Vladimir Rebikov: 15 Klavierstücke, Rob. Forberg Musikverlag, F 95053 +++ From Handel to Ravel, Bärenreiter Piano Album, BA 8771 +++ Beethoven–Schubert–Hummel, Leichte Klavierstücke mit Übetipps, Wiener Urtext Edition, UT 52005 +++ Fanny Hensel: Klavierstücke, Band 12, Furore-Edition 10148 +++ Erwin Schulhoff: Jazz-inspirierte Stücke, Bärenreiter, BA 9559 +++ Olli Mustonen: Jehkin livana, Edition Schott, ED 20190 +++ Wolfgang Rihm: Drei Klavierstücke in H, Universal Edition, UE 36018 +++ Feste: Breitkopf&Härtel, EB 8658 +++ Kerstin Strecke: Tio feiert Weihnachten, Breitkopf Pädagogik, EB 8852
Vladimir Rebikov: 15 Klavierstücke, Rob. Forberg Musikverlag, F 95053
Rebikov (1866–1920) komponierte in einer Zeit, in der die vorherrschenden Strömungen an ihren Defiziten zu leiden begannen. Kühn vorausblickend wartet der russische Komponist mit Neuerungen auf, die seinerzeit keine Befürworter fanden. Die Edition von Markus Heinze kann als erster Schritt einer Annäherung betrachtet werden. In den vorliegenden Miniaturen spürt man sowohl die Verknüpfung mit der spätromantischen Tradition als auch die aufkeimende Lust am Laborieren. Sie sind Zyklen entnommen, die vorzugsweise für Kinder geschrieben und kenntnisreich in Szene gesetzt wurden. Als Beispiel sollen die fünf Stücke aus „Die Weihnachtsgeschenke“ Erwähnung finden: selbst unter dieser speziellen Vorgabe vermag Rebikov, ganz gegenläufige kompositorische Ansätze sichtbar zu machen.
From Handel to Ravel, Bärenreiter Piano Album, BA 8771
Sammelalben sind beliebt. Sie enden meist im angehenden 20. Jahrhundert, als wäre Ravel die Schmerzgrenze. Schade, dass Schülern die Musik unserer Zeit vorenthalten wird. Immerhin bezieht Michael Töpel in seine Auswahl Stücke von Satie noch mit ein, die als Fingerzeige ins 20. Jahrhundert gedeutet werden können, und verzichtet auf Elise und den kleinen Neger. Ein Weihnachtslied von Liszt, ein Contredanse von Chopin oder die Bearbeitung des Hochzeitsmarschs von Mendelssohn wirft er als Gegengewicht in die Waagschale, um zwischen Bekanntem und Entdecktem tarieren zu können.
Beethoven–Schubert–Hummel, Leichte Klavierstücke mit Übetipps, Wiener Urtext Edition, UT 52005
Der Vorzug dieser Sammlung erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung. Tänze von Schubert oder Bagatellen und Sonatinen von Beethoven haben sich als Einstieg in die klassische Klavierliteratur bewährt. Interessant ist hier der Dritte im Bunde, der als Lehrer seine pädagogischen Erfahrungen spürbar in die kompositorische Arbeit einfließen ließ. So wird ein Zeitabschnitt von mehreren Jahrzehnten präsentiert, der Auskunft gibt über die verschiedenen Schreibweisen dieser Komponisten. Hilfestellung leisten die im Anhang angefügten umfangreichen Erläuterungen zu den Komponisten, zur praktischen Ausführung der Stücke und zum sinnvollen Üben.
Fanny Hensel: Klavierstücke, Band 12, Furore-Edition 10148
Mit diesen vier bisher unveröffentlichten Klavierstücken von Fanny Hensel ist die Erstdruck-Ausgabe des Furore-Verlages abgeschlossen. Sie stehen zueinander in keinem direkten Bezug und präsentieren sich wie Aushängeschilder verschiedener Schaffensperioden. Hensels Faible für polyphone Gebilde und ihre innere Liebe zum Ton kommen in den Klavierstücken a-Moll von 1821 und der kühn angelegten Fuge in Es-Dur, die mehr als zehn Jahre später entstand, wirkungsvoll zur Geltung. Ein zweites Stück in a-Moll (1841) erscheint mit zwölf Seiten Länge sehr ausladend, Allegro molto, mit der typisch virtuosen Motorik, die von einer Melodiestimme ummantelt wird. Das Scherzo in e aus dem Jahr 1846 lebt von den gleichen virtuos-konzertanten Elementen, die Hensel kompetent einzusetzen wusste.
