spumante: Der Beikircher. Ein Konzertführer, 5 CDs, RoofMusic, im Buchhandel bei Eichborn, im CD-Fachhandel bei Universal Classics.
Thea Dorn verkehrt in ihrem Hör-Stück virtuos die vertrauten Erwartungen: Die Dietrich erscheint als Frau unter Einfluss, die immer nur das getan hat, was andere ihr sagten; für die Riefenstahl dagegen ist die Welt Inszenierung; sie will nur das sehen, was ihr das Kamera-Auge zeigt. Marlene ist der Serialität des Sex unterworfen, Leni auf der Suche nach dem einen, absoluten Bild. Gisela Uhlens Leni ist schönheitstrunken-unbelehrbar, eine Suchende ohne Vorurteile, aber voller Ressentiments, Gisela Mays Marlene eine zerstörte Narzistin, die sich in einen Kokon privater Süchte und Zynismen zurückgezogen hat. Die Überblendung der beiden scheinbar so ungleichen Frauen, auf ihre Art jeweils Heroinnen einer praktizierten Emanzipation ohne Theorie, führt zu dem Moloch Marleni, in dem ein Jahrhundert deutscher Geschichte verschwindet. Freilich nicht spurlos.
Durch das Hör-Stück ziehen sich die Sounds des Säkulums; in Marlenes Liedern, die immer wieder, entstellt, anklingen ist das kollektive Unbewusste gegenwärtig. Und dahinter und darunter liegen nicht nur die Geräusche des Krieges oder der Alterseinsamkeit, sondern auch die heruntergekommene Symphonik der Traumfabrik-Soundtracks von der Ufa bis Hollywood.
Dass auch die Lyrik in ihrem Ursprung Musik ist, konnten die Besucher eines vom Bayerischen Rundfunk veranstalteten Events erfahren, das jetzt als Hörbuch auf vier CDs im hörverlag vorliegt. Nicht nur die Tragödie entstand, wie Nietzsche feststellte, aus dem Geist der Musik, auch das Gedicht war zunächst Gesang, ein dionysisches Daseins-Murmeln, das eher bezauberte als argumentierte. In der heutigen Medien-Allgegenwart, wo das Wort, im besseren Fall, Information oder Meinung, sehr oft aber auch Werbung und Manipulation ist, gibt es offenbar ein fortwirkendes Bedürfnis nach Bezauberung; nicht als Gegensatz zur Klarheit des Diskurses, sondern als dessen Grund; das Apollinische, wenn es nicht selbst verrückt werden soll, braucht das Dionysische. Es lesen Stars der Szene wie Raoul Schrott, Friederike Mayröcker und Durs Grünbein, aber auch die Dänin Inger Christensen und Fuad Rifka.
Und gerade wenn der Archäologe des poetischen Vermögens, Raoul Schrott, ein Gedicht der Sappho im Original vorträgt oder wenn man vor der Übersetzung der Lyrik Christensen und Rifkas lauscht, also gleichsam im prä- oder trans-semantischen Urzustand, im Paradies diesseits des Vorverständigtseins, erfährt man das Melos, den Rhythmus als tragende und treibende Kraft jedes Gedichts. Entzifferbarer Sinn ist etwas sehr Spätes.
Das Hörbuch kann aber nicht nur, anders als der gedruckte Text, mit der Wort-Musik vertraut machen und die „Mündlichkeit“, die am Anfang der Literatur steht, revitalisieren, es ist auch ein Medium, das Musik verständlich(er) werden lässt. Dietrich Schwanitz versucht das im Musik-Kapitel seines Bildungs-Bestsellers eher konventionell: als ein mit enzyklopädischem Wissen ausgestatteter Weltweiser, der dem rezeptiven Fußvolk Orientierung und Party- oder Kaffeekränzchen-Souveränität verschaffen möchte. Alles, was man wissen muss, lautet in etwa sein Versprechen, die ganze Welt der abendländischen Bildung in der Nussschale von ein paar Buchseiten oder Hörbuch-Minuten. Das funktioniert einigermaßen, solange er Grundbegriffe der Musik verdeutlicht; obwohl das jedes Konversationslexikon genauso leistet. Das wird eher dürftig, wenn es im Schnelldurchlauf durch die Musikgeschichte geht; statt erhellender Analysen gibt es meist nur Anekdoten, die nicht einmal charakteristisch sind.
Besser bedient ist man da in jeder Hinsicht beim „Beikircher“, einem klingenden Konzertführer auf fünf CDs, dessen Titel „Andante Spumante“ schon verrät, dass Seriosität um jeden Preis nicht sein Ziel ist. Beikircher ist Kabarettist; und er liebt eine flapsige Ausdrucksweise, die sicher nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Aber anders als Schwanitz ist er nicht einer, der high-browed mit Discount-Wissen protzt, sondern ein passionierter und kundiger Musikliebhaber; selbst Beikirchers Anekdoten sind fast immer aufschlussreich, er scheut sich nicht „taktgenau“ zu argumentieren und er versinnlicht seine Erläuterungen durch ausführliche Musikbeispiele der „Klassiker“ von Bach bis Ravel in meist tadellosen Einspielungen.