Nach vier CDs mit Werken von Mozart, Arriaga und von der Wende zum 20. Jahrhundert (u. a. Zemlinsky, Debussy, Ravel) hat sich das junge spanische Cuarteto Casals nun drei der gewichtigsten Beiträge zur Königsgattung aus der deutschen Romantik vorgenommen – die Streichquartette von Johannes Brahms.
Bedenkt man, wie lange dieser an den Partituren feilte (und mehr als 20 zuvor entstandene Quartette unwiederbringlich vernichtete, die seinem selbstkritischen Auge nicht mehr stand hielten), muss es erstaunen, dass sich das 1997 gegründete Ensemble schon „jetzt“ diesen Kompositionen widmet. Denn die Konkurrenz ist ebenso groß wie namhaft – etwa das Alban Berg-, Amadeus-, Artis-, Auryn-, Emerson-, Melos- oder das Takács-Quartett; und das Mandelring-Quartett stellt den Werken Repertoireüberraschungen aus dem Brahms-Umkreis zur Seite.
Was aber ist an der Einspielung durch das Cuarteto Casals so außergewöhnlich, wenn individuelle technische Meisterschaft und ein ausgehörter, abgerundeter Ensembleklang ohnehin zur unabdingbaren Voraussetzung für eine solche Unternehmung gehören? Es ist zunächst der Ton. Denn trotz fiebriger Ausdrucksschwere, gestischer Emphase und klanglich verdichteter Faktur wird hier zu keinem Zeitpunkt der kammermusikalische Anspruch (etwa zugunsten einer mehr symphonischen Sichtweise) in Frage gestellt. Zudem gelingt es dem Cuarteto Casals, durch die gezielte Verwendung des doch ziemlich aus der Mode gekommenen Portamento an eine längst vergangene Quartett-Kultur anzuknüpfen.Unterstützt wird das Kleeblatt durch eine äußerst direkte, alle dynamischen Schattierungen abbildende Aufnahmetechnik, die diesen Zugriff auch auf das Klavierquintett op. 34 überträgt – und damit zum Gelingen dieser Einspielung beiträgt, die für mich schon heute einen Meilenstein der Interpretationsgeschichte darstellt.