Oft geht Neues in der Musik von den Bedürfnissen derjenigen aus, die miteinander musizieren möchten: so auch im Falle von Anne Wolf (Mandoline) und Simone Krampe (Akkordeon), die dies tun wollten, aber mangels geeigneter Stücke für ihre Instrumentalbesetzung den Komponisten David P. Graham fragten, ob sie seine „Fours short Pieces“ für Violine und Akkordeon spielen könnten.
In Ermangelung eines geeigneten Repertoires für diese vielseitige, klanglich äußerst faszinierende Kammermusikbesetzung, in der mit Mandoline und Akkordeon zwei Instrumente zueinanderfinden, die bestens zueinanderpassen, hat Graham die Frage zum Anlass genommen, seine Kompositionsklasse von Kindern und Jugendlichen damit zu beauftragen, für diese Duobesetzung zu komponieren. Schon seit Jahrzehnten leitet David P. Graham an der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf mit äußerst beachtenswertem Erfolg diese Kompositionsklasse, und in den vielen in den letzten Jahren realisierten musikalischen Projekten, darunter auch Musicals und Opern, hat er nicht nur sein pädagogisches Geschick als Kompositionslehrer gezeigt, sondern auch immer wieder das enorme Potential junger Komponistinnen und Komponisten unter Beweis gestellt. Was das Akkordeon angeht, ist dieses jüngste Projekt eine Art Fortsetzung eines früheren Projekts der Kompositionsklasse von David P. Graham, in der vor zwei Jahrzehnten Kinder und Jugendliche für Akkordeon solo „Zweiunddreißig tierische Akkordeonstücke“ komponiert haben, die 1992 im Augemus Musikverlag Ralf Kaupenjohann in Essen als illustriertes Notenheft erschienen sind.
Das Projekt, für die Kombination Akkordeon und Mandoline neue Stücke zu schreiben, hat insgesamt fünfzehn neue Stücke hervorgebracht, die in einem sehr gut besuchten Konzert am 26. Juni 2010 in der Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf erstmals vollständig aufgeführt worden sind. Die Stücke der Kompositionsklasse wurden nicht nur von dem Duo Anne Wolf und Simone Krampe realisiert, sondern auch von weiteren Duos mit Mandolinen- und Akkordeonschüler/-innen der Clara-Schumann-Musikschule und der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal. So waren auch fünf Instrumentallehrerinnen und -lehrer in das Projekt involviert. Zwei Stücke wurden von verschiedenen Duos aufgeführt, so dass man in diesen Fällen sehr unterschiedliche Interpretationen miteinander vergleichen konnte.
Lukas Döhler, 2000 geboren, ist der jüngste Komponist der Klasse, der mit „Bär und Baby“ ein kindgemäßes Stück Programmmusik bot und mit „Maus und Heizung“ eine fantastische Geschichte erzählt, die man spielen kann, wobei man nach Belieben den in den Noten eingetragenen Text rezitieren kann oder nicht. Laura Käppele, 1992 geboren, liefert mit „Nieselregen“ und „Wüstenlandschaft“ zwei sensible Miniaturen. Der älteste Komponist ist Damian T. Dziwis, 1986 geboren, den die Mandoline zu dem Titel „Drei-Mandel-Trilogie“ angeregt hat, in deren drei Sätzen er klangliche Spezifika beider Instrumente auslotet.
Altersgenossen mit dem Geburtsjahr 1997 sind Gabriel Baumgarten, der mit „Move“ und „Don’t Move“ zwei interessante Rhythmusstudien komponiert hat, Valentin Ruckebier, der in „Siegfried und der Drache“ Mandoline und Akkordeon kompositorisch in eine programmatische Opposition bringt, und Birk Vogel, der mit „Idoneus“, dem lateinischen Wort für „geeignet“, nicht nur mit dem zufällig aus seinem Lateinbuch geklaubten Titel versieht, sondern auch zeigen kann, wie „geeignet“ beide Instrumente zum Zusammenspiel sind. Paul Weinhold, Jahrgang 1993, stellt in „Uneinigkeit“ und „Kompromiss“ Affekte in den Vordergrund seiner Stücke. Ein virtuoses Konzertstück mit fesselnder Rhythmik und spannender harmonischer Entwicklung ist mit „Grübelei“ von Till Berger, geboren 1990, entstanden. Tom Brüggemann, 1992 geboren, ließ sich bei seinem Stück von einem bestimmten Erlebnis inspirieren, wie er selbst erzählt: „Da kam meine Katze, schlich langsam und behutsam durch das hohe Gras auf einer morgendlichen Entdeckungstour, und da wusste ich, dass mein Thema ‚Katze‘ sein würde“.
Die neuen Stücke für Mandoline und Akkordeon, vom Schwierigkeitsgrad und Charakter höchst unterschiedlich, waren allesamt beachtenswerte und fesselnd zu hörende Kammermusik, die von den jungen Musikerinnen und Musikern nicht nur engagiert, sondern auch sensibel und klangschön vorgetragen worden sind.
Im Rahmen des Konzerts wurde auch die Notenausgabe der fünfzehn Stücke vorgestellt, die unter dem Titel „Maus und Heizung. Neue Ansichten über Mandoline und Akkordeon“ im Augemus Musikverlag Ralf Kaupenjohann in Essen erschienen ist (36 Seiten, € 15,00, ISMN M-50010-095-9).