Welche Beweggründe könnte es geben, eine neue Harfenschule zu verfassen? Zugegeben, verglichen mit der Unterrichtsliteratur für Klavier, Streich-oder Blasinstrumente gibt es nur einen Bruchteil an praxistauglichen Harfenschulen. Aber was gibt es bisher noch nicht, was würde man sich als Lehrkraft von einer Neuerscheinung erwarten? Hier mein „Wunschzettel“:
- taugliches Material für den Zweier-Unterricht (etwa in Form von Duostücken), vor allem auch für Grundschulkinder
- eine ansprechende und optische klare Erscheinung mit Bildern und Platz für die Eintragungen der Kinder und der Lehrkraft
- interessante neue Stücke und altbekannte Melodien aus verschiedenen Stilrichtungen und Epochen
- Kammermusikstücke
- Anregungen für die Kreativität der Kinder
- einen Anhang mit ausführlicheren Informationen über die Harfe, Erklärung von Fachbegriffen, Hilfestellungen zum häuslichen Üben oder Stimmen und Pflegen der Harfe
Leider sind meine – sicherlich persönlich gefärbten – Wünsche in der „Schule für Manualharfe“ von Brigitte Langnickel-Köhler (2013 im Certosa Verlag erschienen) so gut wie gar nicht erfüllt worden.
Zu allererst stellt sich mir folgende Frage: wie kann ein derart schlecht lektoriertes Werk überhaupt in den Druck und schließlich in den Verkauf gelangen? Die technischen Fehler des Verlags sind haarsträubend:
- mangelhaftes Druckbild (verschieden dicke Taktstriche und Noten, teilweise schlecht lesbar, vollgestopfte Seiten)
- sehr häufig fehlende Akkoladen (die Verbindungsklammern von Notenzeilen)
- Taktangaben nach dem Zufallsprinzip (alle Varianten zwischen gar nicht vorhanden, in einer von zwei zusammengehörigen Zeilen vorhanden, am Anfang jedes Systems eines dreizeiligen Stücks oder auch komplett falsch angegeben)
- merkwürdige Verteilung von Notenhälsen (manche Töne soll man wohl mit Fingern beider Hände gleichzeitig zupfen, bei Arpeggien werden teilweise die Töne beider Notenzeilen verbunden)
- eine Seite ist komplett falsch platziert (taucht als S. 43 und dann richtig als S. 57 auf)
- Rechtschreibfehler in den Titeln und offensichtliche Noten-Druckfehler (falsche Intervalle, fehlende oder falsche Pausenzeichen …)
Da Frau Langnickel-Köhler eine erfahrene Lehrkraft ist, wird sie ihre Methode sicher vom „lebenden Beispiel“ ausgehend verfasst haben – schade, dass sie vor der Veröffentlichung offensichtlich keinen Blick mehr darauf werfen konnte.
Am besten haben mir ihre eigenen Stücke gefallen, die gut in der Hand liegen und sehr klangschön sind; das hätte sie durchaus noch häufiger einsetzen können und vielleicht dafür einen Teil der unzähligen und öfters nicht zielgerichteten Übungsstücke weglassen können.
Was mir jedoch fehlt, sind beispielsweise Hinweise zur Körperhaltung. Die Zeichnung einer Handhaltung am Anfang ist missverständlich und nicht ausreichend für das häusliche Üben ohne Kontrolle durch die Lehrkraft (da muss ja dann ein Elternteil mal einen Blick auf Arme, Schulter, Kopf und Rücken werfen). Überhaupt wären Ratschläge für die Eltern sinnvoll im Hinblick auf Übe-Rituale, Benutzung des Stimmgeräts, Umgang mit dem Instrument et cetera.
Zum anderen ignoriert sie Basistechniken wie das Abdämpfen und vorbereitende Einsetzen (in letzterem Fall unter Umständen aber auch wieder ein drucktechnisches Problem), die durchaus schon vermittelt werden können und auch sollten, damit saubere Klänge beziehungsweise ein Legato-Spiel früh eine Selbstverständlichkeit werden.
Einige Begriffe wie „Manualharfe“ (statt der gebräuchlicheren Bezeichnungen „Irische Harfe“ oder „Hakenharfe“), „Grundlage“ statt „Grundstellung“ oder „Be“ für das erniedrigte „H“ sind gewöhnungsbedürftig.
Für den Unterrichtsalltag praktisch wären abgedruckte Liedtexte und Blanko-Zeilen, anhand derer die Kinder die vielen Theorie-Anforderungen einüben könnten. Wahrscheinlich könnte man dabei auch einiges in einen informativen Anhang packen und den theoretischen Teil entschlacken, ich denke da unter anderem an die zweiseitige schematische Darstellung der Haken-Einstellungen für alle acht möglichen Tonarten, die auf die Schüler hereinbrechen, noch bevor sie gelernt haben, einen Ton zu zupfen.
Dann wäre auf den rund 90 Seiten auch Platz für Ensemblestücke und kleine kreative Aufgaben für neugierige Harfenkinder, womit wir wieder am Anfang der Rezension bei meiner Wunschliste gelandet wären …
Brigitte Langnickel-Köhler: Schule für Manualharfe. Certosa Verlag 2013.
€ 24,50 ISMN 979-0-50224-298-5