Wie nennt man es: eine Marketing-Trilogie? Ein Sukzessiv-Triptychon musikalischer Art? So oder so – wir haben es hier auch äußerlich mit einer eher seltenen Kombination zu tun, denn in sehr kurzem zeitlichem Abstand erscheint im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten des Marktes eine Debüt-CD, dazu ein separates Notenheft der eingespielten Stücke, und der ausführende Pianist startet im selben Zeitraum die entsprechende Tournee durch Deutschland und Luxemburg. Aber auch inhaltlich verheißt das Projekt „Benyamin Nuss plays (Nobuo) Uematsu“ Erfrischendes.
Was trifft hier aufeinander? Ein sehr junger Pianist (*1989) von erstaunlich gereifter Ausdruckskraft; ein erfolgreicher, innovativer Komponist (*1959), in Japan gefeiert, der sich durch seine Soundtracks für Videospiele einen internationalen Namen gemacht hat. Das ergibt eine Interpretation von Musik, die wie ein mit seltenen Gewürzen geschmacklich, vielleicht auch optisch gefärbtes Essen die durch Alltagskost unterforderten Rezeptoren in Gehör und Hirn kitzelt. Die 15 gut anhörbaren Kompositionen der CD umspannen ein Ausdrucksspektrum von spätromantischen bis zu expressionistischen Klängen, durch die immer wieder Jazzakkorde glitzern oder knallen. Sie überzeugen nicht in erster Linie durch eine melodisch einfallsreiche Gestaltung – das muss kein Nachteil sein, denn rhythmische Beweglichkeit und harmonische Finessen bilden ein Gerüst, das den Spannungsbogen hält. 15 Uematsu-Bearbeitungen stammen aus „Final Fantasy“, „Blue Dragon“ und „Lost Odyssey“. Der Titel „Nobuo’s Theme“ ist eine Komposition von Nuss für Uematsu. Bereits der „Prolog“ umreißt die dynamische, klangliche und spieltechnische Spannweite. „A Sign of Hope“ beginnt trügerisch wie ein Kinderlied. „A mighty Enemy appears“ ist energiegeladen, türmt sich zum Ende hin mächtig auf. In „Terra’s Theme“ würzen geschärfte Sekunden das zarte Gebilde; das Stück steigert sich zu Motorik von Lisztschem Ausmaß, ehe mit der Rückkehr zum Thema Beruhigung einhergeht.
Nichts für kammermusikalisch orientierte Puristen ohne Neigung zum Pedal: Hier entfaltet sich rhapsodisches Volumen. Was nicht zur Folge hat, dass es bei dieser Interpretation nur rumpelt, im Gegenteil. Leise Passagen wirken geradezu verträumt, die lauten Abschnitte entfalten eine magische Wirkung durch höchst dichte Klänge mit Reibungen und harmonisch zum Teil bis zum Äußersten gespannte Cluster. Und dazwischen immer wieder die Rückkehr zu Stabilisatoren: erwartbare harmonische Anker, vertraute rhythmische Muster oder melodische Abschnitte. Innerhalb dieser Entwicklungen werden die obere und untere Grenze der Tastatur ausgelotet, weshalb ein gut gestimmtes Instrument den eigenen Spielgenuss erhöht. Allerdings sind diese Stücke, will man sie aus den Noten nachspielen, nichts für kleine Hände mit geringer Spannweite. Anfänger am Klavier müssen sich eher eine Weile gedulden, bis sie sich die Stücke erobern können – sie sind eindeutig nur für Fortgeschrittene; doch mit Rücksicht selbst auf deren Motivation wurden die wildesten Tracks für die Noten-edition ausgeklammert. Ebenso emotional wie phantasievoll erdacht und arrangiert, feinsinnig und fulminant eingespielt! Vielleicht eine Chance, verstärkt junge Hörer für den Konzertsaal zu gewinnen. Daten und Infos zur Tournee unter www.benyamin-nuss.de.
Benyamin Nuss plays Uematsu
CD: seit 17.9. bei Universal, ca. 12,99 €, 68 Minuten
Noten: ab Oktober bei www.mons
records.de, 19,90 €, 76 Seiten
Tournee: seit 12.9.2010