Klavier-Kammermusik:
Von den vier hinterlassenen Klaviertrios (darunter Dvoráks erfolgreichste Kammermusik, das Dumky-Trio op. 90) hat Bärenreiter das Klaviertrio in g-Moll op. 26 (B 130, BA 9538) im neuen Gewand vorgelegt, herausgegeben von Antonín Pokorný und Karl Šolc mit Vorwort von Eva Velická. Der Notentext stützt sich auch hier auf die ursprüngliche Gesamtausgabe von 1958, die wiederum dem bei Bote & Bock 1879 erfolgten Erstdruck folgt. Entstanden ist es 1876 (gleich „Stabat mater“ op. 58 und Streichquartett Nr. 8 E-Dur) in einer Phase gewisser Depression und Gefühlstiefe, begründet in familiären Schicksalsschlägen. Diese führten wohl zu dieser düsteren Moll-Tonart, doch in den vier Sätzen (Spielzeit knapp 30’) kontrastieren Passagen wechselhafter und ausgleichender Charaktere.
Das Klaviertrio f-Moll op. 65 (BA 9564, B 130), herausgegeben von František Bartoš, spiegelt deutlich Dvoráks angespannten Gemütszustand. Ganze zwei Monate konzentrierte er sich im Frühjahr 1883 auf dieses Klaviertrio, dann noch auf eine ihm nahegelegte Überarbeitung. Denn ihn beschäftigte in dieser Zeit Ehrgeiz und künstlerischer Anspruch, bei Brahms mit diesem Opus als Kammermusiker mehr persönliche Anerkennung zu finden. Darauf ein geht der neu verfasste Begleittext von Hans-Joachim Hinrichsen und Ivana Rentsch.
Das Klavierquartett Es-Dur op. 87 (B 162) ist auf Anregung seines Verlegers Simrock 1889 entstanden, gedruckt 1890, im gleichen Jahr, in dem der inzwischen vielfach ausgezeichnete Dvorák die Stelle als Professor für Komposition am Prager Konservatorium angetreten hatte. Herausgegeben ist diese großzügig im Notenbild ausgestattete Bärenreiter-Ausgabe (BA 9537) von Antonín Pokorný und Karel Šolc, auch hier unter Verwendung des Notentextes der Gesamtausgabe von 1955 ohne weitere Recherchen. Dieses Werk war auch nach des Komponisten eigener Einschätzung sehr gelungen und wurde erfolgreich aufgenommen, begünstigt davon, dass gegen Ende des Jahrhunderts das Klavierquartett neben Streichquartett und Klaviertrio zu einer beliebten und anspruchsvollen Gattung aufgerückt war. Eva Velická beschreibt die Werkgeschichte und zögert nicht, auf die Einschränkungen dieses Neudrucks hinzuweisen.
Das Klavierquintett A-Dur op. 81 (B 155) aus dem Jahr 1887, in seiner Anmut, blühend schönen Melodik und ausdrucksstarken Rhythmik oft als eines der schönsten Dvoráks apostrophiert, stellt sich dar als ein von Antonín Cubr besorgter Reprint im neuen Bärenreiter-Kleid (BA 9573). Die Erfolgsgeschichte dieses Opus – mit der Dumka an Stelle des 2. Satzes – schildert uns in seinem ausführlichen Vorwort David R. Beveridge, er zögert auch nicht, die entstandenen Divergenzen zwischen Partitur und Stimmensatz bei der Koordinierung der Korrekturen nach dem Autograph zu erläutern.
Romantische Stücke für Violine und Klavier op. 75, herausgegeben von Antonín Pokorný und Karel Šolc, Violinstimme von Josef Micka (BA 9576, B 150)
Terzett C-Dur für zwei Violinen und Viola op. 74 (BA 9543, B 148)
Duo und Terzett, Spielzeit je 14 Minuten, entstanden 1887, nicht auf Anfrage, vielmehr aus Freundschaft zu dem geigenspielenden Zimmernachbarn. Dem Terzett ließ Dvorák, ebenfalls in spieltechnischer Hinsicht für Amateure gedacht, spontan vier weitere Miniaturen für 2 Violinen und Viola folgend, die bei der Präsentation im Künstlerverein „durch eine Poesie von ungewöhnlicher romantischer Natur auffielen“ (Dalibor) und deshalb „verdienten, einem größeren Publikum vorgestellt zu werden“. Angeregt zur Umarbeitung formte Dvorák aus zwei Streicherstimmen eine Klavierbegleitung, die, im gleichen Jahr bei Simrock gedruckt, als „Romantische Stücke für Violine und Klavier“ weltweiten Erfolg fanden. Die lange Werkstory erzählt David R. Beveridge.
Sicher eine gute verlegerische Entscheidung ist es, für die offensichtlich mehr und mehr gefragte Kammermusik Dvoráks brauchbares Aufführungsmaterial jetzt anzubieten mit dem Kompromiss, zunächst nicht auf etwaige neue, aber vielleicht nur marginale Erkenntnisse neuer Forschung warten zu wollen. Was vielleicht auch noch Jahrzehnte dauern kann. So stützt sich Bärenreiter im Sinne von „Alter Wein in neuen Schläuchen“ auf das Notenbild der stillgelegten, 1950 begonnenen Dvorák-Gesamtausgabe und gibt ihm ein seriöses Outfit.
Inzwischen verlautet aus Prag, dass die neue Dvorák Edition kein Phantom mehr ist, vielmehr eine Arbeitsgruppe der Tschechischen Akademie der Wissenschaften intensiv mit Forschungsarbeiten rund um Dvorák beschäftigt ist, um den ersten Band der NDE vorzubereiten – in Arbeit sei Dvoráks erste Oper „Alfred“ von 1870 mit der Tragischen Ouvertüre op. 1 (B 16). In Kürze wird man über eine Wettbewerbsausschreibung nach einem interessierten und geeigneten Verleger suchen.