Bärenreiter Piano-Alben – Barock, BA 8759 und Wiener Klassik
Die Reihe „Piano-Album“ des Bärenreiter-Verlages hat sich längst einen festen Platz innerhalb des Angebotes für den Klavierunterricht gesichert. Das mag auch daran liegen, dass es der Verlag versteht, sinnvoll und sorgfältig auszuwählen, die einzelnen Ausgaben puzzleartig zusammenzufügen und praxisbezogen, also auch mit einem gewissen Anspruch an Qualität vorzugehen. Die Neuerscheinungen „Barock“ und „Wiener Klassik“ verfügen über ein umfangreiches Repertoire, welches die nationalen Strömungen und die historische Entwicklung der Tasteninstrumente berücksichtigt. Dabei achteten die Herausgeber Adel Erenyi sowie Michael Töpel auf die Vielfalt der Gattungen und bevorzugten bewusst kurze Spielstücke mit progressivem Charakter. Das Barockalbum umfasst die Zeit zwischen 1600 und 1750, dem Sterbejahr Bachs. Komponisten aus England, Italien, Frankreich und Deutschland, auch solche, die nicht jedem Klavierschüler geläufig sein dürften, stellen sich mit typisch früh-, hoch- und spätbarocken Werken vor. Durch die Angabe der Lebensdaten lassen sich die Komponisten sehr gut einordnen, die stilistische Entwicklung wird hörbar. Ornamentik und Fingersätze finden sich im Notentext abgedruckt; sie bedürfen gegebenenfalls einer Korrektur.
In dem Wiener Album dominieren Haydn, Mozart und Beethoven mit prägnanten Stücken, auch Sonatensätzen. Kontrastierend dazu gibt es absolut reizvolle Stücke anderer Zeitgenos-sen wie Hook, Diabelli, Clementi, Attwood, Hummel, Türk, Benda. Der zeitliche Rahmen spannt sich jedoch von J.Chr.F. Bach bis Schubert und Field, welcher sehr aussagekräftig die Konturen dieser Epoche widerspiegelt. Neben biographischen Notizen findet sich hier, soweit bekannt, auch die Entstehungszeit der Kompositionen. Nicht vergessen werden soll der Hinweis auf die außergewöhnlich schönen Aufnahmen historischer Instrumente in beiden Bänden; für Schüler, die kein Musikinstrumentenmuseum am Ort haben, ein anschaulich-interessantes Bildmaterial.
Nicolas Medtner: 6 Märchen, Zimmermann Frankfurt, ZM 34340
Die „Sechs Märchen“ op. 51 von Medtner (1880-1951) entstanden im Jahr 1928 und wurden vom Komponisten nach einigen Voraufführungen 1929 in Philadelphia uraufgeführt und später mehrfach eingespielt. Diese Neuausgabe basiert auf einer Revision der bei Zimmermann 1929 erschienenen Erstausgabe.
Die überwältigende Mehrzahl sei-ner 61 Opera gelten dem Klavier; der Hauptakzent liegt auf der von ihm selbst begründeten Formgestaltung des „Märchens“. Sie stellen eindeutige Bezüge zur russischen Volksdichtung her (hier: Aschenbrödel und Iwan der Dummkopf). Form und musikalische Thematik zeigen sich in aller Vielfalt. Kantilenenstücke mit reicher Satzausgestaltung, eine besondere Ausprägung des Marschgenres, ein spätromantischer Klaviersatz ohne modernen Aufputz sind Kennzeichen Medtners, der wie Skrjabin und Rachmaninow auch ein ausgezeichneter Pianist war. Seine dunkle und melancholische Tonsprache mit zuweilen grüblerischer Note hat biographische Ursachen. Dies bedeutet jedoch nicht Verzicht auf spielerische Virtuosität, so dass die Märchen als Zyklus auch hinsichtlich ihres Umfangs repertoirewürdig sind. Studienliteratur.
Ethel Smyth: Sämtliche Klavierwerke, Bd.1, Edition Breitkopf, EB 8168
Ethel Smyth (1858-1944), die 1877 als erste Frau ein Kompositionsstudium am Leipziger Konservatorium aufnehmen durfte und sich zeitlebens der Achtung ihrer männlichen Kollegen erfreute, hinterließ ein Œuvre mit auffallend wenig Klaviermusik. Ihre Klavierwerke fallen in die Leipziger Zeit, die sie trotz anfänglicher Unzufriedenheit später als die glücklichste ihres Lebens empfand.
