Anna Thorvaldsdottir: Enigma | Toshio Hosokawa: Distant Voices | Betsy Jolas: Quatuor VIII à cordes „Topeng“ | Clara Iannotta: You Crawl Over Seas of Granite | Misato Mochizuki: Boids again
Neue Noten 2024/05 – Kompositionen für Streichquartett
1
Anna Thorvaldsdottir: Enigma (2019) für Streichquartett
Chester Music, London. CH88080 (Partitur und Stimmen)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Die Musik kreist um Prozesse des Übergangs zwischen lang gehaltenen, vorhaltsgesättigten Akkorden, tonlosem Rauschen, einander überlappenden Einzeltönen sowie in Geräusch- und Tonkaskaden, Flageolettglissandi oder rhythmische Pulse aufgelösten Texturen.
Form, Struktur
In sehr ruhigem Grundtempo und ausgehend von jeweils unterschiedlichen Ausgangskonstellationen thematisiert jeder der drei Einzelsätze auf andere Weise die allmähliche Verwandlung und Veränderung von Klangsituationen.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Angezeigt durch spezielle, im Vorwort erläuterte Notationssymbole und Abkürzungen werden viele erweiterte Bogen-, Pizzicato- und Grifftechniken verlangt.
Dauer: ca. 27 Minuten
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer
Kommentar
Die Komposition besticht durch ihren kontemplativen Charakter und ständig wechselnde Klangfarben; die heikle Balance zwischen den vier Instrumenten und die Feingestaltung der auskomponierten Details setzen ein erfahrenes Ensemble voraus.
2
Toshio Hosokawa: Distant Voices (2013/2016) für Streichquartett
Schott, Mainz. SJ 1214. (Partitur und Stimmen)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Die Komposition entwickelt sich um eine als „Distant Voices“ im Hintergrund versteckte, einfache Melodie, die in wechselnde Klangräume voller farblicher und dynamischer Feinheiten sowie gelegentlicher Ausbrüche eingebunden ist.
Form, Struktur
Das einsätzige Stück besteht aus mehreren übergangslos aufeinander folgenden Abschnitten, die einerseits durch leichte Modifikation des extrem ruhigen Grundtempos, andererseits durch die Veränderung des Klangcharakters gekennzeichnet sind.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Notation umfasst einzelne Symbole für besondere Spieltechniken wie wechselnden Bogendruck oder spezifische Klanggebungen.
Dauer: ca. 10 Minuten
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer
Kommentar
Hosokawas sechstes Werk für Streichquartett verlangt viel Aufmerksamkeit für die feinen Details der Einzelstimmen bei gleichzeitigem Blick auf die Gesamtheit des Klangs und seine Vorder- und Hintergrundstrukturen.
3
Betsy Jolas: Quatuor VIII à cordes „Topeng“ (2019)
Éditions Alphonse Leduc, Paris. AL 30 845 (Partitur und Stimmen)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Mit ihrem rhapsodischen, bisweilen rezitativisch anmutenden Charakter, gestischen Melodiepartikeln und ständigen Ausdruckswechseln spielt die Komposition auf die balinesische Theaterform „Topeng“ und die Typologie der dort auftretenden Figuren an.
Form, Struktur
Das einsätzige Werk besteht aus ineinander übergehenden Abschnitten, die sich – bei permanent wechselnder Tempo- und Klanggestaltung – durch quasi-konzertierende Momente, polyphone Satzstrukturen, Heterophonie oder mikrointervallische Klangschichtungen auszeichnen.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Neben Mikrointervallen, flexiblen Balkensetzungen und zahlreichen Spielanweisungen enthält die Partitur besondere Notationssymbole für erweiterte Bogen- und Grifftechniken
Dauer: ca. 15 Minuten
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer
Kommentar
Das ausdrucksstarke und musikalisch vielseitige Stück bietet einen hervorragenden Einstieg in das Streichquartettschaffen der 1926 geborenen französischen Komponistin, stellt aber auch hohe Anforderungen an das Ensemble.
4
Clara Iannotta: You Crawl Over Seas of Granite (2019/20) für verstärktes Streichquartett in veränderter Stimmung
Edition Peters, Leipzig. EP 14493 (Partitur und Stimmen)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Aus fein differenzierten Geräuschfäden mit variablem Tonanteil sowie unter Einsatz von mikrointervallischen Skordaturen, Instrumentenpräparationen und Elektronik entsteht eine ständig sich verändernde Klanglandschaft von herber Schönheit.
Form, Struktur
Der einsätzige Formverlauf entwickelt sich aus stehenden Klängen, die in unterschiedlichen Dichtegraden, Bewegungsstadien und Pulsationen zueinander in Beziehung treten und schließlich in einem extrem leisen Klang auslaufen.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Notation ständig wechselnder Elemente der Tonproduktion (Griffstärke, Bogendruck, Bogenposition und Strichtechnik) erfolgt unter ausgiebiger Verwendung grafischer und verbaler Elemente.
Dauer: ca. 16 Minuten
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer
Kommentar
Erfahrungen in der Handhabung erweiterter Spieltechniken sind Voraussetzung für eine Auseinandersetzung mit der Kompostion; der Umgang mit Notation, Präparierung und Klangverstärkung erfordert eine erhebliche Einarbeitungszeit.
5
Misato Mochizuki: Boids again (2019/20) für Streichquartett
Breitkopf & Härtel, Wiesbaden. Edition Breitkopf 9383 (Partitur und Stimmen)
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Das meist in hohen und höchsten Registerlagen lokalisierte, aus engräumigen Bewegungen, Skalen, Arpeggien und Trillern bestehende Stück ist ein Versuch, unterschiedliche Arten der Bewegung von Starenschwärmen in eine musikalische Konzeption zu übersetzen.
Form, Struktur
Die einsätzige Komposition ist als ununterbrochener Klangfarbenverlauf voller Verdichtungs- und Auflösungsprozesse konzipiert, entstehend durch kontinuierliche Veränderung, Überlagerung, Angleichung und Individualisierung der vier Einzelstimmen.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Partitur enthält, teils vermittelt über besondere Symbole, differenzierte Angaben zur Ausführung von Flageoletts und Glissandi sowie zu Tempo, Dynamik und Klang.
Dauer: ca. 7 Minuten
Schwierigkeitsgrad: sehr schwer
Kommentar
Mochizuki legt ihre Komposition als koordiniertes Miteinander von virtuos ausformulierten Einzelstimmen an; dementsprechend hoch sind die Anforderungen an das spieltechnisches Vermögen der Ensemblemitglieder sowie an die wechselseitige Kommunikation.
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