Erwin Schulhoff: Jazz-inspirierte Stücke, Bärenreiter, BA 9559
Mit Erwin Schulhoff, der 1942 in Weißenburg/Bayern zu Tode kam, verlor die Neue Musik einen experimentierfreudigen Komponisten. Sein musikalisches Denken fußte auf modernen Tanzformen und -rhythmen, die er als Erster zu einem „Kunst-Jazz“ erhob. Die in dieser Ausgabe zusammengefassten fünf zyklischen Werke erlauben ein Eintauchen in den Pool der Tänze, die nach der Jahrhundertwende auf eine ganze Generation befreiend wirkten. Die „Partita“ umfasst acht Tänze, die charmant und gleichwohl gekonnt gearbeitet sind. Für den progressiven Unterricht der oberen Mittelstufe schrieb Schulhoff die „Esquisses de Jazz“ und verfolgte damit ein musikpädagogisches Konzept. Zwei spieltechnisch anspruchsvolle Etüden-Zyklen (darunter sein wohl bekanntestes Werk, die „Hot Music“), die durch die den Tänzen innewohnenden rhythmisch-metrischen Eigenschaften und auch improvisatorisch anmutenden Elementen wie ein Trainingsplan erscheinen, können freilich nur von erfahrenen Pianisten bewältigt werden. Die letzte Komposition mit einem eindeutigen Verweis zum Tanz-Jazz ist die „Suite dansante en jazz“ mit Stomp, Strait, Waltz, Tango, Slow und Foxtrot.
Olli Mustonen: Jehkin livana, Edition Schott, ED 20190
Mustonen (*1967) ist einer der eigenwilligsten Pianisten der Gegenwart. Von eigener kompositorischer Arbeit beeinflusst, sicherte er seinen Platz im Musikleben auf unspektakuläre Weise. Jehkin livana wurde 2006 in Kuhmo uraufgeführt. Der karelische Runensänger Jehkin livana ist der Namenspatron für das Stück, das Mustonen eigentlich für Gitarre konzipiert hat. In der Fassung für Klavier wird die Kantele, ein der Zither ähnelndes Instrument, imitiert. Akkordik in beiden Händen, auch in entfernten Tonlagen, teils arpeggiert, paust den Klang nahezu deckungsgleich auf die Tasten. Das in fünf Teile gegliederte Werk verharrt auf dem Primat einer mystischen Botschaft mittels Musik.
Wolfgang Rihm: Drei Klavierstücke in H, Universal Edition, UE 36018
Wolfgang Rihm, fraglos einer der bekanntesten Komponisten in heutiger Zeit, war sich schon in jungen Jahren seiner schöpferischen Möglichkeiten bewusst. Mit ästhetischen und technischen Fragen des Komponierens war er bestens vertraut. Die drei Klavierstücke, die er 1966 im Alter von 14 Jahren komponierte, legen darüber Zeugnis ab. In der Kürze der Stücke (27–11–7 Takte!, nicht allzu schnell–mäßig–in wilder Bewegung) spricht er eine klare Sprache. Die dynamische Fallhöhe schiebt sich ans Limit, der Tonumfang wird ausgereizt und die musikalische Aussage wirkt wie das Konzentrat eines Gedankens. Jugendlichen Spielern können die Stücke wärmstens ans Herz gelegt werden.
Feste: Breitkopf&Härtel, EB 8658
Der Band mit Geburtstags-, Hochzeits- und Weihnachtsmusik beinhaltet „Klavierstücke für besondere Gelegenheiten“. In dieser Bündelung kann er immer wieder zur Hand genommen werden, wenn ein Tusch, der Brautchor aus „Lohengrin“ oder auch der „Triumph-marsch“ aufgespielt werden soll. Stimmungsmusik für die, die sie mögen, und Weihnachtslieder für alle, die gern singen, runden das Ganze ab. Korrekt gesetzte, gut spielbare Bearbeitungen erlauben einen spontanen Zugriff.
Kerstin Strecke: Tio feiert Weihnachten, Breitkopf Pädagogik, EB 8852
Auch Tastenmännchen warten auf Weihnachten. Nach einer ersten Testphase (EB 8845) sucht Tio nun die Tasten, die ihn zu den Weihnachtsliedern führen. Manche von ihnen kennt er schon. Aber was wäre Weihnachten ohne Überraschungen? Lieder aus Tschechien, England, Finnland und Italien bringen Tio zum Staunen. Sie alle kann er zwar in diesem Jahr noch nicht spielen, aber bis zum nächsten Weihnachtsfest findet das Männchen die Tasten, deren Töne so akkurat und stimmungsvoll auf’s Papier gebracht wurden.