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Wege zum Cello

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Neue Methoden in der VioloncellodidaktikBei der Entwicklung des neuen Lehrplans für den Violoncellounterricht an Musikschulen nahm die Besprechung der Celloliteratur und -Schulen einen großen Raum ein. Die Lehrplankomission entschied sich für eine tabellarische Übersicht von gebräuchlichen bzw. neuerschienenen Schulwerken im Lehrplan, sowie die Erwähnung weiterer Schulwerke im Literaturverzeichnis des Anhangs. Die hier folgende Übersicht gibt dabei aber nicht ausschließlich die Ergebnisse der Komissionsarbeit wieder, da einige Schulwerke erst nach Beendigung der Lehrplankommission erschienen sind. Die Tatsache, daß in den letzten zwei Jahren vier neue Schulwerke für den Cellounterricht auf den Markt gekommen sind, macht deutlich, wie verbreitet die Suche nach neuen Wegen in der Instrumentaldidaktik ist. Gerade die Auseinandersetzung um den ausschließlichen Gruppenunterricht und um den frühinstrumentalen Unterricht bestimmt im Moment viele Diskussionen an Musikschulen. Für einen Unterrichtsbeginn schon vor Schulbeginn sprechen sich zwei der vier neuerschienenen Schulen aus, wobei beide einen kreativen Ansatz beim Anfangsunterricht in den Vordergrund stellen. So bieten sich nun Alternativen zu dem bisher einzigen speziell für diese Altersgruppe ausgerichteten Schulwerk von Egon Saßmannshaus: „Cello-Bär“ von Heike Wundling und „Cello mit Spaß und Hugo“ von Gerhard und Renate Mantel, beide sind bei Schott in zwei Bänden erschienen. Der begleitende Lehrerkommentar ist für den unterrichtenden Lehrer unerläßlich, da beide Autoren in gewissen Teilbereichen Neuerungen einführen, die der genauen Erklärung bedürfen. Heike Wundlings Ansatz geht von Methoden der musikalischen Früherziehung aus und bietet im ersten Band des Schülerheftes hauptsächlich ganzseitige Bilder, die den Schüler/die Schülerin anregen sollen, das Cello spielerisch zu „erobern“ und kennenzulernen. Der Unterricht beginnt, was zu begrüßen ist, zunächst nicht mit Noten und langen Erklärungen, sondern mit Geschichten, Spielen und Improvisationen. Jeder Lehrer, der schon öfter mit Kindern im Vorschulalter zu tun hatte, weiß natürlich, daß ein rein kognitiver Ansatz hier keine Chance hätte. Ob es allerdings notwendig ist, mehr als dreiviertel des ersten Bandes (nämlich 42 Seiten) einer Celloschule mit Vorbereitungen zu verbringen, bevor ein Kind das erste Mal in Form eines Liedes die Finger auf die Cellosaite setzt, ist wohl nicht unumstritten. Die Erfahrungen zeigen, daß gerade Kinder in diesem Alter sehr schnell ungeduldig werden und nur darauf brennen, endlich „richtige Lieder“ spielen zu können. Das Lerntempo von Vorschulkindern läßt dies auch durchaus zu, wenn man den Nachahmungswillen der Kinder entsprechend auszunutzen weiß. Der zweite Band der Schule von Heike Wundling ist eher konventionell, aber schön gestaltet; mit vielen Kinderliedern und unterlegten Sprechversen vermittelt er Grundbegriffe des Cellospiels. Sehr positiv sind dabei die Anregungen zur Entwicklung unterschiedlicher Klangfarben. Die Entwicklung der musikalischen Phantasie und der zugehörige Einsatz verschiedener Klangfarben beim Cellospiel ist auch im Unterrichtswerk von Gerhard und Renate Mantel ein zentraler Punkt. Die Autoren empfehlen ihre Schule für Kinder ab fünf Jahren. Aufgrund des deutlich höheren intellektuellen Anspruchs dieses Werks im Vergleich mit dem vorgenannten, ist der Beginn mit dieser Celloschule im Vorschulalter nur dann empfehlenswert, wenn die Eltern bereit sind, Unterricht und häusliches Üben stetig zu begleiten. Eine sinnvolle und wichtige Neuerung ist die Thematisierung cellistischer Bewegungsabläufe und deren Training in gymnastischen