In gleicher Weise gewährt eine weitere Neuausgabe Einblick nicht nur in den Kompositionsprozess und die Entwicklung des aufstrebenden Genies, sondern eben auch in den Unterricht bei Zelter: das gleichfalls 1822 entstandene Magnificat in D-Dur für Soli, Chor und Orchester, vorgelegt von Ralf Wehner, der in der Einleitung auf die auffällige Verwandtschaft mit Carl Philipp Emanuel Bachs Magnificat in der gleichen Tonart hinweist.
In gleicher Weise gewährt eine weitere Neuausgabe Einblick nicht nur in den Kompositionsprozess und die Entwicklung des aufstrebenden Genies, sondern eben auch in den Unterricht bei Zelter: das gleichfalls 1822 entstandene Magnificat in D-Dur für Soli, Chor und Orchester, vorgelegt von Ralf Wehner, der in der Einleitung auf die auffällige Verwandtschaft mit Carl Philipp Emanuel Bachs Magnificat in der gleichen Tonart hinweist.Für mich das fraglos spannendste Unternehmen ist die Erstausgabe des Doppelkonzerts in d-Moll für Violine und Klavier mit — wahlweise — Streichern oder kleinem Orchester, für die Christoph Hellmundt verantwortlich zeichnet, aus dessen Einleitungstext wir erfahren: „Eine wissenschaftliche Ausgabe der Streicherpartitur, erarbeitet von Theodora Schuster-Lott und Frieder Zschoch, befand sich im Rahmen der neuen Werkausgabe für 1966 in Vorbereitung und war schon gestochen, kam jedoch nicht zur Veröffentlichung. Nur eine Ausgabe für Violine und Klavier (…) erschien damals im Deutschen Verlag für Musik, und Aufführungsmaterial der Fassung mit Streichorchester ist seitdem im selben Verlag leihweise erhältlich.“ Freilich existiert alternativ auch eine käufliche Taschenausgabe der Streicherpartitur, vor deren Erwerb nur gewarnt werden kann: die 1960 im Astoria-Verlag erschienene Bearbeitung von Clemens Schmalstich, deren aberwitzige Eingriffe (massive Kürzungen, willkürliche Veränderungen) einst nur deswegen geduldet wurden, weil die Öffentlichkeit das 1957 erstmals wieder aufgeführte Werk nicht genauer kannte. Die ad libitum hinzugefügte Bläser- und Paukenpartitur (dies ein Parallelfall zur 8. Streichersymphonie) liegt heute in England. Von ihrer Existenz erfuhr man erst 1983 aus dem „Catalogue of the Mendelssohn Papers in the Bodleian Library, Oxford“.Eine Gesamtpartitur mit Streicher- und Bläsersatz ist nicht überliefert und hat wohl nie existiert. Die Fassung mit Bläsern ist durch den koloristischen Zugewinn wenigstens ebenso reizvoll wie die Streicherfassung, und es ist meines Erachtens einzig dem Vermögen der Ausführenden anheim gestellt, ob dieses Konzert als zu lang geraten und damit redselig erlebt wird oder der erfinderische Überschwang, die jugendlich-musikantische Freude bruchlos durchträgt. Es ist ein wunderbares Werk, das über den Spaß hinaus Erfüllung bescheren kann und es ist fast konkurrenzlos für eine ebenso selten bediente wie häufig erwünschte Besetzung geschrieben. Dieser Erstausgabe der Originalgestalt ist zudem noch eine Alternativkadenz zum ersten Satz beigegeben, die zwar später entstanden ist, von der man jedoch nicht gesichert behaupten kann, Mendelssohn habe sie der ursprünglichen Fassung letztgültig vorgezogen. Welche Kadenz erklingt, bleibt also dem Gusto der Interpreten überlassen. Jetzt steht zu hoffen, dass, indem endlich allgemein zugänglich eine fundierte und texttreue Ausgabe vorliegt, das Doppelkonzert die ihm seit jeher gebührende Stellung im Konzertleben erobern kann.
Es sollen übrigens auch sämtliche in der DDR-Gesamtausgabe veröffentlichten Werke nochmals einer kritischen Neuedition nach den nunmehr gültigen Richtlinien unterzogen werden, was freilich in der Regel erst mal warten kann. Die Streichersymphonien und das frühe Violinkonzert in d-Moll zum Beispiel sind für jedermann in für den Konzertgebrauch ausreichenden, praktischen Ausgaben käuflich lieferbar.
Zunächst geht es in der Gesamtausgabe weiter mit der in Kürze erscheinenden Ersten Symphonie op. 11, dem Klaviersextett und der Fassung des Sommernachtstraums für 2 Klaviere, dann sind Gloria, Orgelmusik, das 2. Klavierkonzert in d-Moll, das Streichoktett und die Schottische Symphonie vorgesehen. Angesichts der maßstabsetzenden Sommernachtstraum-Partitur-Neuausgabe wie auch der drei vorbildlich edierten Frühwerke sind die Erwartungen ganz hoch angesiedelt. So hoch, wie man das zu gerne auch von anderen Urtext-Editionen fordern möchte.