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Rauhe Oberflächen vs. Glanzpolitur: Brahms’ erstes Klavierkonzert mit Hardy Rittner und Maurizio Pollini

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Die Uraufführung von Johannes Brahms’ erstem Klavierkonzert im Jahr 1859 war für den jungen Komponisten, der selbst das Solo übernahm, ein herber Flop. Sollte er sich wirklich an den utopischen Tempi versucht haben, die im Partiturmanuskript eingetragen sind, ist der Grund dafür unschwer zu erraten: Der nicht unbedingt als Tastenlöwe in die Musikgeschichte eingegangene Brahms dürfte technisch einigermaßen überfordert gewesen sein.

Eine Ahnung vom Furor, der zu dieser Schaffensphase in Brahms tobte, ist – was das Tempo des Kopfsatzes betrifft – einzig aus Vladimir Horowitz’ aberwitzigem (und aufnahmetechnisch abenteuerlichen) Live-Mitschnitt vom 17.3.1935 zu bekommen (Arturo Toscanini dirigiert). Einer weiteren Facette dieses Misserfolgs kann man nun aber anhand einer Aufnahme durch Hardy Rittner und Werner Ehrhardts Originalklang-Orchester „l’arte del mondo“ nachspüren.

Zwar bewältigt Rittner in dem kürzlich bei Dabringhaus und Grimm erschienenen Mitschnitt eines Konzerts vom Februar 2011 den gefürchteten Solopart technisch sehr beachtlich und mit mitreißender Verve. Auch ist es erfrischend, den Orchesterpart einmal ohne die üblichen Bindemittel und Geschmacksverstärker zu hören, die ihm gerne mit dem Argument, es handle sich schließlich um ein „symphonisches Konzert“, beigemischt werden. Doch stoßen Werner Ehrhardts Musiker hörbar an ihre Grenzen bzw. die Grenzen ihres Instrumentariums. Da geht es recht hemdsärmelig und bisweilen mit fragwürdiger Intonation zur Sache, die Feinarbeit in Dynamik und Phrasierung leidet hörbar darunter.

Dennoch geht ein gewisser Zauber von dieser Aufnahme aus, gerade auch weil der Érard-Flügel von 1854, den Rittner gewählt hat, nicht mit der Brillanz und den Differenzierungsmöglichkeiten moderner Instrumente mithalten kann. Man meint Brahms’ Ringen nicht nur um die Form, sondern gerade auch um die Klanglichkeit des Klavierkonzerts herauszuhören…

Demgegenüber verspricht die Deutsche Grammophon mit Thielemann und Pollini einen semperopernglanzpolierten Brahms und liefert doch nur ein eher belangloses Nebeneinander von gefühlig und in den orchestralen Farben merkwürdig diffusem Orchester und sehr solide, aber über weite Strecken eher leblos abgeliefertem Klavierpart.

Der nachlässige Schnitt und die beschämende Spieldauer von 45 min. machen diese CD erst recht entbehrlich, was man Hardy Rittners Einspielung – die freilich auch nur eine kurze Zugabe (Brahms’ Intermezzo op. 119,1) enthält – keinesfalls nachsagen möchte.

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