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Lust, Fantasie und Spiele

Untertitel
Klavierpädagogische Neuerscheinungen für Kinder
Vorspann / Teaser

In den letzten Jahren ist auf dem Notenmarkt ein stetig wachsendes Aufkommen an klavierpädagogischen Ausgaben für Kinder zu beobachten. Es gleicht fast einem Wettstreit, an dem sich nahezu alle Verlage beteiligen. Die daraus resultierende Vielfalt lässt allerdings Besprechungen der Neuausgaben nur im Ansatz zu und kann auch nur Eckpunkte der Methodik aufzeigen.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

1.

R. Obermair und P. Brugger: Zeitreise durch die Musik für Kinder. Doblinger D.20622

Die Reise führt durch die Romantik bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts und streift auf ihrem Weg neben prägnanten Klavierwerken auch die literarischen und kunsthistorischen Werke jener Zeit. Als Leseheft mit vielen Informationen zu den Komponisten und Komponistinnen (Fanny Mendelssohn und Lili Boulanger), musikalischen Begriffen, gesellschaftspolitischen Ereignissen, Hintergrundwissen, Rätseln und gut ausgesuchten Gemälden aus dieser Zeit erscheinen die dazu gehörenden Klavierstücke wie ein homogenes Hinübergleiten in die Welt der Musik. Neben Original-Klavierstücken gibt es auch Bearbeitungen, beispielsweise von „Aus der neuen Welt“ von Dvořák, internationales Liedgut („Shlof mayn fegele“) und Kunstlieder („Von dir mein Lieb“ von Fanny Hensel) sowie mehrere vierhändige Stücke („Galop à la Giraffe“ von Henri Herz). Die aufwändigen Illustrationen verdienen besonderes Lob. Als Zielgruppe sind Kinder vorgesehen, die auch die schon fast obligatorische App zum Heft herunterladen und im Klavierspiel schon größere Fortschritte verzeichnen können. Die Ausgabe eignet sich besonders gut zum Verschenken an wissensdurstige Klavierschüler.

2.

Andrea Wieser: Allerlei Fantasietiere. Edition Dux D1290

Diese Ausgabe ist für Anfänger gedacht, die bereits mit musikalischer Früherziehung Erfahrungen gesammelt haben und ergänzend zu einer Klavierschule noch kreativ am Klavier tätig sein wollen. Beide Hände spielen ausgehend von c’ im Fünftonraum oder rücken diesen in eine andere Lage. Innerhalb dieses Raumes wird abwechselnd, auch beidhändig, im 4/4- oder 3/4-Takt mit Notenwerten bis Achteln (Triolen) gespielt. Oberhalb des Klavierparts befindet sich eine Rhythmusleiste. Hier kann der Lehrer oder ein zweiter Schüler auf ganz unterschiedliche, auch selbst bestimmte Weise mitwirken. Der Titel bezieht sich auf Fantasietiere wie etwa die Heuschnecke, Schmetterbiene oder Zebraffe. Die ins Bild gesetzten witzigen Verwandlungen regen zu weiteren Fantasien an, es kann auch mitgesungen werden. Mithilfe von Tastenbildern und witzigen Ersatznoten in Form von Eiern oder Kronen kann der kleine Klavierschüler auch Begleitfiguren in anderen Lagen spielen. Andrea Wieser hat Recht, wenn sie bemerkt, dass diese Stücke die Aufmerksamkeit steigern, je mehr Abwechslung geboten ist.

3.

