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Zurück zu den Ursprüngen

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Wiener Urtext Edition: im Dienst am originalen Werk
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Mitunter ist es nur eine winzige Änderung, und doch kann sie den Sinn einer Phrase oder eines Taktes beeinflussen. Was die einen für Beckmesserei halten mögen, ist für die anderen zu Ende gedachte Werktreue. „Zurück zum Urtext“ lautet das gemeinschaftliche Motto der Verlage Schott Musik International in Mainz und Universal Edition in Wien, die vor 25 Jahren zusammen die Wiener Urtext Edition gründeten. Von Händel bis Hindemith reicht das Repertoire dieser etablierten, knallrot eingebundenen Reihe inzwischen, und es umfaßt Werke für Klavier solo, für Klavier mit Violine, Viola, Violoncello, Flöte oder Klarinette, auch für Orgel und Flöte solo. Hinzu kommen Ausgaben der „Wiener Urtext Edition und Faksimile“, die neben die gedruckten Noten das Autograph stellen. Der erklärte Wille zum Urtext – zu einer Fassung also, die der Intention des Komponisten in mühevoller philologischer Quellenarbeit nachspürt – ist ein geradezu archäologisches Abenteuer, ein Abtragen nachträglich aufgeworfener Schichten. Tempoangaben, sofern sie nicht vom Tondichter selbst sind, werden genauso korrigiert wie spätere Phrasierungen, Hinweise zur Dynamik oder sogar ergänzte Noten. Nicht immer geben die Erstdrucke zuverlässige Auskunft, was gelegentliche Retuschen von Komponistenhand bestätigen. Autographe sind deshalb wichtige Kronzeugen der Wiener Urtext Edition, und neue Funde erfordern neue Veröffentlichungen. Jüngstes Beispiel: Claude Debussys Flötenstück „Syrinx“, eine „Neuausgabe nach dem kürzlich entdeckten Brüsseler Manuskript“. Das hat Tradition. Vor mehr als drei Jahrzehnten konnte Paul Badura-Skoda als Editor der „Wanderer-Fantasie“ erstmals auf Franz Schuberts Handschrift zurückgreifen, die „in den USA wieder auftauchte und früheren Herausgebern anscheinend nicht zugänglich war“ – so Badura-Skoda im Vorwort zu seiner Ausgabe. Zuerst erschien sie 1965 bei der Wiener Universal Edition, die ihr Copyright 1973 auf die gerade ein Jahr alte Wiener Urtext Edition übertrug. Außer Schubert brachte der neue Verlag damals auch Bach, Beethoven, Brahms, Haydn, Mozart und Schumann in Klavierheften auf den Markt. Vorläufer dieser textkritischen Arbeit gab es lange vor 1965. Für die während der Jahre 1922 bis 1934 ebenfalls in der Wiener Universal Edition besorgten Beethovenschen Klaviersonaten benutzte Herausgeber Heinrich Schenker bereits die Handschriften des Meisters. Erwin Ratz revidierte diese später. Musiker wie Daniel Barenboim und Alfred Brendel arbeiten mit den roten Heften, und namhafte Interpreten sind es auch, die gemeinsam mit Musikwissenschaftlern für die Herausgabe verantwortlich zeichnen. Dabei will die Edition nicht allein den Profi ansprechen, sondern auch den Pädagogen sowie den musizierenden Laien. Denn der Urtext soll zuallererst eine praktikable Ausgabe liefern. „Aus ihr soll gespielt werden“, betont Jochen Reutter, seit 1996 Redaktionsleiter der Wiener Urtext Edition.

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