Bei genauer Draufsicht entpuppen sich klavierpädagogische Neuerscheinungen oft als Abbild althergebrachter und durchaus bewährter methodischer Verfahren (siehe auch den Text zur Lang Lang-Klavierschule in der nmz 5/15, S. 12). Das Neue manifestiert sich fast zwanghaft durch das Wörtchen Spaß, das suggeriert, dass Klavierspielen anderswo eine Tortur zu sein scheint und wider den Strich gebürstet werden müsse – eine Bestandsaufnahme.
Martina Hussmann/Guido Klaus: Tastenforscher, Holzschuh, VHR 3414
Die Aneignung von musiktheoretischem Rüstzeug während des Klavierunterrichts ist zeitaufwändig. Neben der Vermittlung der Grundkenntnisse des Klavierspiels soll auch eine solide Technik erarbeitet werden. Wenn man die Unterrichtsliteratur dahingehend prüft, so fehlen umfassende Materialien, die diese Teilbereiche bündeln. Nun legen die Autoren Hussmann und Klaus eine Ausgabe vor, die ein Subsumieren ernsthaft vorantreibt. Sie verstehen es, Anreiz mit gesunder Neugier zu paaren und lassen neben wohlstrukturierter Vorgehensweise auch kindgerechte Aspekte mit einfließen. Beispielsweise wird die Einführung der Intervalle zuerst grafisch dargestellt, danach mit Übungen zu einem bestimmten technischen Problem verknüpft und schließlich rhythmisch oder artikulatorisch aufbereitet. Alle Übmuster sind selbst entworfen, illustriert, kommentiert und der guten Lesbarkeit halber leicht vergrößert. Zum Nachschlagen und Trainieren kann der Schüler in den Musiktheorie-Seiten blättern, wo auch Tonleitern optisch auf die Klaviatur (leider mit zwei Druckfehler-Teufeln) übertragen und mit allen Fingersätzen versehen sind. Raffinierte Klopfübungen für beide Hände verhelfen dank präziser Erläuterungen und übersichtlicher Notation zu rhythmischer Fitness. Die Autoren finden eine Art der Wissensvermittlung, die auf Sachverstand und Praxisverbundenheit gleichermaßen beruht.
John Thompsons: Kinderleichte Klavierschule, Teil 1 und 2, Bosworth, BOE7733 und BOE7734
Thompsons’ Klavierschule ist methodisch ähnlich konzipiert wie der 2. Band der „Maus-Schule“ von Bettina Schwedthelm oder auch die Europäische Klavierschule (wobei die beiden letztgenannte Schulen noch einen Band vorausschicken). Diese Tatsache wirft einige Fragen auf. Der Einstieg in das Klavierspiel erfolgt hier auch über das eingestrichene C und wird in beide Richtungen fortlaufend im Tonumfang erweitert, wobei auf beidhändiges Spiel verzichtet wird. Diese Methode scheint bei ganz jungen Anfängern allseits bewährt. Die Einführung von Notenwerten, rhythmischen Gebilden, Taktarten, Notennamen zieht immer die Handreichung eines Arbeitsblattes nach sich, um den gelernten Stoff festigen zu können. Auch Begleitstimmen zur harmonischen Ergänzung (weil nur einstimmig gearbeitet wird) sind Bestandteil vieler Klavierschulen, genau wie Mitspiel-CDs, die scheinbar unabdingbar dazugehören müssen. Hinweise zur Spieltechnik wie Artikulation oder Dynamik fehlen völlig. Die Auswahl der kurzen Stückchen wartet nicht mit eklatanten Neuerungen auf, was möglicherweise der Vorliebe der Schüler geschuldet sein mag, die gern von Anfang an Bekanntes spielen wollen. Im zweiten Band wird der Tonraum erweitert (auch mithilfe einiger weniger schwarzer Tasten), das beidhändige Spiel angegangen und mit ersten grifftechnischen Übungen (innerhalb des Quintumfangs) gearbeitet. Durch die Reihung einzelner Klischeegesten (z.B. Tastenmännlein) fehlt dieser querformatigen, handlichen Klavierschule irgendwo der innovative Aspekt. Sie kann natürlich als ein weiteres Angebot angesehen werden; es ist Aufgabe des Lehrers, hier das passende Unterrichtswerk für den einzelnen Schüler auszuwählen.
Pam Wedgwood: Es ist nie zu spät … Klavier zu lernen, Faber ff Music, Edition Peters, ISMN 979-0-57700-816-5
Der Titel lässt schon die Vermutung zu, welche Zielgruppe der Herausgeberin vorschwebt: ss sind die Erwachsenen, die an die Tasten drängen. Auch ältere Anfänger brauchen eine Klavierschule und/oder einen/keinen Lehrer. Wenngleich die Autorin einen Unterricht empfiehlt, so ist ihr Lehrwerk doch als Anleitung zum (einsamen) Selbststudium anzusehen. Die beiliegende CD soll es richten. Pam Wedgwood ist offenbar der Meinung, dass Erwachsene belastbarer sind, eine gute Portion trockene Theorie vertragen und auf kontrollierende Lehreraugen und -ohren leicht verzichten können. Schüler sind aber in jedem Fall auf Rezeption angewiesen. Die Auswahl der Übungsstücke erfolgte unter dem Aspekt, bekannte Melodien aller Couleur feilzubieten. Der Verzicht auf Originalstücke der klassischen Klavierliteratur wirkt befremdend; lediglich simple rudimentäre Bearbeitungen lassen erahnen, dass es da auch noch etwas anderes zu geben scheint. Es lässt sich darüber streiten, ob der methodische Aufbau fundiert erfolgt und alle Erläuterungen und Informationen verständlich, lückenlos und zwingend sind. Auf diese Art lässt sich das Klavierspiel schon erlernen, es bleibt jedoch offen, ob sich dabei der eingangs garantierte Spaß und ein ablesbarer Erfolg einstellen.