Oliver Kolb (geb. 1963): Die Bremer Stadtmusikanten. Ein musikalisches Märchen für Klavier zu vier Händen und Sprecher nach dem Text der Gebrüder Grimm *** Richard Wagner (1813–1883): Polonaise D-Dur für Klavier zu vier Händen *** Hermann Bendix (1859–1935): Polonaise E-Dur für Klavier zu vier Händen *** Gilbert Große Boymann (geb. 1947): „J.S. Bach trifft St. Martin in Gochtshausen“, Fantasia für zwey Cembali in bester Stimmung
Oliver Kolb (geb. 1963): Die Bremer Stadtmusikanten. Ein musikalisches Märchen für Klavier zu vier Händen und Sprecher nach dem Text der Gebrüder Grimm.
€ 14,80, Dohr 29968, ISMN M-2020-1968-9
Kolb ist in erster Linie Pianist und Dozent, aber auch als Komponist zu nennen. Dabei hat Originelles eine Präferenz. Das Märchen nach den Gebrüdern Grimm ist ein besonderes Exempel an Originalität mit einer Fülle von Kuriosa. In 14 Musikabschnitten sind bei Kolb kleine Motive erkennbar, die mit den bizarren Aktionen von Esel, Hund, Katze und Hahn in Verbindung zu bringen sind. Kolb bedient sich also auch der tonmalerischen Komponente, doch ohne sie zu überfrachten. Die traditionelle Dreiklangswelt mit Zwischentönen, wie sie im letzten Jahrhundert dazukamen, ist schöpferischer Motor des Komponisten. Der Sprecher, unverzichtbarer Partner, sorgt mit seinem Beitrag in kleinen Einheiten zwischen den Musikpassagen, auch gelegentlich melodramatisch eingebunden während des Erklingens der Musik, für die entsprechende Textbegleitung. Spaß und Freude dürften für Ausübende und Zuhörer sicher sein. Der technische Anspruch ist für beide Spieler bei mittlerem Schwierigkeitsgrad anzusiedeln, jedoch mit Tendenz nach oben, wenn die Metronomangaben bei Molto vivace, agitato und Allegro robusto genau befolgt werden sollen.
Richard Wagner (1813–1883): Polonaise D-Dur für Klavier zu vier Händen, Schott Mainz, € 6,95, ED 20608, ISMN 979-0-001-15819-0,
Hermann Bendix (1859–1935): Polonaise E-Dur für Klavier zu vier Händen, Dohr 28820, € 9,80, ISMN M-2020-1820-0
Die Polonaise, ihrer Funktion nach ein Tanz im Barock, als kürzeres Instrumentalstück auch Brückenelement zwischen Hauptsätzen innerhalb einer Suite, erfreute sich später, besonders spürbar in der Romantik, großer Beliebtheit, und zwar in der Rezeption als reines Musikstück. Da wurde das Klavier zum wichtigsten Instrument in der Umsetzung, sei es durch einen Spieler allein, oder – und das auffallend bevorzugt! – in vierhändiger Spielweise zu zweit. Nach wie vor greifen Musikverlage unserer Tage auf dieses Spielgut des 19. Jahrhunderts zurück, denn es hat nichts an Attraktivität verloren. Die beiden hier vorliegenden Polonaisen sind sehr ähnlich in ihrem positiven Erscheinungsbild im Bezug auf den Stil, formal Handwerkliches, sowie die musikalische Substanz, die die persönliche Strahlkraft des Komponisten aussendet.
Erstaunlich bei der Gegenüberstellung ist freilich, dass bei dem einen als 18-Jähriger in der Seele das Genie schlummert, dessen musikalischer Stern später zum Grünen Hügel von Bayreuth aufsteigt, während sich beim anderen – er ist 31 Jahre alt, als seine Polonaise entsteht – das Leben zwischen Mecklenburgischen Seen als Kantor und Chorleiter bescheidener vollzieht. Ihn erwähnen nicht einmal die Musiklexika. Der Schott-Verlag beschränkt sich bei Wagners Polonaise auf ein schmales Heft, das nicht mehr als den Notentext enthält. Der Verleger Dohr präsentiert in seiner Ausgabe mit dem Herausgeber G.J. Joerg zur Polonaise von Bendix in aller Ausführlichkeit einen beeindruckenden Kommentar zu Person und Werk des Komponisten, sowie den Kritischen Bericht.
Gilbert Große Boymann (geb. 1947): „J.S. Bach trifft St. Martin in Gochtshausen“, Fantasia für zwey Cembali in bester Stimmung, Musikverlag GGB 8030
Der recht kurios erscheinende Titel – auch durch das Schriftbild begünstigt – mutet zunächst an wie ein Stück voller Geheimnisse aus vergangenen Zeiten, zumal weitere Angaben zu Autor und Werk im Notenband fehlen. Das Internet belehrt: Der 1947 geborene Boymann ist Musiker unserer Tage; GGB ist der Musikverlag mit seinem Namen. Die vorliegende Komposition ist eine Huldigung an Bach in Form einer Fantasie, der das Lied „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“ zugrunde liegt, im Tonsprachlichen traditionell geprägt. Die strahlende Dur-Melodie wird zunächst in Moll abgerufen und erfährt in dieser Form eine reizvolle kontrapunktische Verarbeitung. In den Ablauf gesellt sich zur Mitte hin ein komplexes Spiel mit vier Tönen. Nach einer Weile ist im Diskant das Lösungswort B-A-C-H zu erkennen. Am Schluss erscheint die Melodie „Sankt Martin“ original nun in Dur, eingebettet in einen Choralsatz, der von weiteren ihn umspielenden Stimmen begleitet wird. Zur intrumentalen Ausführung ist entgegen der Angabe im Titel das Spiel an zwei Klavieren beziehungsweise Flügeln empfehlenswerter, um die notwendige klangliche Differenzierung von Themen und Nebenstimmen besser zu realisieren.