Mit der Geschichte der Klavieretüde könnte man die Geschichte der Musik für Tasteninstrumente insgesamt erzählen; zumindest jenen Teil, der die Entwicklung der Klaviertechnik und deren Transformation in musikalischen Ausdruck betrifft. Die Pianistin Susanne Anatchkova hat sich also ein durchaus lohnendes Objekt für ihre filmische Zeitreise ausgesucht.
Basierend auf einer Serie von Gesprächskonzerten setzt sich die Pianistin als Regisseurin selbst in Szene, was ganz wörtlich zu verstehen ist: Mit beträchtlichem Aufwand wurde da in zeitgenössischen Interieurs gefilmt, um die Epoche eines Carl Czerny, eines Frédéric Chopin oder eines Franz Liszt heraufzubeschwören.
Das ist nett anzusehen, doch wird man den Verdacht nicht los, als habe Frau Anatchkova zuallererst dem Bedürfnis nachgegeben, in attraktive Kostüme zu schlüpfen. Der Erkenntnisgewinn der zu allem Überfluss noch nachsynchronisierten Szenchen hält sich jedenfalls in Grenzen.
Hübsch allerdings das nachgestellte Foto mit Liszt im Kreise seiner Weimarer Zöglinge, zu der sich dann die Anatchkova als adrette Amy Fay hinzugesellt. Und dass ausgerechnet dem Münchner Hochschulpräsidenten Siegfried Mauser als Claude Debussy das Zitat von den Akademien in den Mund gelegt wird, die „stehenden Gewässern gleichen“, entbehrt auch nicht eines gewissen Charmes.
Gehaltvoller und durch knappe, aber informative Kommentare eingeführt, präsentieren sich in jedem Fall die überwiegend aus gut gefilmten Konzertmitschnitten stammenden Werke selbst: Mit Czerny, Cramer, viel Chopin und Liszt, aber auch mit Godowsky, Ligeti und Dusapin beweist Susanne Anatchkova, dass sie eine ausgezeichnete Pianistin ist, deren Autorität als Interpretin eigentlich ganz gut ohne Selbstinszenierung auskäme.
Toll auch die beiden Etüden nach Gershwin von Earl Wild als Bonusmaterial. Über die zugehörige Szene sei hier freilich der gnädige Mantel des Schweigens gebreitet…