Norbert Laufer: Mobile. Fünf Lieder für Oboe, Violine und Viola +++ Norbert Burgmüller: Ständchen für Klarinette, Viola und Gitarre Es-Dur o. op. (1825) +++ Philippe Lavergne: Quatuor pour saxophones soprano, alto, tenor et baryton
Norbert Laufer: Mobile. Fünf Lieder für Oboe, Violine und Viola, Edition Dohr, E.D. 28806, ISMN: M-2020-1806-4
Laufer komponierte mit „Mobile“ ein kurzes und doch derart facettenreiches Werk für Oboe, Violine und Viola, dass man schon beim ersten Durchblättern der Partitur fasziniert ist. Das Werk lebt von der Interaktion der drei Instrumente unter gesonderter und stets veränderlicher Gewichtung der Oboenstimme. Sie ist die Erzählerstimme des Werkes, der Solist, der den Zuhörer melodisch dominierend durch diese fünf Lieder führt. Der erste Satz ist sehr tonal, melodisch, jedoch stets unterbrochen und wirkt daher fragmentarisch. Frei und fließend schließt sich der nächste Satz an und fordert vom Spieler Kenntnis der Spaltklänge. Ein energisches, unnachgiebiges Ostinato-Motiv in der Begleitung trägt ein ebenso stupides wie hektisches Thema der Oboe und verschwindet dann im Nichts. Auf diesen Liedsatz folgen heftige Tempiwechsel. Im vierten Satz übernimmt hierbei die Oboe einen Vivo-Teil, der durch ein Largo der beiden Streichinstrumente unterbrochen wird. Das Werk endet wiederum in ostinaten Rhythmen, über denen die Oboe wie ein aus dem Takt geratenes Uhrwerk schwebt. Insbesondere für den Oboisten ist „Mobile.“ technisch überaus anspruchsvoll, sodass er zumindest schon über ausreichend fortgeschrittene Instrumentenkenntnis verfügen sollte. „Mobile.“ ist ein anspruchsvolles, überraschendes und vielschichtiges kurzes Werk, das durchaus im fortgeschrittenen Kammermusikunterricht verwendet werden kann.
Norbert Burgmüller: Ständchen für Klarinette, Viola und Gitarre Es-Dur o. op. (1825), Edition Dohr, E.D. 28873, ISMN M-2020-1873-6
Mit den Worten „Nach Franz Schuberts frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen als Burgmüllers“ bringt kein geringerer als Robert Schumann 1839 zum Ausdruck, welche Gewichtung Burgmüllers viel zu kurze Wirkungszeit als Komponist für seine Zeitgenossen hatte. Nach nur 26 Jahren verstarb er vermutlich an einem epileptischen Anfall und hinterließ nur knapp 40 Opera. Eines davon ist das später als „Ständchen“ titulierte Autograph für Klarinette, Viola und Gitarre. Letztere ist in diesem Stück als transponierendes Instrument angesehen und gibt den Grundrhythmus vor. Spieltechnisch wird empfohlen, daher einen Kapodaster auf dem ersten Bund zu verwenden. Die Klarinette dominiert anfänglich in einem schwelgenden und heiteren Klang. Weitergeführt wird das Hauptthema danach durch die Viola, woraufhin beide unisono das Werk zu seinem Ende führen. Konsequent bleibt dabei die Gitarre als „basso continuo“ und harmonisches Fundament. Dieser Autograph zeigt trotz seiner Kürze die Feinheit und Präzision, welche Burgmüller unter anderem in seinen Kammermusikwerken zum Ausdruck brachte. Hierbei sind die Stimmen technisch nicht über das Maß anspruchsvoll, umso mehr kommt es allerdings auf die Dynamik, welche komplett frei zu wählen ist, an. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, das Werk schon an Musikschüler heranzutragen, die Grunderfahrung im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten haben.
Philippe Lavergne: Quatuor pour saxophones soprano, alto, tenor et baryton, Alphonse Leduc, AL 30 597, ISMN: 979-0-046-30597-9
Lavergne studierte neben seinem eigentlichen Hauptfach Musik auch Naturwissenschaften, Linguistik und erreichte den Doktorgrad im Bereich der Philosophie. Als humanistisch geprägter Mensch engagiert er sich einerseits in vielen erfolgreichen Kammermusikensembles als Klarinettist oder Akkordeonist. Seine Vorliebe für Haydn, Mozart und Beethoven und in Teilen auch für die Werke von Webern zeigt sich in vielen seiner Kompositionen: Er wagt den Schritt in die Moderne hinsichtlich Rhythmik, Technik und Klang, lehnt das Werk in seiner Kompositionsstruktur jedoch dem klassischen Stil an. Atonalität wird im Quatuor pour saxophones weitestgehend vermieden, Harmonie, Ausgewogenheit sowie fließende Übergänge zwischen den markanten Melodiepassagen der einzelnen Saxophone treten an ihre Stelle. Dieses Quartett ist in vier Charaktersätze aufgeteilt: Während der erste rasch fließend, homogen und oft durch staccatohafte Einwürfe unterbrochen scheint, schweben die Harmonien im zweiten Satz und erzeugen eine Klangsphäre, die durch eine wellenhafte Auf- und Abbewegung von Sechzentelketten getragen wird. Diese Bewegung trägt den Zuhörer in den dritten Satz, der aus zwei hektischen, stark rhythmisierten Teilen besteht, zwischen die eine Art klassischer Scherzoteil (Trio) komponiert wurde. Dieser bremst das Gesamttempo etwas ab und gibt gleichzeitig zum Ende hin neuen Schwung, der alle Beteiligten in den unsicher wirkenden vierten Satz trägt. Hektische, stets von unregelmäßigem Pausenmaß durchzogene stark unterschiedliche Rhythmen werden in dynamische Gegensätze gebracht: Vom kaum wahrnehmbaren „ppp“, das durch die Spielanweisung „trés serré et lointain“ charakterisiert wird, wechselt Lavergne plötzlich in aufbrausende „fortes“ und erzeugt damit einen fieberhaften, gehetzten Finalsatz. Der Bezug zu den von innerer Zerrissenheit zerfressenen Finalsätzen der letzten Sinfonien Beethovens könnte dem Zuhörer in den Sinn kommen.
Das Werk endet beruhigter und sich von der Hetzjagd der vergangen elf Minuten erholend in einem „piano“. In der Summe ist dieses kurze Werk Lavergnes eine mentale Reise in die innersten Gefühle eines von Gefühlen geplagten Menschen, dessen Abbild durchaus mit Beethoven Ähnlichkeit haben könnte. Sowohl spieltechnisch, als auch dynamisch und rhythmisch verlangt dieses Quartett Erfahrung und Offenheit von seinen Instrumentalisten und sollte daher erst von erfahrenen Musikern gespielt werden.