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J. Karai: De Profundis/V. Tormis: Herbstlandschaften/W. Egk: 3 franz. Chöre aus „Joan von Zarissa“/P. M. Hamel: Dona nobis pacem/G. Bialas: Chorlieder nach H. Heine/R. M. Helmschrott: Begegnung nach R. Exner; via-nova-chor München, Leitung: Kurt SuttnerTalkingMusic 1009
Chorliteratur muß nicht ausschließlich auf Musik der Barockzeit oder des 19. Jahrhunderts begrenzt sein; das beweist der via-nova-chor München, der gerade mit einem erfolgreichen Konzert in seiner Heimatstadt das 25jährige Bestehen feierte. Der außergewöhnlich professionell arbeitende Laienchor unter der Leitung seines Gründers Kurt Suttner widmet sich vor allem der Chormusik des 20. Jahrhunderts und hier besonders der Musik der unmittelbaren Gegenwart. Zahlreiche Kompositionen beispielsweise von Günter Bialas und Peter Michael Hamel wurden durch den via-nova-chor uraufgeführt. Dabei geht es dem engagierten Ensemble nicht um eine Negation von Traditionellem, sondern um das Entdecken von Entwicklungen und Rückbezügen auf ältere europäische Chormusik.
Einen Beleg für diese Intention und einen guten Querschnitt durch die bisherige Arbeit des via-nova-chores stellt die CD dar. Kontrastreich ist zunächst die Zusammenstellung der Kompositionen selbst mit A-cappella-Musik unterschiedlichster Genres von sechs zeitgenössischen Komponisten: Jószef Karai, Veljo Tormis, Werner Egk, Peter Michael Hamel, Günter Bialas und Robert Helmschrott. Es sind sakrale und weltliche Stücke, die einen spannenden Überblick über die verschiedenartigen Stile und Techniken gegenwärtiger Chormusik bieten: Clusterbildung, vielseitiger Gebrauch der Stimme zum Singen, Sprechen oder Rufen, Einsatz von volksmusikalischen Elementen, harmonische Experimente und auch klassisch aufgebaute Vokalsätze.
Als kontrastreich erweisen sich naturgemäß auch die Gattungen und Inhalte der vertonten Texte. Diese reichen vom 130. Psalm, der die Grundlage von Jószef Karais „De Profundis“ bildet, bis zu Gedichten von Heinrich Heine, die 1991 von Günter Bialas vertont wurden. Gerade diese im 19. Jahrhundert oft vertonten Heine-Texte gewinnen in der vorliegenden Komposition von Bialas einen neuen Aspekt, der beispielsweise die „Loreley“ von ihrem romantisierten „Männerchor-Felsen“ herunterholt.
Eine weitere Legitimation für den Titel „Kontraste“ mag auch in der Zusammenstellung der unterschiedlichen Aufnahmen dieser CD liegen. Es handelt sich nämlich um sechs Mitschnitte von verschiedenen Aufnahmeorten, die zwischen 1993 und 1997 entstanden sind. Auch wenn die aufnahmetechnische Qualität durchaus stark variiert (es gibt beispielsweise einige verzerrende Übersteuerungen), so entsteht auf diese Weise doch ein recht interessantes Portrait des Ensembles und seiner Interpretationsweise. Der via-novis-chor verfügt über technisch sichere und flexible Stimmen aller Lagen, die gerade für die Wiedergabe zeitgenössischer Vokalmusik mit ihren teils sehr komplexen Strukturen und hohen technischen Anforderungen unerläßlich sind.