The Orgelbüchlein Project. Eine neu vervollständigte Fassung von Bachs Orgelbüchlein. Vol. 1: Vom Advent zur Passionszeit. +++ Musica Femina. Orgelwerke von Komponistinnen des 19. und 20. Jahrhunderts +++ Gertraud Kaltenecker: Introduction und Passacaglia op. 76 für Orgel. +++ Olga Magidenko: Drei Etüden für Klavier (2022): Schatulle, Wolfgang, Kleine Mühle +++ Florentine Mulsant: Berceuse pour Louis op. 125 (2023) für Klavier. +++ Komponistinnen kennenlernen. Mittelschwere Klavierstücke. Illustriert von Irina Georgescu (im Alter von 3 Jahren)
Lücken schließen sich
1
The Orgelbüchlein Project. Eine neu vervollständigte Fassung von Bachs Orgelbüchlein. Vol. 1: Vom Advent zur Passionszeit. Hrsg. von William Whitehead. Musica Baltica MB 4004, ISMN 979-0-2650-3365-3; Vol. 3: Katechismus, Buße und Abendmahl. Hrsg. von William Whitehead. Musica Baltica MB 3228; ISMN 979-0-2650-2810-9
Als Johann Sebastian Bach sein Orgelbüchlein konzipierte, legte er ein Konvolut mit 164 Seiten an, auf denen er zunächst nur die Choral-Titel notierte. Nur 46 dieser Choralbearbeitungen hat er ausgeführt, 118 Seiten blieben leer. Erst im 21. Jahrhundert hat der Herausgeber sich daran gemacht, diese Lücken von zeitgenössischen Komponisten füllen zu lassen: The Orgelbüchlein Project – eine Sammlung voller musikalischer Kleinodien. In eine Rezension über Komponistinnen gerät dieses Projekt, weil in allergrößter Selbstverständlichkeit etwa ein Fünftel der neuen Kompositionen von Frauen komponiert worden sind. Das ist ein Anteil, der in Notensammlungen leider noch immer die Ausnahme ist. – Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer
2
Musica Femina. Orgelwerke von Komponistinnen des 19. und 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Peter Wagner. Strube Edition VS 3650
50 Orgelwerke von 25 Komponistinnen aus 10 Nationen – so kann man den Inhalt dieses Sammelbandes zusammenfassen. Keine der Kompositionen ist länger als fünf Minuten. Ein Band, der es endlich auch nebenberuflichen Organisten ermöglicht, Musik von Komponistinnen im Gottesdienst zu spielen. „Einen repräsentativen Einblick in das 19. und 20. Jahrhundert, ergänzt um einige Stilkopien“, will der vorliegende Band geben. „Die Bereiche Avantgarde und Jazz wurden in dieser Sammlung bewusst ausgeklammert“, sagt der Herausgeber Wagner. Für Praktiker ist dieser Band ohne jegliche Einschränkungen zu empfehlen, auch wenn er aus editorischer Sicht Schwachstellen und Diskussionsbedarf hat. – Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
3
Gertraud Kaltenecker: Introduction und Passacaglia op. 76 für Orgel. Hrsg. von Gisbert Wüst. Certosa Verlag Kal 1; ISMN 979-0-50224-501-6
Die Regensburger Komponistin Gertraud Kaltenecker (1915–2004) ist eine der Entdeckungen (wichtigste Aufgabe eines Komponistinnen-Verlages) des Certosa Verlages. Zum 20. Todestag und 100. Geburtstag wurden bereits einige ihrer Werke als Erstausgaben vorgelegt. Stilistisch steht Kaltenecker in der direkten Nachfolge Max Regers. Ihre harmonischen Fortschreitungen sind von einer peniblen Beachtung von Stimmführungsregeln gekennzeichnet, was ihre Musik gelegentlich etwas spröde wirken lässt. Die Ausgabe enthält eine Kurzanalyse Kalteneckers, die es dem Übenden ermöglichen, die formalen Strukturen schnell zu überschauen. Eine Komposition, die im Konzert gut und gern einen großen Reger ersetzen kann! –Schwierigkeitsgrad: 5
4
Olga Magidenko: Drei Etüden für Klavier (2022): Schatulle, Wolfgang, Kleine Mühle. Furore Verlag Furore-Edition 10111; ISMN 979-0-50182-111-2.
Drei Etüden, Übungsstücke im engeren Sinne, aber auch im Vorspiel sehr gut verwendbar: Schatulle, Wolfgang, Kleine Mühle. Der Titel „Schatulle“ erschließt sich dem Hörer nicht wirklich, bietet aber abwechslungsreiche gut hörbare Musik wie aus einem musikalischen Schatzkästchen. „‚Wolfgang‘ orientiert sich an W. A. Mozarts Personalstilistik“, beschreibt die Komponistin selbst. Diese beiden Etüden bieten eine erhebliche Herausforderung im Skalenspiel. Ganz plötzlich versteht man, warum man möglicherweise so viele Tonleiterübungen in allen Bewegungsrichtungen absolviert hat. In „Kleine Mühle“ werden über 49 Takte Terzparallelen – teilweise vierstimmig – zum konstitutiven Element: das Klappern der Mühle. – Schwierigkeitsgrad: mittel
5
Florentine Mulsant: Berceuse pour Louis op. 125 (2023) für Klavier. Furore Verlag Furore-Edition 10435; ISMN 979-0-50182-735-0
Ein Wiegenlied, komponiert für einen kleinen Jungen, Louis Gagnier, über den man nichts Weiteres erfährt. Er wurde wohl im Dezember 2023 geboren. Florentine Mulsant schreibt zu dem knapp zwei Minuten dauernden Wiegenlied: „Traumhaft und süß, möge es Babys beim Einschlafen begleiten.“ Ein erster Blick auf die Noten, die in beiden Systemen durchgängig im Violinschlüssel notiert sind, offenbart eine formal wie spieltechnisch leichte Faktur. Mulsant steht stilistisch im Einfluss der französischen Schule des 20. Jahrhunderts (Debussy, Ravel, Messiaen, Dutilleux) und pflegt einen sehr ausdrucksstarken Stil. In diesem Ausdruck liegen die möglichen kleinen Herausforderungen dieser Berceuse. – Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
6
Komponistinnen kennenlernen. Mittelschwere Klavierstücke. Illustriert von Irina Georgescu (im Alter von 3 Jahren). Hrsg. von Isolde Weiermüller-Backes. Certosa Verlag CV Sab10; ISMN 979-0-50224-303-6
Wie schon im ersten Band von „Komponistinnen kennenlernen“ ist es das Anliegen der Herausgeberin, „Klavierschüler*innen zu vermitteln, dass es sie gibt: die KOMPONISTIN“. Diese Erkenntnis ist wichtig, denn noch immer gibt es Musiker, die in ihrer Ausbildung kein Werk einer Komponistin gespielt haben. Die 20 sehr unterschiedlichen Stücke sind zwischen Spätbarock und Gegenwart entstanden, die Komponistinnen stammen aus Europa und Nord- und Südamerika. Alle Stücke sind echte Bereicherungen für das Repertoire. Da es sich letztlich um eine pädagogische Ausgabe handelt, wäre zu überlegen, ob man den Werken statt der Lebensläufe der Komponistinnen eher pädagogische oder analytische Hinweise beigibt. – Schwierigkeitsgrad: 3–4
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