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Von poetischen Walzern und singenden Cowboys

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Neue Spielhefte im Gitarrenunterricht · Von Stephan Schmidt
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Wer ein Musikinstrument unterrichtet, kennt das Problem: Ständig sehen sich die Lernenden mit neuen Übungsaufgaben konfrontiert, um technische Fertigkeiten zu erwerben. Dabei besteht die Gefahr, dass der anfänglich große Übungseifer allmählich verloren geht. Um dies zu verhindern, wird neben dem jeweiligen Unterrichtswerk zusätzliches Notenmaterial eingesetzt, mit dem sich die Freude am bereits Gelernten auskosten lässt.

Wer ein Musikinstrument unterrichtet, kennt das Problem: Ständig sehen sich die Lernenden mit neuen Übungsaufgaben konfrontiert, um technische Fertigkeiten zu erwerben. Dabei besteht die Gefahr, dass der anfänglich große Übungseifer allmählich verloren geht. Um dies zu verhindern, wird neben dem jeweiligen Unterrichtswerk zusätzliches Notenmaterial eingesetzt, mit dem sich die Freude am bereits Gelernten auskosten lässt. Ein Spielheft, das sich in idealer Weise zur Motivierung im Gitarrenunterricht der Grundstufe eignet, ist jetzt im Prim Verlag erschienen. Dieser weniger bekannte Verlag aus Darmstadt, der ganz bescheiden das kleinste musikalische Intervall im Namen führt, hat sich auf Gitarre und Kammermusik spezialisiert. Neben anspruchsvollen Urtextausgaben von Bach oder Dowland gibt es in der Abteilung „Gitarrenmusik für den Unterricht” auch die Reihe „Große Komponisten für junge Gitarristen”. Unter diesem Motto präsentiert Tilman Hoppstock „kinderleichte Arrangements großer Werke”. Das neueste Heft enthält die berühmten „Valses Poeticos” von Enrique Granados (1867–1916) in einer Bearbeitung für Gitarre solo. Diese wunderschönen „poetischen Walzer” aus dem Mutterland der Gitarre wurden vom Zeitgenossen Tárregas zwar für das Klavier komponiert, erlangten aber im 20. Jahrhundert große Popularität in Fassungen für eine oder zwei Gitarren. Wegen des hohen Schwierigkeitsgrades blieb das Werk bisher den fertig ausgebildeten Gitarristen vorbehalten. Um die herrlichen Melodien mit ihrem Flair der spanischen Folklore auch schon Anfängern zugänglich zu machen, musste der Bearbeiter erhebliche Reduktionen vornehmen. Er wählte neben der Einleitung und der Reprise vier der sieben Walzer aus und transponierte sie in leichter spielbare Tonarten (zum Beispiel G-Dur statt F-Dur). Nach der Bearbeitung ergibt sich nun ein fast durchgängig zweistimmiger Satz mit Melodie und Bass, der nur gelegentlich zu dreistimmigen Akkorden erweitert wird. Hört man unvoreingenommen das Ergebnis, so muss man anerkennen, dass der Bearbeiter durchaus sein Ziel erreicht hat, die besondere Idiomatik der Komposition zu erhalten. Gitarrenlehrer haben somit die Möglichkeit, ihre Schüler schon früh für die großartige Musik eines Enrique Granados zu begeistern und so werden sie den Prim Verlag vielleicht sogar mit „prima” oder augenzwinkernd gitarristisch mit „p-i-m-a“ in Verbindung bringen. Dass sich gerade Walzerkompositionen hervorragend für ansprechende Spielstücke eignen, hat ja vor einigen Jahren schon der Schweizer Gitarrist Jürg Hochweber bewiesen. Aus seiner Feder stammen „7 leichte Gitarrenwalzer mit Pfiff“, die im Heft „Walzerträume“ (Apollo Verlag) veröffentlicht sind.

Wenn als vorrangiges Unterrichtsziel jedoch nicht Klassisches Gitarrenspiel, sondern Liedbegleitung angestrebt wird, haben die Walzer wohl ausgeträumt. Denn als ergänzendes Spielmaterial dürfte dann logischerweise eher eine moderne Liedersammlung in Frage kommen.

Eine besonders empfehlenswerte Neuerscheinung mit dem Titel „Songs from America“ (Ricordi Verlag) stammt von Richard Voss, der seit vielen Jahren didaktisch ausgefeilte Lieder- und Flötenhefte herausbringt. Gewiss wären prinzipiell auch Walzerlieder wie „Tulpen aus Amsterdam” zum Erlernen der Liedbegleitung nützlich, doch an der Tatsache, dass vor allem Jugendliche überwiegend englisch singen wollen, kommt man als Lehrer nicht vorbei. Man mag es bedauern, dass die deutsche Sprache mit ihren wunderbar differenzierten Ausdrucksmöglichkeiten derzeit so massiv von englischsprachigen Ausdrücken in Werbung und Medien zurückgedrängt wird. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in der populären Musik ebenfalls die Sprache der Briten und Amerikaner den Ton angibt. Englisch gesungene Pop-Songs haben nun einmal gerade bei Jugendlichen den Nimbus von Weltläufigkeit und strahlen wegen der sprachlichen Hürde etwas vom Zauber des Geheimnisvollen aus. Einer möglicherweise unkritisch-schwärmerischen Rezeption nordamerikanischer Folklore begegnet Richard Voss in seinem Heft mit sachlichen Hintergrundinformationen über die Entstehung dieser Musik. Die insgesamt 42 Lieder und Tänze sind in fünf Themenbereiche gegliedert, denen jeweils ein informativer Einleitungstext vorangestellt ist. So erfahren wir im ersten Abschnitt „Cowboylieder und -tänze“, dass die ersten Cowboys Indianer waren, die von spanischen Missionaren das schwierige Handwerk erlernten. Der spanische Einfluss ist noch in Wörtern wie Rodeo und Lasso erkennbar.
Es fällt auf, dass einige Cowboylieder aus dem 19. Jahrhundert wie „Red River Valley” und „Wildwood Flower” 100 Jahre später in Rock’n’Roll – beziehungsweise Country-Versionen um die Welt gingen. Ähnliches gilt für viele Songs in dieser Sammlung, so auch für die meisten „Sklavenlieder und Spirituals” im zweiten Abschnitt. Das berühmte „Can the circle be unbroken” wurde in der Bürgerrechtsbewegung der Sechziger Jahre unter anderem von Joan Baez verbreitet. Es ist sehr reizvoll, bekannte Lieder der Pop-Geschichte in ihrem ursprünglichen sozio-kulturellen Zusammenhang neu zu entdecken. Damit die schönen Melodien auch leicht zu musizieren sind, hat der Herausgeber alles getan, um das Notenbild gut lesbar zu gestalten. Alle Takte sind auch optisch gleich lang und durch eine kluge Zeileneinteilung werden die musikalischen Strukturen sichtbar gemacht. Bei der Auswahl der Tonarten (nur C-, G- und D-Dur) wurde vor allem an die leichte Spielbarkeit für Sopran-Blockflöte gedacht. Gitarristen finden hier ebenfalls attraktives Übungsmaterial sowohl für das einstimmige Melodiespiel als auch für die Liedbegleitung mit einfachen Akkorden, die im Duo mit einem Melodieinstrument erklingen können. Da manchmal bis zu fünf Textstrophen vorhanden sind, ist natürlich auch unterhaltsamer Gesang am Lagerfeuer möglich. Diese hochklassige Sammlung könnte sogar dazu beitragen, dass sich die Schulnoten auch in Englisch und Geschichte verbessern.

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