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Winfried Berger vor der Kirche Saint Sulpice in Paris. Foto: Atelier Matrix Muenster
Winfried Berger vor der Kirche Saint Sulpice in Paris. Foto: Atelier Matrix Muenster
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Tönendes Vermächtnis: Winfried Bergers Einspielung sämtlicher Orgelwerke Olivier Messiaens

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Etwas traurig wird man schon, wenn man die stattliche CD-Kassette in Händen hält: Sieben Silberscheiben, sieben Mal Olivier Messiaen. Des Meisters Gesamtwerk für Orgel, eingespielt von Winfried Berger. Das Erscheinen dieser Edition mitzuerleben war dem Interpreten nicht mehr vergönnt: Berger, Kantor an der Erlöserkirche in Münster, starb im November 2010, erst 56 Jahre alt – und nur kurz, nachdem die letzten Aufnahmen „im Kasten“ waren.

Seine Familie, seine Freunde haben es möglich gemacht, die unglaubliche Arbeit, die Berger in dieses Projekt investiert hat, zu einem Abschluss zu bringen. Der ganze Messiaen steckt jetzt in einem Schuber, auf dem das Bild einer bunten Bleiverglasung funkelt. Und dieses Gestaltungsprinzip setzt sich im Innern fort - wunderbar für Messiaen, der in der Musik immer auch Farben sah!

Viel, ganz viel lag Berger an dem Oeuvre des wohl einflussreichsten Orgelkomponisten des 20. Jahrhunderts. Es stehe für ihn in seiner Bedeutung direkt neben dem Bachs, formulierte er einmal. Weil beide Komponisten mit ihrer Musik über diese hinausweisen auf Metaphysisches, auf Transzendentes, auf Göttliches. Berger war im besten Sinne Kirchenmusiker, dem es immer um eine geistige Botschaft in seiner Arbeit ging. Der unbedingte Wille zu einer emotional nachvollziehbaren Kraft der Musik ist auch jetzt wieder spürbar, in jedem Takt Messiaen.

Bergers Interpretationen sind geprägt von großer Ruhe, selbst dort, wo das musikalische Geschehen Betriebsamkeit vermittelt wie im „Diptyque“, oder wo es, wie im vierten Satz des Zyklus’ „Les Corps glorieux“, um den existenziellen Kampf zwischen Leben und Tod geht. Im Zentrum steht nie die Virtuosität des Interpreten, vielmehr die Ausdeutung des theologischen Gehalts der Messiaenschen Klänge. Selbst in dem eher abstrakten „Livre d’Orgue“, das Berger ganz klangsinnlich gestaltet. Grandios die „Apparition de l’Église éternelle“, die sich wie aus dem Nichts heraus entwickelt, im Nichts versinkt – und in der Mitte gleißendes Licht verbreitet.

Für seine Messiaen-Einspielung hat Berger sehr genau und ziemlich lange nach geeigneten Instrumenten gesucht. Dazu zählt die Klais-Orgel im Paulus-Dom zu Münster, die Rieger-Orgel der Basilika Vierzehnheiligen in der Nähe von Bamberg, die von Mutin/Cavaillé-Coll erbaute Orgel von St. Pierre im nordfranzösischen Douai – aber auch die gut Hundert Register starke Cavaillé-Coll-Orgel in der Pariser Kirche Saint Sulpice, zweifellos einer der wertvollsten Schätze Europas. Hier wurden die „Méditations sur le Mystère de la Sainte Trinité“ aufgenommen, hier entfaltet sich der ganze Klangkosmos, vom mystischen Säuseln der schwebenden Register (Voix céleste) bis zum einzigartigen Fortissimo, geprägt von den brillanten Zungenstimmen der Orgel.

Dass die Verbindung von Taste zu Ventil in der Windlade der Orgeln mechanisch ist, galt als wichtiges Kriterium bei der Auswahl dieser Instrumente. Da war Winfried Berger als Protagonist der Dispokinese, also als jemand, dem es immer um ein ganzheitliches Musizieren ging, kompromisslos. Es schlägt sich nieder in der Lebendigkeit seiner Interpretation.

Es gibt nicht ganz so viele Messiaen-Gesamtaufnahmen. An denen seiner prominenten Kollegen wie Olivier Latry, Almut Rössler oder Hans-Ola Ericsson kann Winfried Berger sich allemal unbedingt messen. Und um den Preis, dass es etwas pathetisch klingt: mit dieser Aufnahme hat er sich ein bleibendes Denkmal gesetzt.

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