Baldassare Galuppi (1706–1785): 9 Sonaten +++ Alexander Skrjabin (1871–1915): Klaviersonate Nr. 9 +++ Tonnie de Graaf (1929–1996): Sonate No. 1 +++ Jaan Koha (1929–1993): Sonatinen 1,2,4 für Klavier
Baldassare Galuppi (1706–1785): 9 Sonaten, Edition Schott, ED 20266
Der italienische Vorklassiker lebte von 1706 bis 1785 und wirkte vorwiegend in seiner Heimatstadt Venedig. Seine Klavierwerke nehmen innerhalb seines Schaffens keine zentrale Stellung ein, aber schon die Auswahl weniger Sonaten mag durchaus genügen, der Eigenart dieses Komponisten nachspüren zu können. Zuerst sei einmal festgestellt, dass wir es hier mit äußerst virtuosen Stücken zu tun haben. Es erübrigt sich von selbst, zu bemerken, dass Galuppi ein hervorragender Cembalist war. Da wagt er es, in einem mit Allegro assai bezeichneten Satz, in dem sich die Tempoangabe auf die Achtel bezieht, Zweiunddreißigstel-Passagen zu platzieren und mit frechen Punktierungen zu versehen. Auch in der formalen Anlage bleibt er mutig, eine Struktur ist nicht erkennbar. Es gibt Satzzahlen von eins bis vier, und den zumeist langsamen Kopfsätzen folgen Sätze nur im schnellen Tempo. Kühn behandelt er auch die Schlüsse. Da landet er nicht immer in der Dominante, sondern auch einmal in der Paralleltonart, um in deren Tonartvariante fortzufahren. Galuppis Spielfreude gipfelt in der Präsentation schier ungebremst daherkommender Passagen, in denen er die Palette seines Könnens aufreiht. Kontrastierend dazu berührt die innige und liebliche Behandlung der Melodieführung in den Larghetto- und Adagio-Sätzen, die anmutet wie ein Gesang.
Alexander Skrjabin (1871–1915): Klaviersonate Nr. 9, G. Henle Verlag 855
Als eine der wenigen Schöpfungen Skjabins schildert diese Sonate den Triumph einer negativen Sphäre:„In der neunten Sonate bin ich tiefer als jemals zuvor in Berührung mit dem Satanischen gekommen (…).Dort (im Poéme op. 36 ist der Satan zu Gast und hier ist er zu Hause“. Mit dieser Aussage bringt Skrjabin die düstere, theosophische Grundstimmung auf den Punkt; der Beiname „Schwarze Messe“, ob nun vom Komponisten stammend oder nicht, untermauert dies noch verbal.
Er wollte die Menschheit läutern von den Leiden ihrer Zeit in seiner Zeit für alle Zeit. Das einsätzige Werk, welches um 1912/13 als op. 68 entstand, verzichtet auf die Reprise. Sie wird, so Carl Dahlhaus, statt als Wiederkehr des Anfangs zu wirken, in die Steigerung hineingerissen.
Das variativ montierte Stück schließt, wie es begann. Die Motorik entfaltet sich dräuend – vielleicht ist es so zu erklären, dass das Werk eine so große Anziehungskraft auf Pianisten ausgeübt hat. Es gibt ihnen hörbar auch rein pianistisch volle Entfaltungsmöglichkeiten bei großer Durchhörbarkeit des Satzes. Die vorliegende Edition (Valentina Rubcova) orientiert sich an den Stichvorlagen aus dem Jahr 1913; die Fingersätze stammen von Michael Schneidt.
Tonnie de Graaf (1929–1996): Sonate No. 1, Inventio Musikverlag
Der niederländische Komponist war zeitlebens freischaffend im Weserbergland tätig, auch als Pädagoge. In Kooperation mit der Tochter des Komponisten widmet sich der Inventio-Verlag nun der Veröffentlichung der Werke, die zu Lebzeiten nicht zugänglich waren.
Das Klavier nimmt innerhalb seines Schaffens eine zentrale Stelle ein. „Die Klavierkompositionen wurden mit großem Verständnis für die Möglichkeiten des Instruments geschrieben und liegen demzufolge gut in der Hand“ (R. Bastemeyer). Die 1. Sonate op. 3 entstand im Februar 1953 und wurde von Graaf selbst, allerdings erst 1980, im NDR eingespielt. Das dreisätzige, formal klassische Werk bewegt sich zwar abseits der Strömungen des 20. Jahrhunderts, versteht sich aber durchaus als dankbare Alternative, wenn man sich mit zeitgenössischer Notation nicht gern befassen mag.
Jaan Koha (1929–1993): Sonatinen 1,2,4 für Klavier, ERES EDITION 2940
Jaan Koha trat in seiner Heimat Estland vorwiegend als Komponist für Film und Bühne in Erscheinung, aber es entstanden auch Werke für Orchester, Instrumentalmusik und Kinderlieder. Sein Betätigungsfeld erstreckte sich auf viele Bereiche; neben seiner kompositorischen Arbeit wirkte er als Tonregisseur, Musikpädagoge und Dozent. In der aktuellen Ausgabe wurden die Sonatinen 1, 2 und 4 gebündelt, die als Querschnitt zu betrachten sind. Sonatine 1 und 2 ergeben quasi eine durchkomponierte Form, in der zweiten Sonatine werden die Sätze attacca verbunden. Die vierte Sonatine bedient sich der „klassischen“ Form (Molto agitato, Moderato, Vivace), was eine fast zwingende Motorik (hier auch metrische Wechsel) und schöne Kantilenen einschließt. Auch die Notation erfolgte traditionell. Koha findet eine ganz eigene, kaum beeinflusste Tonsprache. Die Sonatinen verstehen sich als Unterrichtsliteratur im besten Sinne, wenn man das nötige Rüstzeug bereits erworben hat.