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Noten-Tipps 2023/04

Untertitel
Janosa: Ragtimes für Klavier | Liszt: Klavierstücke
Publikationsdatum
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Felix Janosa: 12 Ragtimes für Klavier. Schott Music ED 23689 +++ Franz Liszt: Klavierstücke aus den Jahren 1880–1885. Bärenreiter BA10871

Felix Janosa: 12 Ragtimes für Klavier. Schott Music ED 23689

Einem breiteren Publikum als Schöpfer der Musiken zu Ritter Rost oder als pointierter musikalischer Kabarettist bekannt, schreibt Felix Janosa auch Werke für den konventionellen Gebrauch. Davon ist bei Schott nun die Sammlung der 12 Ragtimes für Klavier solo erschienen. Alle Ragtimes nehmen lediglich eine Doppelseite ein und sind von kurzer Dauer bei einer für das Genre entsprechenden zügigen Spielweise. Stilistisch wird ein traditioneller Rahmen abdeckt: Nach typisch US-amerikanischem Rag klingen die meisten Stücke; der stilprägende synkopierte Rhythmus ist entsprechend vorhanden. Janosa experimentiert allerdings in der Ausgestaltung mit vielfältigen Mitteln, darunter Vorhalte, große Sprünge, akkordische Abschnitte, Triolen und zu den Synkopen kontrastierende Passagen. Zu den auffälligeren Stücken gehören der „Oriental Rag“ mit deutlicher harmonischer Prägung, der „Vienna Rag“, der mit seiner Walzer-Begleitung den Ragtime-Rhythmus in Frage stellt, sowie eine deutlich hörbare Hommage an Joplins „The Entertainer“. Eine Besonderheit ist, dass für jedes der zwölf Stücke eine andere Tonart gewählt wird – Felix Janosas Versuch eines wohltemperierten Ragtimes? Spielerisch muss man sich auf die Musik einlassen: Sie ist rhythmisch anspruchsvoll und technisch schwieriger als man vermutet.

Franz Liszt: Klavierstücke aus den Jahren 1880–1885. Bärenreiter BA10871

Dieser späte Liszt kann resigniert und traurig klingen, kann sich aber auch in einer erfrischenden und experimentellen Tonsprache neu erfinden. Das zeigen die ausgewählten Werke exemplarisch: Neben zwei Versionen der „Romance oubliée“, die sich rhythmisch wie melodisch zu konstituieren versucht, entladen sich in „Unstern!“ sowie in den zwei Versionen zur „Trauer-Gondel“ das erlebte und gefühlte Unglück Liszts. „Unstern!“ ist dabei ein sich durch melodischen Nihilismus und harmonische Expressivität zerreißendes Werk, dem sein Trauergestus nicht zuletzt durch punktierte Marsch-Rhythmik gegeben wird. Die „Trauer-Gondel“ wird getragen von einer wiegenden, der Barkarole nachempfundenen Bewegung. Ähnlich, fast schon pedantisch begleitet sich das „Wiegenlied“ zu seiner in seraphischen Höhen schwebenden Melodie. Was in der „Trauer-Gondel“ Vorahnung ist, wird in „R. W. – Venezia“ und „Am Grabe Richard Wagners“ als traurige musikalische Realität wiedergegeben: zwischen verlorener Einstimmigkeit in der Melodie und fast choralhaften Akkordfolgen, zwischen Tremolo und einer Hommage an die Glocken des Parsifal. Den Abschluss bilden zwei Nocturnes („Frage und Antwort“ sowie „En rêve“) und die „Nuages gris“, ein besonderes Stück, in welchem es Liszt gelingt, in einem skizzenhaften Stück das Wetterphänomen eines trüben wolkenbehangenen Nachmittags festzuhalten und damit harmonisch wie ästhetisch den musikalischen Impressionismus beinahe vorwegzunehmen.

 

 

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