Helmut Hofmann-Wagner: Klavierlust. Blattlaus-Verlag, ISBN 978-3-945996-44-7

Für eine Klavierschule, die sich „Klavierlust“ nennt, ist diese sehr wortlas­tig und theoretisch. Die Einführung der Grundlagen geschieht sprunghaft, ohne erkennbare Linie. Hofmann-Wagner versieht fast alle Stücke mit einer zweiten Stimme, die meist in schnellen Notenwerten gesetzt ist und Unruhe birgt und eher irritiert („Hänschen klein“ als ohnehin fröhlich-schnelles Lied wird in Sechzehntelfigurationen begleitet). Der Verweis auf einen digitalen Mitspieler als Capella-Reader erfordert technische Ausrüstung, die, wie man während Corona gesehen hat, jüngere Schüler selbst nicht besitzen. Das Mahnen nach richtigem Zählen hat dann auch seine Berechtigung und es dürfte schwer sein, zusammen zu bleiben. Neben eigenen Stücken hält der Autor nichts bereit, was es nicht auch schon in anderen Klavierschulen gäbe. Die Klavierschule ist recht kindgerecht illustriert und veranschaulicht das Lernprogramm. Kleine technische Trainingseinheiten sind sinnvoll ausgewählt und nützlich. Für Schüler geeignet, die Freude am Zusammenspiel mit dem Lehrer, einem fortgeschrittenen Schüler oder dem digitalen Reader haben.

4.

Anna Reichert: Spiel mit uns! Holzschuh VHR 3518

Wie der Titel schon verrät, soll hier gespielt werden, im weitesten Sinne. Die Ausgabe versteht sich nicht als Schule, sondern als allererster Einstieg in die Materie. Tastennamen werden in Verbindung mit Tieren erlernt und mit dazugehörigen Übungen versehen, ohne die Noten zu kennen. Das Kennzeichnen der Tasten mit Farben ist eine gängige Methode und für Vorschulkinder geeignet. Zu jedem Tier gibt es charakteristische Übungen, die spielerisch die Anschlagskultur schulen. Die einzelnen Lernziele dazu sind ausführlich erklärt.

5.

Eike Wernhard: Wenn das Notenhuhn ein Ei legt, Bärenreiter BA 8754

In dieser methodisch gut durchdachten Klavierschule beginnt das Spiel auf schwarzen Tasten, mit farblicher Unterscheidung der Hände, die später in den Notensystemen auch beibehalten wird. Dieser Ansatz ist richtig, wenngleich auch nicht ganz neu. Die Kinder lernen so die Verortung der Hände innerhalb der zwei zu lesenden Schlüssel besser. Auch hier gibt es eine Mitspielstimme für den Lehrer, die sich aber rhythmisch am Text des Schülers orientiert und unterstützend wirken soll. Der rhythmische Einstieg geschieht mit der Unterlegung von lustigen Texten, so dass über die Sprache der Rhythmus geübt wird. Der besseren Lesbarkeit wegen ist die Notenschrift für die Schüler anfangs schön groß, so dass Noten auf Linien oder in Zwischenräumen besser unterschieden werden können. Eike Wernhard bedient sich nicht gängiger Melodien, sondern hat ganz eigene und didaktisch sehr passende Stücke zum Band beigesteuert. So wird der Liedschatz der Kinder erweitert. Das Spiel mit beiden Händen geschieht behutsam, es wird in der Methodik nichts überstürzt. Auch hier haben Illustrationen zum besseren Verständnis ihre Berechtigung und sind heute in einer Klavierschule nicht mehr wegzudenken. Für diesen Band kann man den zeitlichen Rahmen des ersten Unterrichtsjahres abstecken, in dem alle relevanten Grundlagen des Klavierspiels erlernt werden.

6.

Barbara Arens: One Hand Piano 2. Edition Breitkopf ED 9409

Jeder Lehrer kommt einmal in die Situation, dass ein Schüler den Unterricht absagen will, weil eine Hand (auch für längere Zeit) verletzt ist. Dank Barbara Arens wunderbaren Stücken für eine Hand kann der Unterricht weiter stattfinden, und zwar nicht im eingeschränkten Modus, sondern als bereichernde Erfahrung. Arens gelingt auch in diesem zweiten Band eine Zusammenstellung von ungeheuer vielfältig strukturierten Stücken. Es finden sich barocke Miniaturen bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen, die für diesen Band entstanden sind. Arens hat Originalstücke für eine Hand eingerichtet, bearbeitet, verschiedene Genres bedacht, also äußerst gewissenhaft ausgewählt. Die einzelne Hand belebt die gesamte Klaviatur, so dass die meisten Stücke sowohl mit rechts als auch mit links gespielt werden können. Und es ist fast eine Offenbarung, zu spüren, was mit einer Hand alles geht und auch noch Spaß macht.

7.

