Neue Noten 2024/09 – Kompositionen für gemischte Besetzungen

1

Benjamin Lang: Der zum Nordwind ging und das Mehl zurückforderte (2023) für Oboe, Viola, Violoncello und Kontrabass
Verlag Neue Musik Berlin. NM 3749 (Partitur und Stimmen)

Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Die von mikrointervallischer Harmonik und Geräuschspektren dominierte Musik ist durch den Kontrast zwischen melodisch agierender Oboe und akkordisch eingesetztem Trio Basso sowie durch allmähliche Annäherung dieser beiden Komponenten bestimmt.

Form, Struktur
Die einsätzige Form geht vom Gegenüber melodischer Motive und blockhafter Akkorde aus, verläuft über eine Phase geräuschhafter Auflösung der konträren Positionen und mündet in einen Abschnitt, der melodische Elemente und Geräuschaspekte miteinander vermittelt.

Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Notation enthält einfach erschließbare Symbole für erweiterte Spieltechniken, Mikrointervalle und Multiphonics.
Dauer: ca. 10 Minuten
Schwierigkeitsgrad: schwer bis sehr schwer

Kommentar
Aufgrund hoher Anforderungen an die wechselseitige Kommunikation zwischen den Mitwirkenden eignet sich das Stück nur für sehr erfahrene Ensembles; durch Mitwirkung eines Dirigenten lässt sich die Umsetzung allerdings erheblich erleichtern.

2

Tina Ternes: Aufbruch (2017) für Blechbläserquintett
Furore Verlag, Kassel. fue 10219/10219a (Partitur und Stimmen, transponierend/klingend)

Stilrichtung, allgemeiner Charakter
In erweiterter Tonalität kreisen die mit suggestiven Titeln („… mit Mut“, „… mit Zweifel“, „… mit Freude“) versehenen Werkteile um verschiedene Stimmungen und Gefühlslagen, die sich mit der Situation des Aufbrechens in Verbindung bringen lassen.

Form, Struktur
Durch Verwendung jeweils charakteristischer kompositorischer Elemente gestaltet die Komponistin drei kurze, in Bezug auf Form und Ausdruck sehr unterschiedliche, aber dennoch gedanklich eng aufeinander bezogene Sätze (I. Moderato – II. Adagio – III. Allegro).

Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Partitur bedient sich einer traditionellen Notation ohne jegliche Besonderheiten.
Dauer: ca. 11 Minuten
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer

Kommentar
Das effektvolle und abwechslungsreiche Werk, dessen Sätze auch einzeln aufgeführt werden können, überzeugt durch kammermusikalische und klangliche Aufgabenstellungen, die perfekt auf die spieltechnischen Möglichkeiten des Blechbläserensembles zugeschnitten sind.

3

Ralf Hoyer: Fünf Zustände (2022) für Percussion-Quartett
Edition Gravis, Brühl. eg 3061, Reihe „Schlag>|<Art“ (4 Spielpartituren)

Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Jeweils individuelle Kombinationen von Klangfarben, Geräuschen und rhythmischen Elementen werden zur Schaffung von fünf „Zuständen“ unterschiedlichen Charakters benutzt; dabei spielen auch improvisatorische Aktionen und daraus resultierende theatrale Effekte eine Rolle.

Form, Struktur
Die Komposition besteht aus fünf nahtlos aufeinanderfolgenden Abschnitten; deren Verklammerung erfolgt dadurch, dass in jeder Sektion bereits die im nächsten Abschnitt vorherrschenden melodischen, rhythmischen oder harmonischen Elemente eingeführt werden.

Notation, Dauer, Schwierigkeit
Die Notation ist um einige grafische Komponenten ergänzt; die Improvisationen im vierten Abschnitt werden genau beschrieben und greifen auf traditionell notierte Bausteine zurück.
Dauer: ca. 11 Minuten
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer bis schwer

Kommentar
Hoyers Schlagzeugstück bringt die unterschiedlichen klanglichen Qualitäten des Percussion-Quartetts auf vielseitige Weise zur Geltung und räumt in dem als Höhepunkt fungierenden improvisatorischen Abschnitt auch der visuellen Seite des Vortrags einen wichtigen Platz ein.

4

Graham Waterhouse: String Sextet op. 1 (1979–2023)
Schott, Mainz. ED 23687 (Partitur und Stimmen)

Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Das Streichsextett steht in der Tradition ausdrucksgesättigten tonalen Komponierens und setzt sich als Folge eines über mehrere Jahrzehnte reichenden Entstehungsprozesses in jedem einzelnen Satz mit anderen musikalischen Vorbildern und Modellen auseinander.

Form, Struktur
Die viersätzige Komposition besteht aus einem Sonatensatz (Allegro con anima, d-Moll), einer Fuge (Adagio fanatico, G-Dur/g-Moll), einem Scherzo (Allegro vivace, F-Dur) und einem Finale auf die Melodie eines mazedonischen Liedes (Moderato, d-Moll).

Notation, Dauer, Schwierigkeit
Es wird ausschließlich herkömmliche Notation verwendet; es gibt keinerlei erweiterte Spieltechniken.
Dauer: ca. 30 Minuten
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer bis schwer

Kommentar
Das Sextett ist eine Art „Zeitreise“ (Waterhouse), deren einzelne Stationen über den jeweiligen Entwicklungsstand des Komponisten zu unterschiedlichen Zeiten Auskunft geben. Es eignet sich für Ensembles ohne jegliche Erfahrungen mit zeitgenössischer Musik.

5

Wolfgang Heisig: WORTSPIEL (2024) für 1 bis viele Musiker in beliebiger Besetzung
Verlag Neue Musik Berlin. NM 4097 (Partitur)

Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Das Stück ist als Spiel mit Worten für „flexibel-experimentierfreudige Musikerkreise“ (Heisig) gedacht; im Mittelpunkt steht eine möglichst kreative und gegebenenfalls auch improvisatorische Auseinandersetzung mit vorgegebenen Tonbuchstaben.

Form, Struktur
Die Partitur besteht aus zehn kunstvoll gestalteten Doppelseiten mit Fotografien von Schildern und Schriftzügen, die sich allesamt in klingende Tonfolgen übersetzen lassen; die genaueren Details hierzu obliegen der Verantwortung der Interpretierenden.

Notation, Dauer, Schwierigkeit
Bei der Umwandlung der Fotografien in Klang steht der gesamte instrumentale (oder vokale) Gestaltungsspielraum zur Verfügung.
Dauer: 6 bis 60 Minuten
Schwierigkeitsgrad: je nach Fähigkeiten

Kommentar
Die Verwendung von Buchstabenfolgen als Grundlage für ein in Bezug auf Besetzung, Tempo, Rhythmus, Artikulation, Register, Dynamik, Abfolge und Dauer frei zu gestaltendes Musikstück ist ein origineller Versuch, die uns umgebenden Alltagstypografien künstlerisch zu verarbeiten.