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Mit Pop-Melodien klassische Gitarre lernen

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Eine neue Gitarrenschule bietet Flexibilität und stilistische Vielfalt
Publikationsdatum
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Michael Langer und Ferdinand Neges: PLAY GUITAR – Gitarrenschule Teil 1, 80 Seiten, mit CD, € 17,90.

PLAY GUITAR – Gitarrenschule Teil 2, 80 Seiten, mit CD, € 17,90, Doblinger Verlag, 2003.

Die Autoren dieser neuen Gitarrenschule aus dem Doblinger Verlag haben sich bereits einen Namen gemacht. Michael Langer hat unter anderem den Wettbewerb des „American Fingerstyle Guitar Festival“ gewonnen und leitet Ausbildungsklassen für klassische Gitarre an den Konservatorien in Linz und Wien. Ferdinand Neges konzertierte mit verschiedenen Kammermusik-Besetzungen wie den „Vienna Guitar Players“ und ist außerdem als Komponist, Arrangeur und Herausgeber tätig. Unabhängig voneinander haben die beiden Gitarristen auch schon jeweils über ein halbes Dutzend Spielhefte für Gitarre veröffentlicht. Bei ihrer Zusammenarbeit für „Play Guitar“ hatten sie das Ziel, eine „neue, umfassende Gitarrenschule“ vorzulegen, „die Bewährtes mit Neuem auf didaktisch erprobte Weise verbindet.“

Die herausragende Neuerung des zweibändigen Lehrwerkes ist die Möglichkeit, Apoyando und Tirando flexibel zu kombinieren. Wie allgemein üblich beginnen die Schüler mit dem einstimmigen Melodiespiel und eignen sich dabei schrittweise die Notenkenntnisse an. Nach dem Anschlag mit dem Daumen wird schon bald der angelegte Wechselschlag (Apoyando-Technik) eingeführt. Sobald alle Stammtöne in der ersten Lage bekannt sind (etwa zur Hälfte von Band 1) lässt sich parallel dazu Band 2 verwenden, worin das Spiel ohne Anlegen (Tirando) vermittelt wird. Der Zeitpunkt, ab dem Akkordzerlegungen sinnvoll sind, ist je nach den Fähigkeiten der Schüler unterschiedlich und soll daher frei gewählt werden können. Das Angebot, den Unterricht auf diese Weise zu individualisieren, werden viele Lehrkräfte sicher dankbar aufgreifen.

Zu den Glanzpunkten der beiden Bände zählen die Abbildungen, mit denen zum Beispiel die Anschlagstechniken der rechten Hand illustriert wurden. Aus der Perspektive einer Kamera, die sich von innen auf das Schalloch richtet, ist mit einer einzigartigen Klarheit zu erkennen, wie die Bewegungen bei Apoyando und Tirando ablaufen. Ebenfalls hervorragend gelungen ist die bildliche Darstellung von Daumenanschlag und Greifhand. Überdies wird das Dämpfen mit rechter und linker Hand einprägsam demonstriert und systematisch in den Unterricht einbezogen.

Bei der Auswahl der Melodien und Spielstücke wird ebenfalls Neues angekündigt. Unter der Überschrift „96 neue Stücke“ wirbt Band 1 für „neu arrangiertes und komponiertes Spielmaterial in großer stilistischer Vielfalt“. Werbung darf natürlich ein wenig übertreiben. In Wirklichkeit handelt es sich bei gut zwei Dritteln, der als neu angepriesenen 96 Stücke um traditionelle Melodien wie „La Bergamasca“ aus Italien oder „Molly Malone“ aus Irland, die lediglich mit einer mehr oder weniger neuen Begleitstimme ausgestattet wurden. Diese Begleitung ist in erster Linie für den Lehrer gedacht, es gibt aber auch etliche Duos für zwei Schüler. Somit wird von Anfang an auf das Zusammenspiel großer Wert gelegt. Als Musizierpartner können außerdem die beigefügten CDs dienen, auf denen alle Stücke mit der vorgeschlagenen Begleitung zu hören sind. Die zahlreichen Eigenkompositionen der Autoren in beiden Bänden sind durchweg sehr ansprechend und können eindeutig als Pluspunkte bei diesem Lehrwerk verbucht werden. Bereits die sorgfältig gewählten Titel wie „Tanz der Bienen“ oder „Schon wieder Montag“ dürften motivierend wirken. Eine ähnliche Sorgfalt hätte man sich allerdings auch bei den Überschriften zu den überlieferten Folklore-Melodien gewünscht. Wovon handelt wohl dieses „Cancion“ aus Spanien, dieses „Chanson“ aus Frankreich oder das „Lied aus Ungarn“. Auch wenn als Vortragsangabe „gefühlvoll“, „schwungvoll“ oder „gemächlich“ vermerkt ist, wäre ein aussagekräftiger deutscher Titel und ein erklärender Satz zum Inhalt solcher Lieder doch sehr willkommen. Auch Übersetzungen englischsprachiger Titel fehlen völlig. Weiß wirklich jeder Gitarrenlehrer, was ein „Walking Cane“ ist oder wer „Billie the Kid“ war? Solche Informationsmängel könnten vielleicht bei einer Neuauflage durch einige zusätzliche Seiten mit Kommentaren zu Inhalt und Herkunft der Lieder behoben werden. Es müsste ja nicht gleich alles so ausführlich und fundiert erläutert werden wie in den wunderbaren Heften von Richard Voss „Songs from America“ und „Made in America“ (beide im Ricordi Verlag). Dass sie es auch besser können, zeigen die Autoren immerhin schon in Band 2 durch kurze Bemerkungen zu den einzelnen Musik-Epochen und deren Komponisten.

Trotz der erwähnten Informationsdefizite muss man Michael Langer und Ferdinand Neges aber für die Auswahl der Traditionals auch Bewunderung zollen. Sie haben es verstanden, in Band 1 einige attraktive Melodien aus der kommerziellen Unterhaltungsmusik unterzubringen, ohne dass sie eine einzige Abdrucksgenehmigung einholen mussten. Denn bekannte Songs von den „Beach Boys“ oder „Boney M.“ stammen ursprünglich tatsächlich aus der Folklore der Karibik. In Band 2 findet man neben Carcassi, Aguado und Eigenkompositionen auch Akkordfolgen und Zupfmuster, die als Begleitung zu berühmten Pop-Songs der 60er- und 70er-Jahre empfohlen werden, wobei diese Lieder selbst gar nicht abgedruckt wurden. Auch wenn bei dem Bemühen, „die stilistische Bandbreite des Gitarrenspiels“ schon Anfängern zugänglich zu machen, die deutschsprachige Liedkultur (Volkslieder, Liedermacher, Schlager) fast völlig ausgeblendet wurde, so möchte man dieser neuen Gitarrenschule wegen des originellen und grundsoliden didaktischen Ansatzes eine große Verbreitung wünschen.

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