Liana Gavrila-Serbescu edierte posthum Smyth‘s gesamtes Klavierwerk in zwei Bänden; hier soll auf den ersten Band, der drei Sonaten enthält, hingewiesen werden. Wie die Herausgeberin betont, sollten diese Stücke zum Standardrepertoire der Pianisten gehören. Kurz hintereinander entstanden diese Sonaten in C, Cis und D (unvollendet) im ersten Studienjahr. Der Kommunikationsfreudigkeit Smyths ist es zu verdanken, dass uns so zahlreiche Zeugnisse ihrer Arbeitsweise zur Verfügung stehen.
Die Entstehung der Sonaten spiegelt eine prägnante kompositorische Entwicklung wider, die von den Klassikern beeinflusst scheint, aber auch romantische Züge trägt. Die Sonate in C hat etwa folgenden Satzaufbau: Allegro vivace, Minuet, Trio, Adagio (marcia funebre) und Rondo. Dazu Julius Röntgen: „Dieses Rondo ist so rein und so frisch, dass ich hätte beihnahe meinen können, es sei von Mozart.“ (Vorwort)
Naji Hakim: Ouverture Libanaise, Alphonse Leduc Paris, AL 29545
Naji Hakim, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag begeht, wurde in Beirut geboren. Seine musikalische und auch technische Ausbildung absolvierte er in Frankreich mit größtem Erfolg. Damit war der Grundstein gelegt für eine berufliche Entwicklung, die ihm Anerkennung in höchstem Maße einbrachte.
Die Ouverture Libanaise ist eine Reminiszenz an seine nahöstliche Heimat. Das zehnminütige Stück verlangt rhythmische Gewandheit, technische Perfektion und ein Gespür für arabisches Melos. Trotz mehrerer Taktwechsel und Veränderungen des Metrums wird es von einer fast durchlaufenden Motorik in schnellen Tempi getragen, welche nur von einem Moderato quasi improvisando-Teil unterbrochen wird.
Nach dieser Zäsur werden die Themen wieder aufgegriffen, variiert, zur Virtuosität getrieben, mit Staccato-Oktaven, Glissandi, Tremoli, Ornamentik und vollgriffigen Akkorden gewürzt. Die Spannung, die durch die ständig wechselnden Tempi erzeugt wird, erhöht sich noch durch eine kontrastreiche Dynamik. Wenn man davon ausgeht, dass das Klavier in der arabischen Musik keine Tradition hat, so kann Hakims Versuch, die Eigenart ihrer Instrumente aufs Klavier zu projizieren als ausgesprochen gelungen angesehen werden. Für Studierende und Pianisten.
Francis Schneider: Klavierwochenkalender, HBS Nepomuk, MN 12046
Francis Schneiders Veröffentlichungen tragen stets kreativen Charakter. Ob „Musik der Bilder“ oder „In Tönen reden“ – es werden Sinne angesprochen, die ansonsten ein stiefmütterliches Dasein im Unterricht fristen. Damit zukünftig der Erfindungsgeist in aller Regelmäßigkeit gefördert werden kann, gibt es nun einen Kalender.
Dieser sollte natürlich sichtbar über dem Klavier hängen und nicht nur über dem des Schülers. Denkbar wäre die Benutzung zu Beginn des Unterrichts, zum Aufwärmen von Fingern und Geist. Und was gibt es zu tun? Frage-Antwort-Spiele, Transpositionen, Variationen, Zauberei mit Intervallen und Tonarten, Blattspiel, Knobelei mit Rhythmus und Metrik und das mit allem verbundene Training der Technik, ganz nebenbei.
Ein Experimentierfeld für zeitgenössische Klangstrukturen gibt es nicht, dafür aber ins Herz gehende Melodien. Dieser immerwährende Kalender ist in schwarz-weiß gestaltet worden und er darf natürlich auch verschenkt werden. Für Anfänger (noch) nicht geeignet.