Nun hat Salzburg seine zwei Wolferl, zwei musikalische Wunderkinder, im Abstand von 17 Jahren zu Salzburg geboren. Der sechsjährige Wolferl musizierte im Oktober 1762 mit der zehnjährigen Nannerl im Schloss Schönbrunn, in der Rage des Erfolgs ist er „der Kaiserin auf den Schoß gesprungen und hat sie rechtschaffen abgeküsst“.
Der andere Woelfl gab als siebenjähriger Violin-Solist in Salzburg sein erstes öffentliches Konzert. Wo erlernten die beiden Woelfl und Wolferl ihr Musizieren? Bei Leopold Mozart, beim Nannerl sowie bei den beiden Haydn. 1790 stellte sich der 17-jährige Woelfl bei W. A. Mozart als „fertiger Pianist“ vor, und Mozart zögerte nicht, ihm unterstützende Empfehlungen zukommen zu lassen. Joseph Woelfl machte seinen Weg als Klavierpädagoge, als virtuoser Pianist und vor allem als vielseitiger Komponist von über 600 Bühnen-, Orchester- und Kammermusikwerken. Er tourte um die Jahrhundertwende erfolgreich konzertierend zwischen Warschau, Paris, Wien und den deutschen Musikzentren, wechselte 1805 nach London, wo er mit seiner „Méthode de Pianoforte“ die virtuose englische Pianistenschule begründete. Also kurz aufleuchtend ein europäischer Top-Musiker, allerdings ebenso schnell vergessen. Erst jüngst, nach 200 Jahren, wiederentdeckt. Sein bevorzugtes Instrument war die Flöte, und ihr widmete er 19 ausgewachsene Sonaten ganz in Form und Stil klassischer Sonatenliteratur. Seine Sonaten „for the Piano Forte with an Accompaniment for a Flute or Violin ad libitum“, so tituliert, sind echte Duos mit hochanspruchsvollem Klavierpart. Sie präsentieren sich großzügig ediert, sorgfältig ausgezeichnet, und Woelfls Leben und Wirken ist im Begleittext aufschlussreich nachgezeichnet.
- Joseph Woelfl (1773–1812): Drei Sonaten für Flöte & Klavier Op. 47, Herausgegeben von Hermann Dechant. Apollon Musikoffizin, Bonn, AM 11.100, ISMN 979-0-50272-004-9