Übungen auch ohne Instrument (Cellosport). Hier werden grundsätzliche Bewegungen bewußt gemacht und trainiert, die in bisherigen Unterrichtskonzepten fehlen, oder dem/der unterrichtenden Lehrer/in überlassen wurden. So können bei richtiger Anwendung physiologische Schäden bei den zukünftigen CellistInnen vermieden werden. Der zweite Band wird auch bei Gerhard und Renate Mantel konventioneller, wobei viele verschiedene Ideen zur Anregung der cellistischen Phantasie dem Schüler/der Schülerin sicherlich Spaß am Spiel bringen. Auch die zahlreichen Möglichkeiten zum gemeinsamen Musizieren sind gute Ansatzpunkte zur Förderung der Übemotivation. Die weiteren neuerschienenen Unterrichtswerke wenden sich an Kinder im Grundschulalter. Walter Menglers Schule „Mit dem Cello auf Entdeckungsreise“, erschienen bei Bosworth, und auch Edwin Kochs Schule „Violoncello spielend lernen“, erschienen bei Sikorski, gehen von einem lesenden Kind aus und stützen sich auch ansonsten auf kognitive Fähigkeiten, die erst im Grundschulalter entwickelt werden. In Walter Menglers Unterrichtswerk begegnen uns wieder ähnliche Schwerpunkte einer „neuen Didaktik“, wie auch schon bei den beiden am Beginn vorgestellten Schulen. Das Entdecken von Klängen, die Entwicklung der Phantasie, sowie die Freude an Bewegung am Instrument sind erfreulicher Weise schon allgemeine Forderung an einen zeitgemäßen Cellounterricht. Walter Mengler gibt diesen Bereichen der Instrumentaldidaktik ausreichend großen Raum in seinem Anfangsunterricht. Viele gute Ideen zur Visualisierung von musikalischen und technischen Parametern prägen das Gesicht dieser Schule vor allem im ersten Band. Auch die Arbeitsblätter im Anhang sind eine gute Lösung zur Einbeziehung theoretischer Grundlagen in den Cellounterricht. Leider sind diese guten Ansätze nicht immer mit notwendiger methodischer Genauigkeit und ausreichendem Materialangebot verknüpft. Im ersten Teil fehlen zum Beispiel gänzlich die gerade für den Anfangsunterricht so wichtigen singbaren Lieder. Der zweite Band führt die weite Griffart nach oben als erste Griffänderung überhaupt ein, was erfahrungsgemäß sehr problematisch ist. Solche methodischen Probleme lassen sich bei der Schule von Edwin Koch nicht finden. Die Vermittlung der cellistischen Grundlagen erfolgt sehr konsequent und überzeugend in einem traditionellen Konzept. Wenn auch der Versuch sicher gutzuheißen ist, durch farbliche Unterscheidung der Saiten das Notenlesenlernen zu erleichtern, so bleibt doch die Einsetzbarkeit dieser Schule im normalen Musikschulalltag begrenzt. Der intellektuelle Anspruch in den langen Texteinschüben und auch der Anspruch in der Spielliteratur sind sehr hoch. Das Tempo des Fortschritts vor allem ab dem zweiten Band wird wohl von durchschnittlichen MusikschülerInnen nicht einzuhalten sein. Für überdurchschnittlich begabte oder vom Elternhaus sehr stark geförderte Kinder ist diese Schule jedoch eine willkommene Alternative. Die zu Beginn gestellte Frage, ob mit dem Erscheinen neuer Schulwerke auch neue Wege in der Violoncellodidaktik aufgezeigt werden, ist im Verlauf der Übersicht schon zum Teil bejaht worden. Die stärkere Förderung der kindlichen Phantasie durch den Instrumentalunterricht, das Entdeckenlassen im Gegensatz zum bisher üblichen Frontalunterricht, die Suche nach neuen Formen der Notenvermittlung sowie auch die Einbeziehung cellistischer Bewegungsabläufe sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer neuen Instrumentaldidaktik. Dennoch bleiben viele Wünsche offen. Der mittlerweile überall verbreitete Gruppenunterricht hat im deutschsprachigen Raum noch kein schlüssiges Konzept an der Hand. Hier gehen die englischen und amerikanischen Ansätze erheblich weiter.

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