Johannes Boris Borowski: Miniaturen | Michael Finnissy: Piano Concerto No. 4 | Joanna Wozny: Inside Piece | Judit Varga: Pendulum | Márton Illés: Négy tárgy | Gwyn Pritchard: Calling
Johannes Boris Borowski: Miniaturen (2015–17) für Klavier
Boosey & Hawkes, Berlin. BB 3490
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Facettenreiche zeitgenössische Musiksprache, die viele unterschiedliche Ausdrucksbereiche auslotet und voller offener und verborgener historischer Bezugnahmen steckt.
Form, Struktur
Elf kurze, individuell geformte Stücke, die als Gesamtzyklus, als Einzelstücke oder als Auswahl in beliebiger Kombination gespielt werden können; die knappen Titel beziehen sich jeweils auf Inhalte oder verwendete Techniken.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Gewöhnliche Notation, keine erweiterten Spieltechniken; die Musik erfordert jedoch ein hohes Maß an technischer Sicherheit und pianistischer Sensibilität.
Dauer: Gesamtzyklus ca. 20 Minuten; Einzelstücke jeweils ca. 1 bis 4 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer bis sehr schwer.
Kommentar
Ein besonderer Reiz liegt in den variablen Darbietungsmöglichkeiten, insbesondere in der Option, ausgewählte Stücke als zeitgenössische Kommentare in Konzertprogramme mit historischer Musik zu integrieren.
Links:
Michael Finnissy: Piano Concerto No. 4 (1978–96) für Soloklavier
Verlag Neue Musik, Berlin. NM 3222
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Für die „New Complexity“ charakteristische Komposition voller spieltechnisch kaum zu realisierender Details in hoher Ereignisdichte.
Form, Struktur
Einsätziges Stück aus mehreren, in Bezug auf die jeweils verwendeten Satztechniken miteinander kontrastierenden Abschnitten, meist mit „Solo“ oder „Tutti“ bezeichnet.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Komplexe Texturen aus Skalen, Akkorden, Clustern und kontrapunktisch verknüpften Einzelstimmen; Notation in zwei bis vier Systemen unter Verwendung einer mit irrationalen Verschachtelungen arbeitenden Rhythmik und ständig wechselnden Tempi.
Dauer: ca. 17 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: extrem schwer.
Kommentar
Die Herausforderung, den Notentext möglichst genau zu realisieren, wird durch Anweisungen zum Solo- und Tuttispiel erschwert, die vor allem durch spezifische Vortragshaltungen eingelöst werden müssen.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=bKfFaSWr4m0
Joanna Wozny: Inside Piece (2019) für Klavier vierhändig
Edition Juliane Klein, Berlin. EJK 0949 (Partitur, Aufführungsmaterial auf Anfrage)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Im Mit- und Gegeneinander beider Stimmen wird der herkömmliche Klavierklang mit ausgeklügelten Geräuschklängen verbunden, die im Innern des Instruments erzeugt werden.
Form, Struktur
Einsätziges Stück, dessen Verlauf durch wechselnde Arten des Kommunizierens zwischen den Interpreten bestimmt ist.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Traditionelle Notation für die meisten auf der Tastatur auszuführenden Aktionen; spezielle Notationssymbole und verbale Anweisungen für die Aktionen im Klavierinnern.
Dauer: ca. 5 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer.
Kommentar
Das Alternieren zwischen der Tonerzeugung auf der Tastatur und im Klavierinnern erzeugt eine Reihe von aparten Klangsituationen; die Realisierung setzt erfahrene Interpreten voraus.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=qQzKkUUktm0
Judit Varga: Pendulum (2018/19) für Klavier
Sikorski, Hamburg. edition sikorski 8884
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Tonal unbestimmte Komposition, die unter Rückgriff auf eine flexible Tempogestaltung zwischen unterschiedlichen Zuständen von Bewegung, Harmonik und Klang pendelt, ohne sich dabei jemals zu wiederholen.
Form, Struktur
Einsätziges Stück, bestehend aus mehreren kontinuierlich ineinander übergehenden Abschnitten wechselnden Charakters; die kompositorische Ausarbeitung der pianistischen Texturen suggeriert das Hin- und Herschwingen eines Pendels.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Herkömmliche Notation, gelegentlich auf drei Systeme ausgeweitet; passagenweise ist eine stark differenzierte Pedalisierung mit 1/2–1/4 Pedal gefordert.
Dauer: ca. 6 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer.
Kommentar
Die besonderen Aufgabenstellungen in Bezug auf Klangfarben und musikalische Übergänge machen das Stück, Gewinner des „TONALI19“-Kompositionspreises, zu einer pianistisch attraktiven und musikalisch lohnenswerten Repertoireerweiterung.
Link: https://soundcloud.com/vargaju/judit-varga-pendulum
Márton Illés: Négy tárgy / Vier Objekte (2020) für Klavier
Breitkopf & Härtel, Wiesbaden. Edition Breitkopf 9460
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Atonale und teils sehr virtuose Musik, angereichert durch vielerlei mittels Zupfen, Reiben oder Schlagen im Klavierinnern erzeugte Klänge und durch präzise gesetzte Flageoletttöne.
Form, Struktur
Vier stark kontrastierende Stücke, die von pianistischen „objets trouvés“ – besonderen Texturen, bestimmten Spieltechniken oder instrumentenspezifischen Klangmöglichkeiten – ausgehen und diese variativ weiterentwickeln.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Traditionelles, gelegentlich nur ein einziges System nutzendes Notenbild, das durch besondere Notationssymbole und zusätzliche Aktionsbeschreibungen für das Spiel im Klavierinnern erweitert ist.
Dauer: ca. 9 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer.
Kommentar
Die Komposition, Pflichtstück für den ARD-Musikwettbewerb 2022, verlangt hochentwickelte manuelle Fähigkeiten beim Wechsel zwischen Tastatur und Innenbereich und setzt zudem einen kreativen und eigenständigen Umgang mit Klangfarbe, Zeitgestaltung und musikalischen Gesten voraus.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=qiclIqnvEsM
Gwyn Pritchard: Calling (2022) for solo piano
Verlag Neue Musik, Berlin. NM 3668
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Gestenreiche Komposition mit vielen musikalischen Kontrasten, in der freiere, von Fermaten durchzogene Passagen mit metrisch strengeren Abschnitten abwechseln.
Form, Struktur
Einsätzige Komposition, die von einer rufähnlichen Situation ausgeht und sich von dieser wegbewegt, dabei aber immer wieder variierend auf den Anfang oder auf andere einmal etablierte musikalische Gesten und Konstellationen zurückkommt.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Gewöhnliche, aber taktstrichlose Notation in zwei bis drei Systemen, gelegentlich mit komplizierteren musikalischen Proportionen arbeitend; einzelne Passagen mit detaillierten Pedalisierungsanweisungen.
Dauer: ca. 6 1/2 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer.
Kommentar
Das Stück regt zu einer abwechslungsreichen Wiedergabe an, die ein in der Ausführung nachgiebiges „instrumentales Sprechen“ ebenso einbezieht wie rhythmische Präzision bei den metrisch rigoros notierten Passagen.