Eva-Maria Neumann: Geigenschule für Kinder im Einzel- und Gruppenunterricht. Illustriert von Pia Eisenbarth, Band 1, Breitkopf & Härtel, DV 30072
Mit der „Geigenschule“ legt Eva-Maria Neumann ein Schulwerk vor, das „fantasievolles, kreatives Gestalten mit einer fundierten technischen Ausbildung … verbinden“ soll – eine Zielsetzung, die den Anforderungen eines zeitgerechten Instrumentalunterrichtes entspricht. Erfüllt diese neue Schule das von der Autorin in der Ankündigung definierte Anliegen? Fantasievoll und kreativ ist das Werk wirklich. Zauberhaft und schelmisch wirken die gelb abgesetzten Rätsel, Spielanregungen, Quizfragen – das mögen Kinder! So wird Fachsprache, Musiktheorie und -geschichte spielerisch und witzig vermittelt. („Wie nennt man ein Stück für zwei Spieler? a) Duda, b) Duo, c) Dudu“ – oder aus dem Buchstabensalat ARSCHTEB ein Streichinstrument erkennen) Auch die Texte an die Kinder und die Eltern kann man nur bejahen. Die grafische Gestaltung von Pia Eisenbarth spricht Kinder sicherlich an. Sie werden dieses Buch, das voller hübscher Überraschungen steckt, sehr mögen. Schwieriger wird es, wenn die Frage nach der technisch fundierten Ausbildung beantwortet werden soll. Zunächst ist festzustellen, dass jede/s einzelne der 129 Stücke und Aufgaben seine/ihre Berechtigung hat und einen Beitrag zum zitierten Ziel leistet. Versteht man eine Instrumentalschule als Werk, das progressiv aufgebaut ist, mit hinreichendem Material die geigerische Entwicklung eines Kindes verfolgt und, wie in der Ankündigung versprochen, für den Einzel- und Gruppenunterricht geeignet ist, dann wird die Einordnung der „Geigenschule“ von Eva-Maria Neumann schwierig. An einigen Beispielen ist dies deutlich zu machen. Nach acht Zeilen auf den vier (!) leeren Saiten wird bereits in Nr. 5 mit pizzicato gegriffen und zwar mit allen vier Fingern über neun Zeilen in sechs kleinen Stücken. Dann kehrt die Autorin mit zwei Stücken, die sehr hübsch sind, wieder zu den leeren Saiten (Nr. 9 und Nr. 10) zurück.
Die „Bogenmaus“ in Nr. 12 setzt bereits erhebliche Intonationssicherheit und Streichfertigkeit voraus. Die zweite Stimme, als Schülerstimme gekennzeichnet, kann nur ein fortgeschrittenes Kind spielen, während die rhythmisch versetzte Lehrerstimme entsprechende Sicherheit der Kinder erfordert. In Nr. 14 und 16 wird wiederum ein sukzessiver Auf- und Abbau der linken Hand geübt, der in Nr. 12 vorausgesetzt wird. Wenn ein Schüler wirklich die „Aria“ von Händel (Nr. 91) musikalisch spielen kann, wird er kaum für „die kleine Schnatterente“ zu begeistern sein, in der Flageoletttöne Anwendung finden – wie das gesamte Kapitel „Wir rutschen hoch und runter“ wieder im Sinne einer Progressivität eher regressiv anzusehen ist. Ob es Sinn macht, bei der Einführung der Synkopen wieder auf leeren Saiten Stücke wie „David und Maria tanzen“ (Nr. 110) spielen zu lassen, mag jeder selbst entscheiden. Sieht man nur vier Seiten weiter, so findet man ein rhythmisch sehr anspruchsvolles Stück „Akzente“ (Nr. 115). Schließlich verblüffend erscheint das Kapitel IX „Was es sonst noch gibt – … zum Beispiel andere Griffarten“. Dort werden der hier so bezeichneten zweiten Griffart (3./4. Finger) in der ersten Lage zwei Seiten gewidmet mit dem Hinweis, dies sei ja aus der dritten Lage schon bekannt, wobei die Autorin auf die Möglichkeit des Beginns in der dritten Lage verweist. Die dritte wie die vierte Griffart werden auf jeweils zwei Seiten behandelt.
Danach kommen in einem Allegro von Sammartini (Nr. 129) verschiedene Griffarten zur Anwendung. Im zweiten Heft werden die verschiedenen Griffarten nicht mehr explizit behandelt. Das letzte Kapitel bereitet noch einmal Gelerntes aus der Theorie auf, mündend in einem ansprechenden Quiz. In dem abschließenden Text „Für Lehrerinnen und Lehrer“ zeigt Eva-Maria Neumann Anwendungsmöglichkeiten ihrer Schule auf. Ihr ist zuzustimmen, dass die methodische Freiheit der Lehrenden nicht eingeschränkt wird, da es sich hier um eine wunderbare Materialsammlung handelt, einschließlich einer kleinen Geschichte „Felix – der kleine Löwe“ – für Sprecher und Geiger, die nur mit leeren Saiten eine spannende Aufführung ermöglicht. Auch die beigefügte Klavierstimme mit klangvollen, zum Teil lautmalerischen und nicht zu schwierigen Sätzen fördern sicher das Musizieren. Die Aufteilung der Lieder, Stücke und Übungen nach speziellen technischen Problemstellungen am Ende des Werkes bietet eine angenehme Hilfestellung für die Unterrichtsvorbereitung. Inspiriert und inspirierend ist dieses Arbeitsmaterial für jede Form eines kindgerechten Geigenunterrichtes.