Gert Th. Walter: Die neue Technikfibel, Musikverlag Gert Walter MVGW180

„Technikfibel“, also Technik allgemein wird hier in Aussicht gestellt, keine Etüdensammlung oder stupide Fingerübungen. Walter hält auch, was er verspricht. Er konzipierte sein Angebot auf der Grundlage der einzelnen Tonarten, vereint verschiedene spieltechnische Schwierigkeiten in einem Stück und bedient sich Stilkopien, die auch als Kadenzen gespielt werden können. Der Autor gibt hilfreiche spieltechnische Hinweise, präzise Fingersatzbezeichnungen und regt zum Wechsel des Tonartgeschlechts an – ein pfiffiger Gedanke. Das Heft ist geeignet für die Grund- bis Oberstufe.

8.

Jakub Metelka: Der kleine Virtuose, Bärenreiter Praha BA 11569

Metelka hat dieses Heft seinen Schülern der Musikschule im tschechischen Žirovnice gewidmet. Seine Erfahrungen sind praxisbezogen und fließen mit erkennbarer Kompetenz in jede einzelne Miniatur ein. Das Virtuose manifestiert sich nicht durch technische Übungsstücke, die Technik dient vielmehr als Mittel zum Zweck für eine gelungene Umsetzung der Charakteristik der Stücke. Dabei agiert Metelka nicht zimperlich. Die Virtuosen, die der Autor als klein bezeichnet und die auf dem Cover auf drei Kissen sitzend wanken, müssen schon einige Jahre straff geübt haben, um tonartensicher, rhythmisch und lauftechnisch versiert, klanglich nuanciert und stilsicher musizieren zu können. Dabei orientieren sich eher die Titel am Radius kindlicher Gedankenwelt, was die Bezeichnung „klein“ dann doch wieder rechtfertigt. Diese fünfzehn Stücke sind für Kinder gedacht, die Herausforderungen nicht scheuen, auf der Suche nach dankbaren Vorspielstücken (auch für Wettbewerbe) sind und auf Erfolge gezielt hinarbeiten wollen.

9.

Entdeckungsreise durch die tschechische Klaviermusik. Bärenreiter Praha BA 11560

Ivo Kahánek liegt richtig, wenn er im Vorwort bemerkt, dass tschechische Klaviermusik jenseits der Grenzen des Landes nur rudimentär bekannt ist und im Konzertsaal ein eher stiefmütterliches Dasein fristet. Sein Anliegen war es, in einer repräsentativen Auswahl einen Zeitrahmen von der Klassik bis zur Moderne abzustecken, mit leichteren bis anspruchsvollen Stücken eine Verwendung des Heftes über mehrere Jahre hinweg zu ermöglichen und Lust am Entdecken von noch Unbekanntem zu wecken. Obwohl viele der Stücke auch in anderen Sammlungen präsent sind, hört man sie kaum. Deshalb lohnt es sich, tiefer einzutauchen und sich mit dem unverkennbaren Lokalkolorit vertraut zu machen, indem man die Stücke anspielt und dann eine Auswahl zum Üben und Vortragen trifft. Für die unteren Jahrgänge eignen sich die Sonatina III in a-Moll von Benda, „Glocken zur Nacht“ von Eben oder auch die „Schwäne“ von Luboš Sluka. Feinziseliert und lieblich erscheinen die Chansonette von Dusik, die „Freundliche Landschaft“ von Smetana oder auch das „Preludio ostinato“ des Zeitgenossen Miloslav Kabeláč. Bei den Tanzstücken ist die Polka g-Moll von Smetana fast ohrwurmverdächtig, gefolgt von „Columbine tanzt“ von Martinu. Dafür sind die „Teufelspolka“ von Vítězslav Novák oder auch der „Koboldstanz“ von Dvořák muntere und kecke Neuentdeckungen für schon fortgeschrittene Schüler. Die Auswahl von drei Stücken aus Janáčeks viel zu selten gespieltem Zyklus „Auf verwachsenem Pfade“ verdient besonderes Lob. Schlussendlich sei noch auf die „Sextenstudie“ von Jiri Vrestál hingewiesen, die auch einen spieltechnischen Aspekt in die Sammlung der insgesamt fünfzehn Stücke einbringt. Zum weiteren Vertiefen sind auf der letzten Seite alle Quellen angegeben.

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